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Profitgier ist der Feind der Innovation

Von Eva Stanzl

Wissen

20 Jahre Christian Doppler Gesellschaft: Präsident Reinhart Kögerler zur unternehmerischen Forschung in Österreich.


Wien. Es klingt ein bisschen wie ein Inserat: "Der typische Leiter eines Christian Doppler Labors ist jung, in einer akademischen Institution tätig und hoch ausgewiesen. Er ist der Meinung, dass seine Forschung für das Unternehmen, mit dem er zusammenarbeiten will, interessant ist, und pflegt mit ihm Kontakt. Die Firma ist bereit, die Hälfte des Forschungsbudgets zu tragen, um neue Produkte zu entwickeln", erklärt Reinhart Kögerler, Präsident der Christian Doppler Gesellschaft (CDG), das Anforderungsprofil für seine Förderungen. Er räumt auch ein: "Ebenso so oft treten Unternehmen an Wissenschafter heran." Wie etwa die Voestalpine, als sie hochqualitativen, rostfreien Stahl herstellen wollte. Die Lösung boten heimische Forscher mit einer Legierung, die einschlussfrei gepresst werden kann. Der Rost hat somit keine Angriffsfläche.

Die CDG, hervorgegangen aus einem Konzerninstrument der Österreichischen Industrieholding AG, ist diese Woche 20 Jahre alt geworden. Seit 1995 steht sie allen Unternehmen offen, die in Zusammenarbeit mit Universitäten oder außeruniversitären Forschungsinstituten konkrete Fragestellungen der Wirtschaft bearbeiten. Zunächst gab es nur 14 Labors und "die Zahl der forschenden Unternehmen in Österreich konnte man an zwei Händen abzählen", sagt Kögerler zur "Wiener Zeitung".

Heute befassen sich 164 CD-Labors mit "anwendungsorientierter Grundlagenforschung", wie es in den Programm-Vorgaben heißt. Seit 2012 sind sieben Josef Ressel (JR)-Zentren an Fachhochschulen dazugekommen. Die Labors decken eine breite Themenpalette ab - von Material- und Werkstoffforschung über Lebenswissenschaften bis hin zu Mathematik, Informatik, Elektronik und Wirtschafts-, Sozial- und Rechtswissenschaften. Die Arbeit in den Einrichtungen hat bisher zu 420 Patenten und 6000 wissenschaftlichen Publikationen geführt.

In die an den Hochschulen oder außeruniversitären Forschungsinstituten angesiedelten Labors flossen bisher rund 300 Millionen Euro, hieß es anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums. Davon kamen 100 Millionen vom Wirtschaftsministerium und 50 Millionen von der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung. 150 Millionen Euro wurden von den beteiligten Unternehmen investiert.

150 Industriepartner

In der Regel forschen an den Unis drei bis 15 Mitarbeiter, die sich großteils den Fragestellungen ihrer derzeit rund 150 Industriepartner widmen. Etwa ein Drittel der Ressourcen können die Wissenschafter jedoch einsetzen, um Fragen zu bearbeiten, die unabhängig vom unmittelbaren Interesse der Partner sind. Die maximale Laufzeit der CD-Labors ist sieben Jahre, bei Jahresbudgets zwischen 110.000 bis 700.000 Euro. Ressel-Zentren können bei jährlichen Etats von 80.000 bis 400.000 Euro bis zu fünf Jahre bestehen.

In den Debatten zur heimischen Forschungslandschaft wird immer wieder kritisiert, dass Österreich Lücken hat auf dem Weg von der Grundlagenforschung zur Innovation, die auf den Markt kommt. Zu wenige Forschungsergebnisse erreichen als neues Produkt den Markt. Als Resultat fällt die Innovationskraft zurück, während das offizielle Ziel, zu den führenden Forschungsnationen Europas aufzusteigen, unter dem Schlagwort "Innovation Leader" zum Mantra zu verkommen droht.

Für Kögerler ist die österreichische Förderlandschaft "keineswegs zu Ende gedacht". Wenn Österreich langfristig im globalen Wettbewerb reüssieren wolle, müsste es "dezidiert mehr Grundlagenforschung betreiben, wir haben ein großes Defizit: Im Vergleich zu Deutschland sind hierzulande die wesentlichen Säulen der Grundlagenforschung, wie der Wissenschaftsfonds FWF, weit unterfinanziert", so Kögerler. Anders sei es bei der anwendungsorientierten Forschung, in die kräftiger investiert wurde. "Die angewandte Forschung ist sowohl finanziell als auch in Art und Zahl der Förderinstrumente nicht schlecht aufgestellt, da liegen wir auf europäischer Ebene durchaus vorne."

Da derzeit nicht mit einer Steigerung der öffentlichen Mittel zu rechnen ist, wird auf steigende Investitionen von Seiten Wirtschaft gehofft. "Die Unternehmen tun das auch. Dank Instrumentarien wie den Comet-Zentren und CD-Labors haben wir rund 50 echte Technologieführer, etwa in den Bereichen Stahl, Motoren, Antriebe, Pharma oder Chip-Technologie", erklärt der DCG-Chef: "Die Unternehmen haben sich geöffnet und erkannt, dass im globalen Wettbewerb kleine Veränderungen zu wenig sind und dass sie neues Grundlagenwissen gewinnen müssen." Dennoch sei der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg sehr schmal, die Höhe der Forschungsinvestitionen in Firmen daher abhängig von der Konjunktur. "Viele Firmen schauen in erster Linie auf die Kosten, weil ihre Abnehmer extreme Preisdrücker sind", so Kögerler. Kurzfristiges Gewinndenken ist der Feind der Innovation.

Traurige Realität

28 Prozent der Firmen, die CD-Labors unterhalten, sind Klein- und Mittelbetriebe. "Viele kleine und mittelständische Unternehmen haben den finanziellen Atem nicht, um Grundlagenforschung zu betreiben", hebt er hervor. Dass eine Fördersumme von 100.000 Euro jährlich diesen Unternehmen vielleicht etwas zu wenig unter die Arme greift, findet er nicht, zumal CD-Labors die Infrastruktur der Unis zur Verfügung steht und der Laborleiter dort angestellt ist.

Der traurigen Realität, dass heimische Unis ihr intellektuelles Eigentum zu selten verwerten, begegnet Kögerler mit Vorsicht. "Wir würden uns über mehr Ausgründungen freuen. Aber ich bin nicht der Meinung, dass Unis Forschungsthemen suchen sollen, mit denen sie Geld verdienen können. Ich glaube auch nicht, dass die Unis die richtigen Spieler für Patentverwertungsagenturen sind. Patente kosten prima vista Geld." Die wissenschaftlichen Ergebnisse eines CD-Labors gehören der Universität, das Unternehmen hat aber ein Vorkaufsrecht. Dem Unternehmen gehören die Rechte für die Anwendung. "Wer investiert, der will auch wissen, dass er nachher etwas davon hat", begründet Kögerler die Regel. Und der Erfinder? Er bekommt eine Erfindungsabgeltung - und die Chance, zu forschen.