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"Weltraum bringt Innovation"

Von Teresa Reiter

Wissen

Simonetta di Pippo, Direktorin des UN-Weltraumbüros, über Nachhaltigkeit und Weltraumforschung.


Dass das Weltraumprogramm eines Landes ein nützliches Mittel zur Selbstbewerbung ist, weiß die Welt bereits seit dem sogenannten "Space Race" innerhalb dessen sich die USA und die UdSSR während des kalten Krieges im Bereich Raumfahrt zu übertrumpfen versuchten. Die Direktorin des Büros für Outer Space Affairs der Vereinten Nationen (Unoosa) betont jedoch, dass die Weltraumforschung auch für die nachhaltige Entwicklung der Welt eine große Rolle spielt.

"Wiener Zeitung":Speziell in Krisenzeiten scheinen Weltraumforschung und -technik etwas zu sein, das man auf später verschieben kann...

Simonetta di Pippo: Weltraumtechnologie bringt Innovation ins Alltagsleben. Wenn man sich die weltweiten Ausgaben für Weltraumforschung anschaut, dann kostet sie wahrscheinlich weniger, als wenn jeder Mensch auf der Erde sich einen Kaffee im Jahr mehr kaufen würde. Das ist gar nichts. Natürlich könnte man sagen, dass man mit diesem Geld andere Dinge machen könnte. Aber es stimmt auch, dass wir mit diesem kleinen Budget wirklich eine Menge zum Wohl der Menschheit beitragen. Denken Sie nur an Navigationssysteme und viele Dienste, die wir mit unseren Smartphones nutzen. Oft bedenken wir gar nicht, dass das von der Weltraumtechnologie abhängt.

Da sprechen Sie jetzt aber von Industrieländern?

Ja und nein. Ich wollte aufzeigen, dass nur wenige Menschen verstehen, dass wir auf diese Services nur zurückgreifen können, weil wir Satelliten haben. Entwicklungsländer haben einen andere Art auf dieselbe Situation zu sehen. Aber mit Kommunikationssatelliten können wir zum Beispiel auch Telemedizin unterstützen oder Epidemiologie. Wir unterstützen auch Entwicklungsländer dabei, zu lernen, wie man besser mit Katastrophen umgehen kann. Zum Beispiel gibt es Gegenden in der Welt, die stark von Überschwemmungen betroffen sind. Stellen Sie sich vor, da baut jemand Häuser an einem besonders ungünstigen Platz neben dem Fluss, die dann zerstört werden. Nach ein paar Jahren findet man wieder Häuser an diesem falschen Platz und dann kommt eine neue Flut und man hat dasselbe Problem. Mit Satellitendaten, helfen wir ihnen, Entscheidungen für nachhaltige Entwicklung und Stadtplanung zu treffen.

Sie arbeiten auch mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammen, um die Verbindung zwischen Weltraumtechnologie und globaler Gesundheit zu stärken. Wie geht das zusammen?

Die Kooperation mit der WHO dreht sich hauptsächlich darum, die Expertise, die wir in Experimenten, die mit globaler Gesundheit zu tun haben, gewinnen, auch auf der Erde zu nutzen. Im Juni wird es dazu einen weiteren gemeinsamen Workshop geben. Die WHO hilft uns auch dabei, den Spezialreport "Space and Global Health" fertigzustellen, der im Juni herauskommen soll. Aber wir kooperieren auch mit vielen anderen Organisationen. UN-Space ist eine Art Forum der Vereinten Nationen, wo jene UN-Organisationen welche von Weltraumanwedungen in ihrer täglichen Arbeit unterstützt werden, zusammenkommen, um auf ihre eigenen Weltraum-Aktivitäten aufmerksam zu machen und Kooperationen zu suchen.

Sie haben erwähnt, dass im Bereich Gesundheit mit Satelliten gearbeitet werden kann, um zum Beispiel die Entwicklung von Epidemien zu verfolgen. Hätte das bei der Ebola-Krise geholfen?

