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Letzter Ritter, erster Kanonier

Von Michael Gehler

Wissen

Seine Reformen öffneten das Tor zur Neuzeit: Zum 500. Todestag von Kaiser Maximilian I.


Kaiser Maximilian I. (1459-1519). Portrait von Albrecht Dürer.
© Kunsthistorisches Museum Wien

Geboren auf der Burg in Wiener Neustadt am 22. März 1459, war Maximilian Sohn von Eleonore Helena von Portugal und Kaiser Friedrich III. Er wurde Vater von Philipp I. "dem Schönen", König von Spanien, und Margarete, Statthalterin der Niederlande. Maximilian war Großvater Karls V., der noch ein Universalreich verkörperte, und Ferdinands I.

Auf Wunsch seines Vaters wurde Maximilian noch zu dessen Lebzeiten 1486 im Dom St. Bartholomäus in Frankfurt am Main zum römisch-deutschen König gewählt und im Aachener Dom gekrönt. 1493 folgte er seinem Vater als Kaiser nach. Ohne päpstliche Krönung, aber mit Billigung von Papst Julius II., war er 1508 "erwählter römischer Kaiser". Den Titel nahm er im Dom zu Trient an: Der Weg nach Rom war ihm durch die Venezianer versperrt, gegen die er bis 1516 Krieg führte. Seit 1477 war er mit Maria von Burgund, Tochter Karls des Kühnen und der Isabella von Bourbon, vermählt. Die Liebe zu Maria fand 1482 durch ihren tödlichen Reitunfall ein jähes Ende.

Maximilian verstarb 1519 während einer Reise von Innsbruck nach Linz, auf der Burg in Wels. Seinem letzten Willen gemäß wurde er in der St.-Georgs-Kapelle der Wiener Neustädter Burg bestattet.

Kriege & Heiratspolitik

Gegen den französischen König Ludwig XI. und die niederländischen Stände setzte sich Maximilian im Vertrag von Senlis 1493 durch: Er sicherte sich die Grafschaften Artois, Charolais und Nevers sowie die Freigrafschaft Burgund, während das gleichnamige Herzogtum und die Picardie bei Frankreich verblieben. Nach dem Tod von Matthias I. Corvinus 1490 und der Vertreibung der Ungarn aus Niederösterreich gelang die Rückeroberung der habsburgischen Erblande, Ausgangspunkt seiner imperialen Herrschaft. Sein Vetter Erzherzog Sigmund trat im selben Jahr Tirol und die Vorlande ab, sodass Maximilian nun über alle habsburgischen Länder herrschte.

Während seiner 27 Feldzüge versuchte Maximilian durch wechselnde Bündnisse (u.a. Liga von Cambrai mit Frankreich, Spanien und dem Papst, sodann "Heilige Liga" mit Mailand, dem Papst, Spanien und Venedig) vergeblich, die Reste seiner burgundischen Erbschaft und neue italienische Gebiete zu erlangen. Die Vermählung mit Bianca Maria Sforza von Mailand 1493, einer Condottiere-
fürsten-Tochter, füllte zwar Maximilians leere Taschen, blieb aber politisch erfolglos, da 1516 Mailand an Frankreich und Verona an Venedig fielen. Der Schwaben- bzw. Schweizerkrieg 1499 förderte die Loslösung der Eidgenossen vom Reich. Indes gelangen die Anwartschaft auf Böhmen und Ungarn sowie die Erwerbung der spanischen Krone 1516.

Die alten ritterlichen Heere hatten gegen modernisierte Artillerie und neue Festungsanlagen kaum eine Chance. Landsknechts- und Söldnerheere führten zum Untergang des niederen Ritteradels. Der intensivierte Güteraustausch und die aufkommende Geldwirtschaft machten die Absicherung von Handelsrouten sowie die Verrechtlichung des Warenverkehrs notwendig. Fehdewesen und Raubrittertum kamen zu einem Ende.

Im Spätmittelalter gab es weder Bürgertum noch Rechtsgleichheit, dafür aber abgestufte Herrscher- und Untertanenverhältnisse. Die Reichsstände bestanden aus Äbten, (Erz-)Bischöfen und Prälaten sowie Kurfürsten, Herzögen, Grafen, Markgrafen und aufstrebenden Reichsstädten. Seit 1489 bildete der Reichstag drei Kollegien, die gemeinsam entschieden: der Kurfürstenrat, ein Rat der Geistlichen und Weltlichen sowie ein Städterat.

