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Tutto Ponti

Von Doris Barbier-Neumeister

Wissen
Ein Raum der Ausstellung über Gio Ponti im Pariser Musée des Arts Decoratifs.
© Gio Ponto

Das Pariser Musée des Arts Decoratifs widmet dem italienischen Architekten und Designer Gio Ponti bis Mitte Mai 2019 eine große Retrospektive.


Der Mailänder Architekt (1891–1979) gilt als einer der stilsichersten und tonangebendsten Künstler der Nachkriegsmoderne. Die Ausstellung in Paris untersucht die vielseitigen Aspekte seines Einflussbereichs – vom Möbeldesign bis zur Architektur und setzt dabei mehr als 500 Werke des Ausnahmetalents in Szene: von der Kaffeemaschine "La Cornuta" für La Pavoni über die Teekanne "Aero" für Cristofle bis zum Bürostuhl "Superleggera" für Cassina, der heute Kultstatus besitz und längst zur Ikone avanciert ist. Man darf auch überrascht sein – so lautet die Devise der Kuratoren.

Die Wenigsten wissen beispielsweise, dass der Allroundkünstler in seiner langen Schaffensperiode – von der Gründung seines Ideenlabors im Jahr 1921 bis zu seinem Tod 1979 – sogar Kostüme für die Mailänder Scala und Wandgemälde für die Universität Padua entworfen hat. Natürlich sind auch Bilder und Rekonstruktionen seines Traums in Blau-Weiß zu sehen: Die Innenarchitektur des Hotels Parco dei Principi in Sorrento aus dem Jahr 1960 trägt zur Gänze seine Handschrift – vom Telefon bis zu den Badezimmerfliesen und Lichtschaltern hat er hier alles bis ins kleinste Detail entworfen und bestimmt.

Das Hotel wurde dank seiner universellen Kreativität zum Gesamtkunstwerk. Mit Ceramica d’Agostino darf er 1975 auch in Salzburg zur Tat schreiten: Unter dem Motto "Hymne an die Farbe" wird er fünfzehn Jahre später die Böden der Redaktion der "Salzburger Nachrichten" gestalten. Dank der geometrischen und polychromen Formen (eines seiner Markenzeichen) wird der Fußboden zum Protagonisten und läuft so den Wänden eindeutig den Rang ab. Für die Fassade der Boutique Shui Hing in Singapore wählt er 1977–78 eine ähnliche Technik.

Die Molteni&C Gruppe, die mit der Héritage Collection 14 heute seine Möbelkreationen reeditiert, stellt gemeinsam mit den Gio Ponti Archiven knapp 500 Exponate in der Pariser Ausstellung zur Schau. Zeitlose Klassiker wie den Sessel D.153.1, den der Architekt für sein eigenes Haus in der Via Dezza in Mailand entwarf, den "Montecatini chair", der 1935 für das gleichnamige Büro kreiiert wurde, oder auch den Klappsessel D.270.2, zu dem man im Rahmen der Ausstellung parallel zum Möbelstück sogar die Skizzen des Maestros zur Entstehung des Objekts der Begierde bewundern kann. Molteni hatte im Jahr 2010 beschlossen, die Entwürfe Pontis ins Programm aufzunehmen. Die Kollektion wächst Jahr für Jahr und beweist, wie zeitgenössisch seine Kreationen heute sind.

Neben zahlreichen Skizzen und sehr persönlich, ja sogar liebenswert, gestalteten Briefen an seine Tochter Lisa, Kunden und Auftraggeber kann man auch die architektonischen Meisterwerke des Botschafters einer neuen Lebensart bewundern: Sowohl das Pirelli Hochhaus in Mailand (1936) als auch die Kathedrale von Tarant aus dem Jahr 1970 zeugen von der Vielseitigkeit und vom Erfindungsreichtum des Liebhabers von geometrischen Formen. Sein Meisterwerk, die Villa für Armando und Anala Planchart in Caracas, spiegelt ganz deutlich die Vielseitigkeit seines Schaffens wider. "Carte blanche" lautete hier die Devise der Bauherren: Der Architekt durfte hier von der Fassade aus Glas bis zum Tafelservice alles von A bis Z entwerfen. Die gelungene Inszenierung der Pariser Retrospektive durch das Büro Willmotte und Ass mit dem Titel "Tutto Ponti" trägt ihren Namen zu Recht: Gio Ponti entwarf nicht nur Möbel, Villen und Kirchen, sondern schlüpfte sogar in die Rolle des Herausgebers – er editierte ab 1928 das sehr kosmopolitische Designmagazin "Domus", eine Kunstrevue, die laut Ponti davon träumt, ein Gesamt-Kunstwerk zu sein. Tutto Ponti eben.