Wer die Erde umkreist, lässt die Lufthülle unter sich und zieht damit eine Schutzweste aus. Die Strahlung innerhalb der Internationalen Raumstation (ISS) ist mindestens 200 mal intensiver als jene in Wien. Raumfahrer sehen manchmal Lichtblitze: Wahrscheinlich schießen energiereichere Teilchen dann durch ihre Augen. Grauer Star tritt in dieser Berufsgruppe gehäuft auf.
Ein Astronaut im niedrigen Erdorbit bewegt sich wenigstens noch innerhalb des Erdmagnetfelds. Auf dem Weg zum Mond muss er jedoch auch diese zweite Schutzweste ablegen: Trotz ihrer vergleichsweise kurzen Missionen starben mehr als 40 Prozent der Apollo-Mondreisenden später an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie waren wesentlich häufiger davon betroffen als ihre Berufskollegen im Erdorbit.
Menschen und Mäuse
Wer länger auf dem Mond verweilen oder sogar den Mars ansteuern möchte, braucht eine künstliche Schutzweste. Immerhin ist die Strahlung während eines Marsflugs 800 mal stärker als gleichzeitig in Wien-Breitenlee. Hinzu kommen noch solare Protonen: Nach Sonneneruptionen treffen sie das Raumschiff zuhauf. Es muss abgeschirmt werden.
Aluminium hält den Marsfliegern etwa ein Drittel der kosmischen Strahlung vom Leib. Schwerere Materialien erhöhen das Startgewicht allzu sehr. Außerdem entstehen darin - ähnlich wie in der Erdatmosphäre - Sekundärpartikel: Im schlimmsten Fall treibt man den Teufel mit dem Beelzebub aus.
Eine praktischere Lösung wären Wasserbehälter, die man rund um die Kabine anordnet. Das entnommene Trinkwasser muss recycelt und in die Tanks zurückgefüllt werden. Leichte, wasserstoffreiche Verbindungen sind überhaupt interessant: etwa Polyethylen (bekannt vom Plastiksackerl). Für die Raumfahrt ist es aber wohl nicht stark genug. Die NASA experimentiert mit verschiedenen Materialien, die teils aus der Nanotechnologie stammen. In jedem Fall aber gilt: Die Gefahr wird bloß verringert, nicht abgestellt. Und die hochenergetischen Partikel durchschlagen sowieso jede Wand.
Um die Strahlungsbedingungen im All zu simulieren, setzt man Mäuse den schweren Ionen eines Teilchenbeschleunigers aus. Aus technischen Gründen bleibt der Beschuss kurz. Verabreicht man die Gesamtdosis eines Marsflugs in äußerst knapper Zeit, verschlimmert das allerdings die Folgen der Bestrahlung.
Dazu zählt eine bleibende Verdickung der Arterienwand: Diese Atherosklerose hemmt die Sauerstoffversorgung. Bei Menschen kann sie zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. Außerdem verloren die Mäuse nachhaltig ihre Fähigkeit, Aufgaben zu lösen. Sie büßten ihre Neugierde ein, wirkten inaktiv oder verwirrt. Jene Nervenzellen, die für die Erregungsleitung und -übertragung sorgen, wurden teilweise ruiniert.
Wie wirkt Strahlung?
Bei der Zellteilung spalten sich die Doppelstränge der DNA der Länge nach auf. Werden ihre Moleküle durch ionisierende Strahlung zerstört, ist die Erbinforma-tion korrumpiert. Ohne rasche Reparatur vergessen die betroffenen Zellen ihre eigentliche Aufgabe. Sie mutieren. Selbst deren Nachbarzellen können in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine mögliche Konsequenz: Krebs.