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Der Weckruf Penninger

Von Alexandra Grass

Wissen

Wie ein Land versucht, einen Spitzenforscher zu halten.


Wien. Es scheint wie ein Weckruf für die heimische Forschungslandschaft, der dazu auffordert, darüber nachzudenken, unter welchen Bedingungen in Österreich Forschung stattfinden kann. Zum Hintergrund: Ein Berliner Institut - das Max-Delbrück-Centrum (MDC) für Molekulare Medizin - ist bemüht, den österreichischen Genetiker und Direktor des Instituts für Molekulare Biotechnologie (Imba) der Akademie der Wissenschaften, Josef Penninger, nach Deutschland abzuwerben. Als Deadline für das Angebot war Montag, der 4. Mai, kolportiert worden. Doch nach wie vor sei "alles im Fluss", hieß es aus dem Imba.

Nicht nur ÖAW-Präsident Anton Zeilinger, sondern auch die Politik will den Spitzenforscher unbedingt im Land halten und bietet dafür sogar einen finanziellen Polster an. So wurden dem Imba von Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner gemeinsam mit der Stadt Wien zusätzliche 20 Millionen Euro in den nächsten Jahren in Aussicht gestellt. Sogenannte "Abwehrverhandlungen" zwischen Zeilinger und Penninger würden laufen.

Stagnation

Das Jahresbudget des etwa 200 Mitarbeiter zählenden Instituts liegt derzeit bei rund 15 Millionen Euro. Das jährliche Basisbudget des mehr als 1500 Mitarbeiter zählenden MDC in Berlin liegt hingegen derzeit immerhin bei 80 Millionen Euro. Ein Budget von 90 Millionen Euro mit einer jährlichen Steigerung wurden dem Genetiker bei einem Wechsel nach Deutschland laut Medienberichten in Aussicht gestellt.

Penninger hatte zuletzt einmal mehr mangelnde Aufbruchstimmung und fehlende Unterstützung seitens der österreichischen Forschungslandschaft kritisiert. Er spricht von Stagnation - ein Vokabular, das sich auch in den Empfehlungen des Rats für Forschung und Technologieentwicklung wiederfindet. Penningers immer wiederkehrende Mahnungen dienen scheinbar auch übergeordneten Interessen und nicht nur den eigenen.

Damit legt er einen Fokus auf eine aufflammende Diskussion, die bisweilen zwar in Ratsempfehlungen zum Ausdruck kommt, aber an deren Umsetzung es sich auf politischer Ebene spießt.

Der Vorsitzende des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, Hannes Androsch, fühlt sich angesichts der jüngsten Causa in das Jahr 2009 zurückversetzt. Der vom damaligen Wissenschaftsminister Johannes Hahn - er hatte der Teilchenphysik in Österreich einen zu geringen Stellenwert attestiert - geplante Austritt aus der Europäischen Organisation für Kernforschung Cern hatte in der heimischen Forschungslandschaft immense Wellen geschlagen.

Mehr als 30.000 Unterstützer hatten damals in der Petition "Save our science" für den Verbleib Österreichs beim Cern gestimmt. Letztlich wurde der Ausstieg von der Bundesspitze abgeblasen. Die Diskussion hatte allerdings dazu beigetragen, das Bewusstsein für die Grundlagenforschung in Österreich zu stärken, war sich die Community einig.

Dieses Mal handelt es sich um einen einzigen Spitzenforscher, die Problematik ist aber offenbar die gleiche. Es geht um die Verteilung von Geldern. "Die Regierung muss sich klar werden, ob sie ihre eigene Strategie umsetzen will", betont Androsch gegenüber der "Wiener Zeitung". In den diesbezüglichen Programmen ist etwa von einer Steigerung der Forschungsquote bis 2020 auf 3,76 Prozent des BIPs sowie zusätzlicher 2500 Doktorats- und Postdoc-Stellen die Rede. Zwar soll die Quote laut Statistik Austria heuer erstmals über drei Prozent zu liegen kommen, dennoch leidet der für Grundlagenforschung entscheidende Wissenschaftsfonds FWF unter einer Finanzlücke. So kündigte der Fonds erst jüngst die Einstellung des Doktorratskolleg-Programms an.

80 Prozent abgewiesen

Der Abgang des Genetikers "wäre ein Schaden, aber es gibt nicht nur den Penninger", betont Androsch unter Verweis auf die Spitzenleistungen des Imba-Chefs. Immerhin musste der FWF im Jahr 2014 knapp 80 Prozent der Forschungsanträge aus Geldmangel ablehnen.

Im Vergleich zur Schweiz, zu Dänemark oder Schweden hat Österreich Aufholbedarf, dennoch findet auch hierzulande Weltklasseforschung statt, wie es nicht zuletzt in dem vorliegenden deutschen Angebot deutlich wird.

Zu Penningers Entdeckungen zählt die Isolierung des Gens für die Regulierung der inneren Uhr bei Mäusen. Breiten Raum nehmen auch seine Entdeckungen in den Bereichen Osteoporose und Brustkrebs ein. Für seine Leistungen wurde er 2014 mit dem Wittgenstein-Preis, dem mit 1,5 Millionen Euro höchst dotierten heimischen Forschungsförderungspreis, ausgezeichnet. 2002 hatte ihn die ÖAW für den Aufbau des Imba von Kanada nach Österreich zurückgeholt.