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Lizenzentzug für Länder, die freundlich zu Immigranten sind

Von Heiner Boberski

Wissen

Deutscher Bioinformatiker verkündet: "Wer auch immer Immigranten nach Europa oder Deutschland einlädt oder willkommen heißt, ist mein Feind."


Wien. Dass ein Land moderne Technologien anderen Ländern vorenthält, die zum Beispiel die Menschenrechte missachten oder als potenzielle Aggressoren auftreten, kommt vor und findet Verständnis. Ein deutscher Wissenschafter macht derzeit aber durch ein eher umgekehrtes Vorgehen von sich reden: Der Bioinformatiker Gangolf Jobb entzieht mit Wirkung vom 1. Oktober 2015 acht Ländern die Lizenz, die von ihm entwickelte Software "Treefinder" zu verwenden.

Jobbs Bannstrahl richtet sich explizit gegen "die Länder, die die meisten der nicht-europäischen Immigranten aufnehmen", also Deutschland, Österreich, Frankreich, die Niederlande, Belgien, Großbritannien, Schweden und Dänemark. Die USA hat Jobb bereits am 1. Februar 2015 von der Nutzung von "Treefinder" ausgeschlossen. Damit wende er sich nicht gegen seine Kollegen in den USA, betonte er damals, sondern "gegen eine kleine reiche Elite, die die Macht des Landes zur Beherrschung der Welt missbraucht". "Die USA sind unser ärgster Feind", schrieb Jobb, es seien "böse alte Männer", die die Welt regierten. Sein Handeln stehe, wie Jobb auf seiner Website "www.treefinder.de" in englischer Sprache ausführt, in Einklang mit den Lizenzregeln für das Tool, das sein Eigentum sei.

Co-Autor distanziert sich

Die Gratis-Software "Treefinder" erleichterte in den letzten Jahren vielen Genetikern und Biologen ihre Forschung. Sie ist in weit über 700 Studien zitiert worden und hilft mittels Baumdiagrammen die wahrscheinlichsten evolutionären Ursprünge von Lebewesen sichtbar zu machen. Als Jobb "Treefinder" im Jahr 2004 entwickelte, arbeitete er an der Universität München, davor war er am Max Planck Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig tätig. Später brach er sein PhD-Studium ab, was er derzeit beruflich macht, ist unklar. Auf seiner Website schreibt Jobb, er könne nicht als Wissenschafter arbeiten, "da meine traditionellen Anschauungen und Werte in Konflikt mit der Doktrin der Elite stehen". Dort klagt Jobb auch: "Ich bin noch nicht für mein Werk belohnt worden."

Korbinian Strimmer vom Imperial College in London, neben dem jetzt an der Universität Wien tätigen Bioinformatiker Arndt von Haeseler einer der Co-Autoren von Jobbs "Treefinder"-Studie von 2004, hat Jobb seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Jobb habe in den vergangenen Jahren "groteske E-Mails mit rassistischen Sprüchen" an Professoren in Deutschland geschickt. Strimmer distanziert sich deutlich von Jobb und findet dessen neue Hetzrede gegen Flüchtlinge "unglaublich".

Im Internet findet Jobbs Vorgehen auch Beifall, aber vor allem aus der Fachwelt heftige Ablehnung. Jobb sei eine Schande für Deutschland, für die wissenschaftliche Community im Allgemeinen und jene der Evolutionsbiologen im Besonderen. Zu seiner Software, zu der in den letzten Jahren kaum noch Updates erfolgt seien, gebe es gute Alternativen, die sich auf den analytischen Softwareunterbau Consel stützen. Die Forscherin Sandra Baldauf von der Universität Uppsala ließ jedenfalls verlauten: "Ich werde Treefinder jetzt schon aus Prinzip nicht mehr benutzen, selbst wenn wir wieder auf Zettel und Stift zurückgreifen müssten."

Sorge um "genetisches Erbe"

Die Empörung über Gangolf Jobb wird allgemein verständlich, wenn man die Begründung seines Vorgehens im Wortlaut liest:

"Ich bin nicht länger gewillt, das politische System in Europa und Deutschland zu unterstützen, von dem das Wissenschaftssystem ein Teil ist. Es gibt keine echte Demokratie, und ich stimme mit fast allen politischen Vorgangsweisen nicht überein, vor allem nicht mit der Immigrationspolitik. Immigration in mein Land verletzt mich, sie verletzt meine Familie, sie verletzt mein Volk. Wer auch immer Immigranten nach Europa oder Deutschland einlädt oder willkommen heißt, ist mein Feind. Immigration ist im Interesse der großen Unternehmen, nicht der Völker. Ich bin nicht dagegen, Flüchtlingen zu helfen, aber man müsste sie strikt getrennt von uns Europäern halten, nur für eine begrenzte Zeit, bis sie heimkehren, und sie nicht hier als billige Arbeitskräfte und zusätzliche Konsumenten integrieren. Immigration verzögert unnötig den Kollaps des Kapitalismus, seine finale Krise. Je früher das System zusammenbricht, umso mehr Schaden kann vermieden werden. Möglicherweise ein Bürgerkrieg in Europa. Gar nicht zu reden von einem Verlust unseres europäischen genetischen und kulturellen Erbes."