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Der Angriff auf die Gehirnzellen

Von Alexandra Grass

Gehirn

Parkinson und Alzheimer werden zur Herausforderung für die Medizin. Therapien sind in Sicht, aber noch in Ferne.


Wien. Weltweit nimmt die Lebenserwartung stetig zu. Das gilt in logischer Konsequenz auch für Erkrankungen des Alters. Vor allem Morbus Parkinson und Demenzerkrankungen sind im Vormarsch und werden den Prognosen zufolge zahlenmäßig rapide zunehmen. Doch die Möglichkeiten der Therapie sind immer noch begrenzt. Den Verlauf zu verlangsamen und die Symptome zu lindern sind derzeit die einzig möglichen Maßnahmen. "Vieles erweckt Hoffnung, aber nichts ist direkt greifbar, das schon jetzt für die Betroffenen zur Verfügung steht", sagt Regina Katzenschlager, Leiterin der Abteilung für Neurologie im Wiener SMZ-Ost und Parkinson-Spezialistin, zur "Wiener Zeitung". Diese Aussage hat wohl auch für Demenzerkrankungen, vor allem Morbus Alzheimer, Gültigkeit.

20 Jahre Vorlaufzeit

In Österreich sind mindestens 20.000 Menschen an Parkinson erkrankt. Die tatsächliche Zahl dürfte aber höher liegen, vor allem weil Symptome bei Älteren oft nicht richtig zugeordnet, sondern auf das Alter zurückgeführt werden. Eine wesentliche Rolle in der Entstehung der Krankheit kommt der Eiweißsubstanz Alpha-Synuclein zu. Diese kommt auch beim gesunden Menschen vor. Bei Parkinson-Patienten ist sie aber fehlerhaft gefaltet und in Hirnnervenzellen abgelagert. Die eigentlichen Symptome kommen durch den Verlust von Nervenzellen zustande. Die Ablagerungen finden sich aber nicht nur im Gehirn, sondern etwa auch im Darm, in der Haut oder in den Speicheldrüsen. Wo der Beginn der Erkrankung liegt, ist nicht sicher geklärt.

"Die Parkinsonkrankheit ist in Wirklichkeit eine Erkrankung, die weite Teile des Körpers betrifft und nicht nur das Gehirn", schildert Katzenschlager. Da sie etwa auch den Magen-Darm-Trakt, das Kreislaufsystem und das vegetative Nervensystem beeinflusst, sind die Symptome vielschichtiger als üblicherweise bekannt. Erst nach vielen Jahren, in denen die Zellveränderungen und damit die Krankheit stumm fortschreiten, zeigen sich das typische Zittern und langsame, steife Bewegungen. In dieser Phase sind jedoch bereits viele Nervenzellen abgestorben.

Schon viel früher - mindestens 20 Jahre vor Auftreten dieser Symptome - kommt es zu Zellveränderungen im Riechsystem und Hirnstamm, so Katzenschlager. Veränderungen des Mittelhirns, die mit Ultraschall festgestellt werden können, sowie Geruchsbeeinträchtigungen können auf ein erhöhtes Parkinsonrisiko schließen lassen.

Ein weiteres mögliches Frühsymptom kann auch die REM-Schlafstörung sein. Der REM- oder Traumschlaf ist für gewöhnlich die aktivste Phase der Nachtruhe. Blutdruck und Puls steigen an, Träume werden wachgerufen. Tritt eine Störung ein, leben diese Menschen ihre Träume regelrecht aus. Sie reden, rufen oder schlagen im Schlaf auch um sich.

Die derzeit vielversprechendsten Forschungsansätze zielen darauf ab, die Ablagerungen des Alpha-Synuclein zu verhindern oder zu vermindern. Um dies zu erreichen, werden derzeit in die Entwicklung von Immuntherapien realistische Hoffnungen gesetzt, auch andere mögliche Ansätze haben sich weiterentwickelt. Neue Ansätze gebe es zudem bei der Stammzelltherapie, berichtet Katzenschlager vom nun zu Ende gegangenen Internationalen Parkinson-Kongress in Hongkong.

Phase-III-Studie mit Aussicht

An Morbus Alzheimer sind in Österreich geschätzte 100.000 Personen erkrankt. 2050 könnten es mehr als doppelt so viele sein. Bei Alzheimer führen sowohl krankhaft veränderte Tau-Proteine als auch Ablagerungen von veränderten Eiweiß-Bruchstücken, sogenannte Amyloid-beta-Plaques, im Gehirn zu Funktionsstörungen und dem Tod der Nervenzellen.

Medikamentöse Therapien, die in das Krankheitsgeschehen eingreifen und das Auftreten von Beschwerden verzögern oder verhindern, gibt es noch nicht. In Erprobung befindet sich aber ein monoklonaler Anti-Amyloid-beta-Antikörper, der, wie Vorstudien zeigen, die Plaques aufzulösen in der Lage ist. In einer aktuellen Phase-III-Studie an der Medizin-Uni Wien soll nun untersucht werden, ob die Zerstörung der Ablagerungen auch dazu führt, dass die Verschlechterung der Gedächtnisleistung bei diesen Patienten zumindest verlangsamt werden kann. Erste konkrete Resultate werde es in zwei bis drei Jahren geben, glaubt die Alzheimer-Expertin Elisabeth Stögmann von der Medizin-Uni Wien.

Die Früherkennung ist auch bei Alzheimer eine Herausforderung. Doch wurde jüngst ein Test präsentiert, der schon bei 50- bis 60-Jährigen Amyloid-beta-Ablagerungen im Blut nachweisen kann. Noch gibt es jedoch keine Daten zur Genauigkeit der Ergebnisse. Der Test könnte aber schon in wenigen Jahren die Szene der Alzheimer-Forschung und -Behandlung sehr verändern, betont Stögmann.

Bis dahin bleibe es von Bedeutung, einen gesunden Lebensstil zu führen. Damit lasse sich das Risiko noch am ehesten reduzieren, betonen Experten. Summa summarum steht noch viel in den Sternen, doch die Forschungsansätze scheinen sowohl bei Morbus Parkinson als auch bei Morbus Alzheimer in eine erfolgversprechende Richtung zu steuern.