Zum Hauptinhalt springen

Taten wirken mächtiger als Bekenntnisse

Von Eva Stanzl

Wissen
"Andere Länder überholen Österreich, internationale Forscher kommen nicht mehr": FWF-Präsident Tockner und kaufmännische Vizepräsidentin Vakianis.
© S. Jenis

Anders als das Uni-Budget hebt der Bund die Mittel für den Wissenschaftsfonds FWF nicht so wie geplant an. Dadurch gibt es weniger Spitzenforschung, was dem Standort schadet, warnen Klement Tockner und Artemis Vakianis vom FWF.


"Wiener Zeitung": Im Zuge der 2016 angekündigten "Forschungsmilliarde" hatte Ihnen die Bundesregierung eine Budget-Erhöhung von 281 Millionen Euro im Zeitraum 2018 bis 2021 angekündigt. Als Österreichs größte Agentur zur Förderung von exzellenter Grundlagenforschung hätten Sie mit dem Geld viel bewirken können. Jetzt bekommen Sie nur 110 Millionen Euro dazu, wodurch das Jahresbudget 2021 bei 224 statt 290 Millionen Euro liegen wird. Wie gehen Sie damit um?

Klement Tockner: Mit den zusätzlichen 110 Millionen Euro kann lediglich der Stillstand der vergangenen acht Jahre korrigiert werden. Trotzdem ist es ein positives Signal und angesichts der Vorgabe, das Budget zu kürzen, lagen große Anstrengungen dahinter. Aber der große Schritt muss erst gesetzt werden, wenn die Regierung ihre ambitionierten Ziele umsetzen will: mehr qualitätsgetriebener Wettbewerb, mehr direkte Forschungsförderung und mehr Grundlagenforschung. Genau darauf setzten führende Innovationsländer - bei uns hingegen nehmen die Bundesmittel, die im Wettbewerb für exzellente Grundlagenforschung vergeben werden, faktisch ab.

Sie bekommen rund 40 Prozent der anvisierten Summe. Ein Schock?

Tockner: Ich habe das fast befürchtet, wegen der Vorgabe, dass die Ministerien fünf Prozent einsparen müssen und die Unis verbindlich mit zusätzlich 1,35 Milliarden Euro ausgestattet werden sollten. Es gibt Konsens von allen Parteien und Institutionen, dass der qualitätsbetriebene Wettbewerb gestärkt werden muss. Trotzdem ist man nicht in der Lage, dies umzusetzen. Schon vor zehn Jahren hieß es, man müsse die Grundlagenforschung stärken, brauche mehr Wettbewerb und wolle international führend sein.

Es ist also nichts weitergegangen?

Tockner: Es ist nicht so weitergegangen, wie es hätte sollen. Die Leidtragenden sind in erster Linie motivierte, qualifizierte, kreative Nachwuchsforscher. Hierzulande gibt es einen fruchtbaren Boden an Ideen, man müsste ihn nur mit FWF-Mitteln "gießen". Derzeit können wir aber nur etwa 20 Prozent der Anträge finanzieren, obwohl weit mehr exzellent wären - de facto ist das ein Rückgang, nicht nur ein Stillstand. Man weiß, was man machen muss, alle Rezepte liegen auf dem Tisch - aber warum wird nicht "gekocht"?

Vakianis: Die Ankündigungen erzeugten ein Aufbruchsignal. Das sehen wir an der Antragssumme für Einzelprojekte, die um 30 Prozent angestiegen sind. Der Bedarf und das Potenzial sind wesentlich höher als das zur Verfügung stehende Geld und die Gefahr ist, dass wir den Anschluss an andere forschungsstarke Länder verlieren, was die Attraktivität des Standorts betrifft.

Tockner: Unsere Nachbarn Tschechien und Slowakei beginnen bereits, uns zu überholen. So hat etwa die Slowakei gerade ein Exzellenzprogramm aufgelegt.

Sehen Sie den FWF und die kompetitive Grundlagenforschung als Verlierer des Budgets?

Tockner: Nicht unbedingt als Verlierer, aber man tut sich hierzulande definitiv etwas schwer mit qualitätsgetriebenem Wettbewerb und Exzellenz. In Österreich schwingt beim Begriff der Spitzenforschung immer die Angst vor dem Auf-der-Strecke-Bleiben mit. Man möchte aber eine zufriedene Gesellschaft, und die Vorstellung von Zufriedenheit meint eben oft auch Mittelmäßigkeit.

Vakianis: Wir sind ein Qualitätstreiber im System, weil wir Gelder an Universitäten (für wissenschaftliches Personal in Forschungsprojekten, Anm.) vergeben und Mitnahmeeffekte ins System bringen. Um diesen langfristig wirkenden Hebel zu begreifen, muss man das System mitdenken.

Der FWF feiert heuer sein 50-jähriges Bestehen mit einem Festival - ein sichtbares Signal?

Vakianis: Mit dem "Be Open"-Festival wollen wir gemeinsam mit Wissenschafterinnen und Wissenschaftern ein Ausrufezeichen für Spitzenforschung setzen. Es ist unsere Einladung an Jung und Alt, eine Reise in die faszinierende Welt der Grundlagenforschung zu unternehmen. Gleichzeitig öffnen wir einen Raum für Diskussion und Austausch.

Tockner: Österreich und wir als FWF dürfen auf das Erreichte stolz sein. Und es benötigt weiterhin große Anstrengungen, um den Wert unserer Tätigkeit noch deutlicher zu kommunizieren. Denn eigentlich steht der FWF für das, wofür Wissenschaft an sich steht: Qualität, Durchhaltevermögen und Mut. So wie wir eine erfolgreiche Ski-Nation sind, wollen wir auch ein herausragendes Wissenschaftsland sein.

De facto fehlt der Mut - welche inhaltlichen Maßnahmen setzen Sie?

Tockner: Die Zukunftsprofessuren bleiben einstweilen in der Schublade. Zur Überbrückung bis zum Budget 2020 steuern wir mit Mitteln der Nationalstiftung gegen. Derzeit liegt uns eine Antragssumme von knapp einer Milliarde Euro pro Jahr vor. Einen Großteil müssen wir ablehnen, darunter zuletzt 150 förderungswürdige Doktorandenstellen. Über die höhere Uni-Finanzierung, die dringend nötig war, kommen jetzt 500 neue Professuren dazu. Sie werden ebenfalls Anträge stellen. Für internationale Top-Forscher zählen Reputation und Finanzierung. Fehlt das, kommen sie nicht.

Es gibt viele Parallelen und Brücken zwischen Top-Wirtschaftsfirmen und Top-Wissenschaftsinstitutionen. Da FWF-geförderte Projekte morgen von wirtschaftlicher Bedeutung sein können, müssen wir mehr den Transfer fördern, ohne Abstriche bei der Freiheit und der Qualität der Forschung zu machen. Das heißt: Keine thematischen Vorgaben, denn bedeutende Durchbrüche beruhen auf Ideen und Ideen kann man nicht anordnen.

Welche Form der Partnerschaft mit der Wirtschaft schwebt Ihnen vor?

Vakianis: Das Festival gibt uns die Möglichkeit, neue Kooperationsformen insbesondere auch mit der Wirtschaft anzudenken und auszuprobieren, denn Spitzenforschung bildet kreative Leute aus und ermöglicht Durchbrüche, die den Nährboden für Innovation in Österreich sicherstellt.