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Iron Man und der Transhumanismus

Von Monika Jonasch

Wissen

Und was ist Posthumanismus? Das ist, wenn der Mensch, so wie er jetzt ist, überwunden wird. Das so entstandene Wesen ist dann kein Mensch mehr.


Transhumanismus und Posthumanismus – klingt sperrig, ist aber hochspannend, und es hat mit Robotern zu tun. Und Science Fiction. Und Philosophie. Und über all das kann man mit Janina Loh, Assistentin am Institut für Philosophie in Wien, wunderbar diskutieren.

Allerdings, zugegeben, wer in launiger Runde mit Themen, die auf -humanismus enden, beginnt, erntet mit hoher Wahrscheinlichkeit verstörte bis glasig-desinteressierte Blicke. Also beginnen wir anders: mit Iron Man – einem transhumanistischen Comic-Helden, oder?

Als Janina Loh mit der Frage konfrontiert wird, ob denn dann Iron Man eine transhumanistische Idee sei, lacht sie laut und wiegt zustimmend ihren Kopf. Denn so weit weg vom Kern dieser philosophischen Richtung sind wir damit gar nicht.

Tatsächlich beschäftigt sich der Transhumanismus mit der Idee vom verbesserten Menschen. Diese Verbesserung, auch als "Human Enhancement" bezeichnet, kann durch technische Hilfsmittel passieren. "Aber auch Kosmetik, Sport oder pränatale Diagnostik können solche Verbesserungen ermöglichen. Und das gehört mittlerweile zu unserem Alltag", versucht Loh den Ausflug ins Comic-Universum wieder zu relativieren. "Nicht jedes Human Enhancement bedeutet automatisch, dass man es mit Transhumanismus zu tun hat." – Also ist es doch nicht ganz so einfach.

Der Humanismus, dunkel erinnert man sich womöglich noch aus der Schulzeit, ist eine philosophische Richtung, die sich damit beschäftigt, dass der Mensch mittels Erziehung oder Bildung zu einem besseren Menschen wird. Der Transhumanismus entwickelt diese Idee weiter und spielt mit Szenarien, in denen der Mensch durch Verbesserungen zum "Supermenschen" wird.

Wohlgemerkt, man denkt dabei an dieses neue, verbesserte Wesen immer noch als an einen Menschen. Aber: "Der Mensch wird durch diese Enhancements zum Supermenschen, die menschliche Lebenszeit könnte bis zur Unsterblichkeit verlängert werden", skizziert die Philosophin die am weitesten reichenden Visionen. Transhumanismus, führt sie weiter aus, wolle den Menschen weiterentwickeln, optimieren, modifizieren.

Und was ist Posthumanismus? Das ist, wenn der Mensch, so wie er jetzt ist, überwunden wird. Das so entstandene Wesen ist dann kein Mensch mehr.
– Sondern? Womöglich ein Hulk? – Wieder ein Lachanfall der Philosophin. Nein, meint Janina Loh, das führe ihr dann doch zu weit. Tatsächlich wisse man es nicht, denn: "Wir können uns das eben nicht vorstellen. Keine unserer Utopien trifft hier zu. Wir können es uns so wenig vorstellen, wie ein Affe sich vorstellen kann, was ein Mensch ist – dieser Vergleich stammt übrigens vom Transhuamnisten Nick Bostrom und gilt auch für den Transhumanismus. Denn auch dessen Vertreter, glauben nicht, dass man sich das Ende der Entwicklungen des Menschen heute schon genau vorstellen kann. Für den Technologischen Posthumanismus hingegen ist klar, dass die Zukunft ein superintelligenter Computer sein wird. Eine künstliche Superintelligenz soll demnach der nächste Schritt der Evolution sein."

Also eher Matrix, nicht Hulk? – Sie stimmt, allerdings unter Vorbehalten, zu. "Posthumanismus überwindet tradierte Konzepte und die dazu gehörigen Gegensätze: Mann-Frau, Subjekt-Objekt, Natur-Kultur. Unser gesamtes Weltbild vom Menschen als Mittelpunkt und Krone der Schöpfung, der sogenannte Anthropozentrismus, endet dort." Entscheidend ist, dass der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt stehe. "Insbesondere der Technologische Posthumanismus ist nicht mehr am Menschen interessiert! Technologische Posthumanisten sind Technik-Optimisten. Sie unterliegen dem Enthusiasmus ihrer Materie. Ihnen geht es prinzipiell nur um die Machbarkeit."

Der Kritische Posthumanismus, dem sich die Philosophin zugehörig fühlt, vermittle hingegen zwischen Technikpessimismus und grenzenlosem Technikglauben, erläutert sie. Im Kritischen Posthumanismus sei erst einmal nur klar, dass die Zukunft einen Bruch mit den humanistischen Werten bringen werde.