Während Maximilian seine Macht weiter festigen wollte, verlangten die Reichsstände einen Ausgleich zwischen "Haupt und Gliedern". Der Wormser Reichstag feierte 1495 den neuen König, der jedoch das Ziel verfolgte, die Begehrlichkeiten des französischen Königs Karl VIII., seines hartnäckigsten Widersachers, in Italien sowie weiterhin die Türken-Bedrohung abzuwehren. Bei Villach hatte er sie bereits 1492 besiegt. Die notwendigen Mittel waren nur mit Zustimmung des Reichstags möglich, wofür die Reichsstände mehr Einfluss forderten. Der große Geldbedarf zur Kriegführung erforderte Reformen und Zentralisierung.

Die Reichsstände erwirkten in Worms die Schaffung neuer Reichsstrukturen, die bis 1806 gültig blieben. Zusammen mit dem König wurde der "Ewige Landfrieden", ein unbefristetes Fehdeverbot, ein vom Kaiser unabhängiges Reichskammergericht zur richterlichen Rechtsfindung sowie die "Handhabung Friedens und Rechts" zur Festlegung jährlicher Reichstage mit deren Zustimmung zur Steuereinhebung kundgetan.

Der "Gemeine Pfennig" diente zur Einführung einer allgemeinen Steuer. Gleichwohl nicht jährlich abgehalten, etablierten sich die Reichstage. Das "Reichsregiment", ein ständiger Ausschuss von Reichsständen zur Einhegung und Kontrolle des Monarchen, bestand nur kurzzeitig. Dem Reichskammergericht stellte Maximilian 1497 den "Reichshofrat" mit gleichen Kompetenzen gegenüber, der ihm allein unterstand.

Europäische Weltmacht

Mit Maximilian ging der Wirkungskreis Habsburgs vom Mitteleuropäischen ins Universale über. Mit seinen Ehen und den damit verbundenen Erbschaftsvereinbarungen legte er durch die Erwerbungen Burgunds und der Niederlande mit den Handels- und Finanzzentren Antwerpen, Brügge und Gent, v.a. aber Spaniens (1516) auch in der Neuen Welt die "Fundamente des habsburgischen Weltreiches" (Hermann Wiesflecker). Das führte zu einem erheblichen Zugewinn an Macht, aber auch zu Konflikten mit Konkurrenten und letztlich zur Reichsteilung.

Unter Maximilians Enkeln erfolgte die Teilung des Reiches in eine österreichische und eine spanische Linie. Für die Auseinandersetzung mit dem Haus Valois um Burgund und Italien hatte er 1494 sogar einen Frieden mit dem Osmanischen Reich geschlossen.

Die Feindschaft zu Frankreich prägte die folgenden Jahrhunderte. Die Zugeständnisse an die Reichsstände erfolgten vor diesem Hintergrund. Auf Dauer zog jedoch die durch Herrschaftsteilung zusammengesetzte "monarchische Union von Ständestaaten" (Otto Brunner) der Habsburger gegenüber dem kohärenteren zentralistisch geführten französischen Königtum den Kürzeren. Am Ende war dann Napoléon.

Maximilian war durch Einfluss seiner ersten Frau vielseitig gebildet. Er beherrschte mehrere Sprachen wie auch ritterliche Fertigkeiten und Künste nach burgundischem Vorbild - und galt aufgrund seiner Vorliebe für Turniere als "letzter Ritter". Er perfektionierte das Geschützwesen und führte die von ihm ausgebildeten Heere als "Vater der Landsknechte" mit Geschick und Können als "erster Kanonier". Buchdruck und Postverkehr steigerten die Informationsbeschaffung und Nachrichtenübermittlung. Steirisches Eisenerz, v.a. aber das Schwazer Silber begründeten sein Impe-
rium. Ohne die Augsburger Handels- und Finanzdynastie der Fugger als wichtigstem Geldgeber wäre der Kaiser jedoch machtlos gewesen. Durch Jakob Fugger II. geriet Maximilian vollends in die Fänge des Frühkapitalismus.

