Zum Hauptinhalt springen

Zeigen wie und nicht sagen was

Von Alexandra Grass

Wissen

Die 52-Jährige drängt mit Fakten und Argumenten an die Öffentlichkeit.


Wien. "Ich glaube, Naturschutz schadet der Natur." Mit dieser These provozierte die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter vor einigen Jahren den Ökologen Georg Grabherr. Denn "wenn sich zu viele Forscher auf vier Prozent der Fläche konzentrieren, kann das nicht gut sein", argumentiert sie auch heute noch. Am Dienstag wurde sie zur "Wissenschafterin des Jahres 2013" gekürt.

Nicht nur ihre Arbeit, sondern auch die alljährlich vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten verliehene Auszeichnung verbindet die beiden Forscher. Im vergangenen Jahr hieß der Preisträger nämlich Grabherr.

Wirkung und Nebenwirkung

"Zu Wirkung und unerwünschten Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Umwelthistoriker", lautet ihr Appell sowohl an die politischen Entscheidungsträger als auch an die breite Öffentlichkeit. Sichtbar gemacht hat die Dekanin der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung an der Uni Klagenfurt diese Notwendigkeit unter anderem mit ihrer im vergangenen Jahr geschaffenen Rekonstruktion des Verlaufs der Donau seit Beginn der Neuzeit. Dabei konnte sie mit ihrem Team zeigen, dass jede Regulierungsmaßnahme, die je an diesem Fluss gemacht wurde, eben neben den erwünschten auch unerwünschte Nebenwirkungen gehabt hat. Als Beispiel nennt sie die fast tägliche Ausbringung eines Güterwaggons voll Schotter unterhalb des Kraftwerks Freudenau, damit sich das Flussbett nicht weiter eintieft.

Damit ist klar: "Die Umweltgeschichte handelt von der Gegenwart und Zukunft, indem sie die Vergangenheit über den Umgang des Menschen mit der Natur beschreibt."

Die Grundlage ihrer Arbeit bildet die Interdisziplinarität - die Schnittstelle zwischen Geistes-, Sozial-, Kultur- und Naturwissenschaft -, wie Winiwarter betont.

In ihrem rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse im März erscheinenden Buch "Die Geschichte unserer Umwelt" skizziert die Preisträgerin in 60 Stationen solche Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur, um die Bevölkerung zum Nachdenken anzuregen.

Mit ihrer Arbeit drängt sie immer wieder an die Öffentlichkeit. Sie möchte Argumente und Fakten zur Verfügung stellen, "mit denen man Entscheidungen anders fundieren kann". Denn Staat und Zivilgesellschaft müssten ihrer Ansicht nach miteinander arbeiten - die nötigen Informationen liefert die Forscherin.

Und genau das machte die Forscherin quasi preistauglich. Denn der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten ehrt jährlich das Bemühen von Wissenschaftern, ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen und damit das Image der österreichischen Forschung zu heben.

Als Mutter zweier erwachsener Kinder ist Winiwarter auch wichtig, dass "wir den Jungen mehr zutrauen". Es gelte, Nachwuchsförderungszeichen zu setzen. Und: "Das universitäre Studium als Bildungsprojekt ist unter die Räder geraten", kritisiert die Forscherin. "Zeigen wie und nicht sagen was", lautet ihr Motto.

Technikerin und Historikerin

Jahrelang war die 52-Jährige an der Technischen Universität tätig. Nebenbei studierte sie Geschichte und Publizistik. Nachdem sie 26 Jahre lang nur von Projektarbeiten gelebt hatte, ereilte sie im Jahr 2007 der Ruf ans Klagenfurter Institut - als österreichweit erste und bisher einzige Professorin für Umweltgeschichte.

"Jene Menschen, die das größte Potenzial haben, die Welt zu verändern, sind die Techniker und Naturwissenschafter", zeigt sich Winiwarter überzeugt. Ihnen müsse man einen Notfallkoffer mit Erklärungen anbieten, wie sie sich am besten der Gesellschaft nähern können.

"Gerade für die aktuellen Fragestellungen zu Ressourcenknappheit und Klimawandel liefert diese Geisteswissenschaft einen interdisziplinären Blickwinkel und neue Lösungsvorschläge." Mit diesen Worten strich der neue Wissenschafts- und Forschungsminister Reinhold Mitterlehner die verdienstvollen Leistungen der frischgebackenen Preisträgerin hervor.

Auch der ehemalige Ressortchef und nunmehrige Wissenschaftssprecher der ÖVP, Karlheinz Töchterle, gratulierte Verena Winiwarter: "Sie ist stets bestrebt, die umwelthistorische Betrachtungsweise ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken und damit Fragen aufzuwerfen, die unser aller Zukunft beeinflussen". Und: "Sie versteht es hervorragend, für ihr Gebiet zu begeistern."