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Krebs bei Kindern wird greifbar

Von Alexandra Grass

Wissen

Die St. Anna Kinderkrebsforschung gilt europaweit als wegweisend.


Wien. Krebs bei Kindern - ein Thema, von dem so mancher aus emotionalen Gründen lieber Abstand hält. Doch angesichts der Tatsache, dass alleine in Österreich pro Jahr rund 250 Kinder und Jugendliche an Krebs erkranken, gilt es, die Aufmerksamkeit gerade dorthin zu lenken. Weltweit konzentrieren sich Forscher genau darauf, diesen Kindern zu helfen - so auch im Wiener Children’s Cancer Research Institute (CCRI) des St. Anna Kinderspitals, einem der europaweit führenden Kinderkrebs-Forschungsinstitute.

Etwa 80 Prozent der Erkrankten können heute schon geheilt werden. Dennoch bedeutet das, "dass wir einem großen Teil der Kinder nicht helfen können", betonte Institutsleiter Wolfgang Holter am Donnerstag im Rahmen einer Führung durch die Forschungslabors.

Unterschied zum Erwachsenen

Wodurch entsteht Krebs bei Kindern eigentlich und worin unterscheidet sich dieser von jenem der Erwachsenen? Während Erwachsene ihre Krebserkrankung häufig im Laufe der Jahre beeinflusst durch den Lebensstil oder schlechte Umweltbedingungen entwickeln, sei es bei Kindern vorwiegend "eine Krankheit, bei der bei der Entwicklung der Gewebe- oder Blutzellen etwas schiefläuft", erklärt Holter. So zeigen sich im Kleinkindalter vorwiegend Leukämien, im Jugendalter eher Knochentumore. Viele der kindlichen Erkrankungen sprechen gut auf klassische Therapien an.

Besonders großes Augenmerk legen die Forscher auf jene 20 Prozent, bei denen die Therapien nicht den gewünschten Erfolg bringen. Mit der bereits seit zehn Jahren im Einsatz befindlichen Methode des Next Generation Sequencing (NGS) erhalten die Wissenschafter Einblick in das gesamte Erbgut des Organismus und können die gesamte Variabilität von Tumorzellen darstellen. Damit sollen die Ursachen der Krankheitsentstehung sowie von Rückfällen und Therapieresistenzen sichtbar gemacht werden.

Mit den Informationen aus dem NGS können maßgeschneiderte Therapien entwickelt werden. Die Präzisionsmedizin kommt damit auch immer mehr den Kindern zugute. Dabei geht es um die Anpassung und Ausrichtung der Therapie auf spezielle Besonderheiten und Schwachstellen der Krankheit. Dadurch sollen aber auch Neben- und Spätwirkungen reduziert oder sogar vermieden werden. Konkret sollen die Erkenntnisse der NGS in den nächsten drei Jahren bei 50 ausgewählten Patienten in Studien zur Anwendung kommen.

Obwohl die Krebsmedizin in den letzten Jahrzehnten schon weit gediehen ist, tun sich durch die Spezifizierung und die Weiterentwicklung der Untersuchungsmethoden immer wieder neue Felder auf. "Es ist noch sehr viel Pionierarbeit zu leisten", stellte Heinrich Kovar, der wissenschaftliche Leiter des CCRI, fest. Das Institut betreibt immunologische, molekularbiologische und klinische Forschung. Ein großer Teil davon findet heute in sogenannten Drylabs - also am Computer - statt. Die Wissenschafter am CCRI bedienen sich auch eines ganz besonderen Modellorganismus der Genetik - dem Zebrafisch. Seine Vorteile liegen etwa darin, dass die Larven bis zu einem bestimmten Stadium durchsichtig sind und sich die entwicklungsbiologischen Erkenntnisse auf den Menschen übertragen lassen. Im CCRI werden in die Embryonen menschliche Onkogene eingebracht, die bei Kindern Krebs verursachen. Bei den durchsichtigen Larven lassen sich unter dem Mikroskop in nur wenigen Tagen Fortschritte der Erkrankung, aber auch die Wirkung von Medikamenten beobachten.

Um die Arbeit der Kinderkrebsforscher weiter voranzutreiben, bringt sich neben vielen Privat- und Unternehmensspenden auch die Kapsch Group seit dem Jahr 2012 finanziell ein. Am Donnerstag wurde die Partnerschaft mit einem Beitrag in Höhe von 300.000 Euro für weitere drei Jahre verlängert. Dieses Geld soll in die Präzisionsmedizin fließen, gab Firmenchef Kari Kapsch bekannt.