Zum Hauptinhalt springen

"Es ist wie ein großer Think Tank"

Von Eva Stanzl

Wissen

Ohne ausreichend mehr Geld für Grundlagenforschung droht Rückfall.


Wieselthaler: In USA Top-Experten vor der Haustüre.
© S. Rainsborough

"Wiener Zeitung": Als Professor für Herzchirurgie der Universitätsklinik Wien sind Sie vor zwei Jahren an die Universität von Kalifornien in San Francisco gewechselt, um Direktor des dortigen Programms für Herztransplantationen und Herzpumpen zu werden. Woran forschen Sie gerade?Georg Wieselthaler: Bei vielen Herzpatienten ist nur ein Teil des Herzens defekt. Man kann ihn durch eine Unterstützungspumpe ersetzen, bis ein Spenderorgan erhältlich ist. Gegenwärtig arbeiten wir auf dem Gebiet
der transkutanen Energieübertragung. Derzeit noch liegt nämlich
die Herzpumpe innerhalb und die Pumpen-Steuerung außerhalb des Körpers. Das bedeutet, dass die Verbindung mit einem Kabel hergestellt werden muss, das durch die Haut tritt. Diese Brücke wollen wir kappen, indem wir Energie durch elektrische Induktion in
den Körper leiten. Der Patient hat dann eine Spule unter der Haut und eine zweite auf der Hautoberfläche, ohne physische Verbindung. Die Technologie ist vom Transformator abgeschaut, wir wollen sie verfeinern. Da das sehr aufwendig ist, untersuchen wir aber auch andere Möglichkeiten. Allerdings ist unser Forschungsgebiet derzeit stark Industrie-gesponsort. Es ist mir daher untersagt, offen darüber reden, bevor die Patente erteilt sind.

Die heimische Wissenschaftscommunity warnt, dass viele hier ausgebildete Forscher ins Ausland gehen und nicht zurückkommen. Welche Möglichkeiten bieten sich Ihnen in den USA, die Sie hier nicht haben?An der Universität von Kalifornien wurde eine klinische Professur für mechanische Herzunterstützungspumpen und Herztransplantation frei. In Wien hatte ich 25 Jahre lang eine internationale Reputation aufgebaut, die mir ermöglichte, die Position anzunehmen. In der Bucht von San Francisco arbeiten an mehreren Universitäten und Forschungseinrichtungen tausende Wissenschafter - es ist wie ein großer Think Tank. Dort bin ich eingebunden in ein Netzwerk von Top-Forschern und habe Wissenschafter in Schlüsselpositionen vor der Haustüre, von denen ich mir erwarten kann, dass sie sehr viele Fragen beantworten können. Wäre ich in Wien, müsste ich in den Flieger steigen.

Was müsste man Ihnen bieten, damit Sie zurückkommen, um Ihre Erkenntnisse hier anzuwenden?

Was einen Forscher wo hält oder zurückbringt, ist Einstellungssache. Ich bin nach wie vor auf Karenz, habe mir somit eine Hintertüre nach Wien offen gelassen. In Österreich kann man von der Grundhaltung her freier denken als in den USA, US-Forscher sind durch selbst auf erlegte Regeln eingeschränkt. Die Studenten haben keine Zeit mehr, sie machen Doktorate, um endlich vertieft arbeiten zu können und es ist extrem kompetitiv. Zukunft haben jene, die Drittmittel-Projekte einwerben und sich nebenbei Meriten einarbeiten, um nach ihrer Ausbildung etwa nach Harvard gehen zu können. Viele Professoren finanzieren auch sich selbst über Projektmittel. Die USA werden getrieben von Administratoren, in meinem Spital ist der Verwaltungsaufwand viel höher als hier.

Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert war Wien ein Weltzentrum der Medizin. Forscher kamen aus allen Ländern, um hier tätig zu sein. Könnten wir heute noch eine Speerspitze der Wissenschaft sein? Oder sind wir angesichts globaler Konkurrenz zu klein?

Wien ist nach wie vor ein Weltzentrum für medizinische Forschung, aber das Feld hat sich verschoben. Forschung wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist heute nicht mehr möglich, sondern sie ist viel komplexer und technologisch aufwendiger geworden. Heute müssen Sie immense Labors zur Verfügung stellen, in denen die Leute effizient arbeiten können, und weltweit durch die Disziplinen zusammenarbeiten. Suche nach Austausch ist auch der Grund, warum viele Leute ins Ausland wollen - etwa werden 80 Prozent der biotechnologischen Forschung in den USA gemacht. Natürlich können wir uns nicht eins zu eins mit einem 320-Millionen-Einwohner-Land vergleichen, das einheitliche Forschungsvorhaben, steuerlich begünstigtes Forschungssponsoring und sehr viel Kapital hat. Aber wir haben viele gescheite, innovative, frei denkende Leute hier und sind gemessen an der Bevölkerung weltweit in fast allen Bereichen gut vertreten. Österreich muss sich im Klaren sein über den Status, den es haben könnte.

10.000 Forscher weltweit nahmen an einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts zur Arbeitsplatzwahl teil. Die USA schneiden am besten ab, gefolgt von europäischen Ländern mit forschungsstarken Unis wie Niederlande, Schweden, Großbritannien und Schweiz. Österreich, Deutschland und Frankreich liegen im Mittelfeld. Warum sind wir keine größere Meisterschmiede?

Wer anstrebt, so wie die Universität von Kalifornien in 15 Jahren fünf Nobelpreisträger hervorzubringen, muss im Grundlagenbereich finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen. Man kann nicht Wissenschaft nur betreiben, um die Produkte von Spin-offs zu vermarkten. Die Politik muss die Bedingungen an die Umstände der Wissenschaft anpassen, weil sie letztlich die Zukunft garantiert. Wenn Österreich nicht gewillt ist, ausreichend mehr Mittel bereitzustellen, werden wir hinten sein oder nie eine größere Rolle spielen als jetzt.

Zur Person
Der Herz- und Lungenchirurg Georg Wieselthaler ist Direktor des Heart Transplant and Mechanical Circulatory Support Program am Zentrum für Herz- und Gefäßerkrankungen der Universität von Kalifornien in San Francisco. Er ist ein führender Experte für mechanische Herzpumpen und Herztransplantationen. Zum Alpbach Talk des Forum Alpbach und der "Wiener Zeitung" besuchte der frühere Professor für Herz- und Thoraxchirurgie der Uniklinik Wien am Dienstagabend die österreichische Hauptstadt.