Satellitenbilder können zum Beispiel dabei helfen, die Logistik von Epidemiebekämpfung zu verstehen. Manchmal hat man irgendwo eine Gruppe Häuser in der Wüste und die Regierung weiß nicht einmal, dass sie dort Leute hat. Das haben wir zum Beispiel auch bei der Ebola-Krise eingesetzt, aber es war nur ein kleiner Beitrag im Vergleich dazu, was wir hätten leisten können, wenn der Einsatz geplant gewesen wäre. Außerdem ist es nicht nur eine Frage des Bereitseins, sondern man muss sich auch damit beschäftigen, den Menschen im Feld beizubringen, wie man diese Technologie verwendet.

Für wie wichtig halten Sie es, einen rechtlichen Rahmen oder einen Verhaltenskodex für die transparente und friedliche Nutzung des Weltraums zu schaffen?

Für ziemlich wichtig. Auf dem Level von Copus (Komitee für die friedliche Nutzung des Weltraums, Anm.) haben die Delegationen angefangen über Transparenz und vertrauensbildende Maßnahmen für die friedliche Nutzung des Weltraums zu diskutieren. In gewisser Weise haben sie das schon vorher mit unserer Unterstützung getan. Es wird auch diskutiert, wie die Weltraumaktivitäten mit dem Schutz der Bevölkerung und der Umwelt auf der Erde zu tun haben. Dabei geht es auch um Klimawandel und Weltraumwetter, also mit Bereichen, mit denen wir uns schon lange beschäftigen.

Verursachen die Probleme, die die internationale Gemeinschaft auf der Erde mit Russland hat, auch Probleme im Weltall?

Innerhalb des Copus wird alles per Konsens entschieden. Am Anfang gibt es natürlich oft eine Menge unterschiedliche Positionen. Russland ist innerhalb des Copus sehr aktiv, gemeinsam mit anderen natürlich. Es gibt Beispiele, bei denen Russland sehr gut mit anderen zusammenarbeitet. Eines davon ist die Internationale Raumstation. Anfang des Jahres gab es einen Vorfall dort, ein technisches Problem im nicht-russischen Teil. Also haben die Astronauten im Sinne guter Zusammenarbeit diese Tage im russischen Teil der Station verbracht, bis das Problem behoben war. Im Moment sehe ich also in diesem Zusammenhang kein Problem mit Russland.

Ist gleichberechtigter Zugang zu Weltraumtechnologie für alle Länder möglich? Es gibt ja Länder, die eigentlich nicht die Kapazitäten haben teilzunehmen, aber das trotzdem wollen.

Wir unterstützen Entwicklungsländer, die diesbezügliche Anfragen stellen, etwa mit Experten und Ausbildungsprogrammen. Auf der anderen Seite glaube ich, dass es sehr wichtig ist, Entwicklungsländer und Industrieländer dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten, damit Wissen weitergegeben werden kann. Im Moment haben wir 11 Staaten, die in der Lage sind, etwas ins All zu schießen, und insgesamt 64 Staaten, welche Satelliten in der Erdumlaufbahn haben. Wenn man diese Zahl aber mit der Anzahl der UN-Mitgliedsstaaten vergleicht, sind wir weit davon entfernt zufrieden zu sein. Space ist Innovation. Neue Ideen und neue Technologien unterstützen die nachhaltige Entwicklung von aufstrebenden Märkten.

Wie würden Sie das Thema Weltraumforschung gerne in den Zielsetzungen der UN vertreten sehen?

Wir tragen einiges zur Vorbereitung der offiziellen Dokumente der Sustainable Development Goals bei, sind also Teil dieser Post-2015-Entwicklungsagenda. Dieses Mal habe ich versucht, nicht nur das Argument zu bringen, dass Weltraum wichtig für diese Entwicklungsziele ist, sondern versuchte zu zeigen, wie Weltraumforschung in der Vergangenheit geholfen hat, das Leben der Menschen zu verbessern und auch wie sie es in Zukunft tun kann. Das ist eine schwierige Übung, muss ich Ihnen sagen. Auf diese Weise können wir vielleicht mehr erreichen.

Zur Person
Simonetta di Pippo ist seit März 2014 Direktorin des UN-Büros für Outer Space Affairs (Unoosa) in Wien. Die Italienerin machte ihren Doktor in Astro- und Weltraumphysik und hatte lange Zeit verschiedene Rollen bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) inne.