Wissenschaft & Literatur

Ideenreich, geistig aufgeschlossen und phantasievoll, war Maximi-
lian ein großer Förderer von Humanismus, Renaissance und Wissenschaft. 1501 gründete er in Wien das Collegium poetarum et mathematicorum. Von literarischen Werken und umfangreich konzipierten Gemeinschaftsprojekten, wobei sein Anteil nicht leicht zu ermessen ist, wurde der Versroman "Theuerdank" (1517) vollendet, benannt nach seiner jugendlichen Selbstbezeichnung.

Der "Weißkunig" stellt die Geschichte seiner Eltern, Jugend und Regierungszeit dar. Er wurde 1514 vom Geheimschreiber Marx Treitzsaurwein zu einer kontinuierlichen Narration strukturiert und 1775 erstmals gedruckt. Die monumentalen Holzschnittdrucke "Triumphzug" und "Ehrenpforte", an denen der Nürnberger Maler Albrecht Dürer mitwirkte, blieben unvollendet. Ihn versorgte Maximilian nicht nur regelmäßig mit Aufträgen, sondern auch mit einer jährlichen Rente.

"Wer ime [sich] im leben kain gedechtnus macht, der hat nach seinem tod kain gedechtnus, und demselben menschen wird mit dem glockendon vergessen." So lautet Maximilians Schluss im "Weißkunig". Seine poetische Selbststilisierung führte zur Verklärung seiner Figur auch in der Dichtung von Joseph von Hormayrs "Österreichischer Plutarch" (1807-1814) und erzeugte Stoff für zahlreiche Maximilian-Balladen, -Romane und -Dramen: Achim von Arnim schrieb "Die Kronenwächter" (1817), Anastasius Grün (Anton Alexander Graf von Auersperg) den Romanzenkranz "Der letzte Ritter" (1830), Gustav Freytag sein Lustspiel "Die Brautfahrt oder Kunz von der Rosen" (1841) und Gerhard Hauptmann die Verserzählung "Kaiser Maxens Brautfahrt" (1923).

Vergebliche Heimholung

Die Geschichtsschreibung wiederum widmete sich intensiv dem Menschen und seiner Zeit: Heinrich Fichtenau analysierte den jungen Maximilian (1959). Sein legendärer Grazer Kollege Hermann Wiesflecker legte über den Kaiser gleich fünf Bände (1971-86) vor. Manfred Hollegger schrieb über Herrscher und Mensch einer Zeitenwende (2005). Michael Forcher und Christoph Haidacher porträtierten zuletzt den Tiroler Landesfürsten als "ersten Bergsteiger" und einen Regenten, der aus einem heterogenen Länderkonglomerat einen vormodernen "Staat" schuf.

Mit Tirol war Maximilian besonders verbunden. Das änderte sich, als Innsbrucker Gastwirte ihm Unterkunft und Verpflegung verweigerten, weil er ihnen noch 22.000 Goldgulden schuldete. Das für ihn geplante Grab in der eigens dafür errichteten Innsbrucker Hofkirche sollte leer bleiben. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs versuchte Landeskonservator Graf Trapp mit Unterstützung des Landeshauptmanns, die sterblichen Überreste Maximilians zurückzuführen. Ein bizarres Tauschgeschäft mit Tiroler Schlachtvieh sollte helfen, was Trapp jedoch ablehnte. Das Projekt scheiterte am Widerstand der Zentralbehörden. Man hatte zudem andere Sorgen.

Maximilian war Kind seiner Zeit. In seiner Person spiegeln sich Umbrüche und Zwiespältigkeiten eines Epochenwandels. Er entsprach einerseits dem Bild des mittelalterlichen Ritters und andererseits dem eines Renaissance-Fürsten, der entschlussfreudig und durchsetzungsfähig war. Seine Reichsreformen öffneten das Tor zur Neuzeit. Schon zu Lebzeiten verstand er seinen Ruhm zu mehren, der durch kulturelle Errungenschaften und technische Innovationen nachwirkte. Er hinterließ einen riesigen Schuldenberg von fünf Millionen Gulden. Wenngleich er in transnationalen Dimensionen dachte und agierte, war er nicht Europäer im heutigen Verständnis.

Michael Gehler, geboren 1962 in Innsbruck, Professor für Neuere Geschichte an der Stiftung Universität Hildesheim, Direktor des Instituts für Geschichte und Jean-Monnet-Chair für Europäische Geschichte, Mitglied u. a. der Österreichischen Akademie der Wissenschaften/Wien.