Bei allen Bestrebungen zur Verbesserung oder gar Überwindung des Menschen, fordert Janina Loh eine moralisch-ethische Verantwortung des Menschen für die von ihm geschaffene Technik ein. "Natürlich liegen den Risikoabwägungen selbstfahrender Autos Algorithmen zugrunde, die mitunter zu schwer vorhersagbaren Ergebnissen kommen. Aber Algorithmen und Technologien werden von Menschen gemacht, sind nicht nur neutral, Einsen und Nullen, sondern beinhalten auch moralische Werte und Entscheidungen."

Gerade bei selbstfahrenden Autos ist man schon bei der Realität, und dazu gibt es dieses Gedankenexperiment von Philippa Foot, die "Trolley Cases", die auch Janina Loh nun zitiert. Man stelle sich vor: Eine selbstfahrende Straßenbahn droht, fünf Personen zu überrollen. Wird eine Weiche umgelegt, wird jedoch eine andere Person getötet. Darf man also die Weiche umlegen, fünf Leben gegen eines rechnen? – Schon sind wir mittendrin in der Ethikdiskussion.

"Grob zusammengefasst gibt es in unserem westlichen Kulturkreis drei wichtige Ethiktraditionen. Bei der ‚Tugendethik‘ nach Aristoteles wird eine Entscheidung aufgrund von Güte und Charakter getroffen, sie ist hochgradig von den Umständen abhängig, aber vernunftbestimmt. Eine deontologisch-ethische Entscheidung nach Immanuel Kant bezieht die Intention der Tat mit ein, wie etwa im Strafrecht, wenn zwischen Mord und Totschlag unterschieden wird. Im Utilitarismus oder Konsequentialismus nach Jeremy Bentham und John Stuart Mill ist das Ergebnis entscheidend. Zum Beispiel, wenn zwei Häuser brennen, ein Altenheim und ein Kindergarten. Retten kann man aber nur ein Haus. Dieser Ethiktradition zufolge müsste man den Kindergarten retten, zum größeren Nutzen der Gesellschaft, haben doch Kinder ihr ganzes Leben noch vor sich und das Leid der Angehörigen wäre größer."

Wir sind am Knackpunkt für die Entwicklung selbstlernender Systeme und Roboter sowie letztlich auch Mensch-Maschinen-Wesen angelangt, denn: "Es gibt keine Lösung für dieses moralische Dilemma, technisch sind selbstfahrende Autos heute machbar. Menschen entscheiden jedoch, indem sie viele unterschiedliche Komponenten in ihre Überlegungen einbeziehen, und sie entscheiden jeweils spontan. Das können Maschinen nicht. Wir müssen daher vorab und konkret überlegen, nach welchem ethischen System Maschinen programmiert werden sollen."

Hier fehle es aber noch, insbesondere bei Technikern, am Bewusstsein, dass es eben nicht nur um technische Machbarkeit und ökonomische Komponenten gehe, sondern auch um die moralische Einbettung. Janina Loh wird daher des öfteren von großen Industrieunternehmen eingeladen, genau über dieses Spannungsfeld zu reden, die pragmatischen Konsequenzen der Technik samt moralisch-ethischem Kontext zu erläutern. – Dass sie als Geisteswissenschaftlerin damit Technikern den Praxisbezug nahebringen soll, kann man durchaus bemerkenswert finden.
Wenn es also um Roboter im weitesten Sinne geht, müssen moralische Grundentscheidungen im Vorhinein getroffen werden, schon sind wir bei der Roboterethik. Die Roboterprogrammierung entspricht demzufolge einer Art Erziehung, meint Loh, "Das wird besonders sichtbar, wenn es um evolutionäre Systeme geht, wie es aktuell der ICUB oder der CB2 sind. Das sind Roboter mit menschenähnlichem Körper. Da sind wir schon recht nahe an den Visionen der Science-Fiction-Filme."

Muss man sich Sorgen machen, dass demnächst die Roboter kommen und die Menschen ersetzen? Roboter für bestimmte Zwecke, ob Rasenmähen, Staubsaugen oder Industriemontage, gibt es ja schon. Damit hätten die meisten von uns noch kein Problem, so Janina Loh. "Allerdings beobachte ich immer wieder fasziniert, wie schnell Menschen in ihren Überlegungen den Schritt von diesen konkreten Maschinen zu einer abstrakten Übermaschine mit allen nur denkbaren Funktionen machen." Sie fügt beruhigend hinzu: "Da wage ich jetzt die Prognose, dass wir noch sehr weit entfernt sind von einer Maschine, die für jeglichen Zweck einsetzbar ist und damit vergleichbar mit einem Menschen."

Dieser Artikel ist im Wiener Journal am 25.5. 2018 erschienen.