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Vorverlegtes Anthropozän

Von Alexandra Grass

Wissen
Reisfarmen in Ubud auf Bali.
© Menschheitsgeschichte/Andrea Kay

Schon zur Zeit der Jäger und Sammler hat der Mensch seine Umwelt prägend verändert.


Jena/Chicago/Wien. Abholzung, Bodenabtrag oder Treibhausgasemissionen - die Fähigkeit des Menschen, seine natürliche Umwelt zu verändern, gilt bis heute als Phänomen der Moderne. Geologen haben diese Zeit mit dem Begriff Anthropozän eingeläutet. Jenes Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Doch dieser erste Fußabdruck mit seinen weiteren, teils fatalen Entwicklungen scheint viel weiter zurückzuliegen als bisher gedacht - nämlich bis in die Zeit der Jäger und Sammler vor mehr als 10.000 Jahren, berichtet nun ein internationales Forscherteam im Fachblatt "Science".

Im ArchaeoGLOBE-Projekt analysierten mehr als 250 Archäologen aus der ganzen Welt die Landnutzung des Menschen von der Zeit der Jäger und Sammler bis zum Jahr 1850, die Zeit der Industriellen Revolution. Die neue Studie bietet zu bereits bestehenden Modellen über die historische Bodennutzung einen neuen Aspekt, nämlich die archäologische Perspektive. Die Expertise über sechs Kontinente hinweg zeigt, dass die Landwirtschaft schon viel früher begann und noch dazu in wesentlich mehr Weltregionen, als dies frühere Arbeiten zeigen. Die Entnahme natürlicher Ressourcen hinterlässt eine deutliche Spur in der Landschaft.

Ideen für die Zukunft

Jagen, Sammeln und Fischen waren vor 10.000 Jahren in den meisten Regionen der Erde üblich - hat allerdings in der Hälfte der Regionen über die Jahrzehnte hinweg abgenommen. Der Pastoralismus - die extensive Weidewirtschaft auf natürlich gewachsenem Busch- oder Grasland -, wie er vor rund 8000 Jahren eingeleitet wurde, hat sich von seinen Ursprungsgebieten in Südwestasien aus auch auf Gebiete wie Nordafrika oder Eurasien stark ausgedehnt. Manche Arten des Ackerbaus wurden schon vor 6000 Jahren nahezu auf der halben Welt praktiziert und dehnte sich ebenso stark aus. Seitdem die Jäger und Sammler sesshaft geworden waren, wurde deren Art der Nahrungsbeschaffung mehr und mehr durch die Landwirtschaft ersetzt. In manchen Gebieten galt diese als Ergänzung zum Jagen und Sammeln.

"Die Arbeit lässt uns die Rolle des Menschen in ökologischen Systemen überdenken - auch in der Art und Weise, was wir unter einer ,natürlichen‘ Umwelt verstehen", betont Lucas Stephens, Analytiker an Environmental Law & Policy Center in Chicago.

"Zu verstehen, wie Menschen über lange Zeiträume hinweg mit ihrer Umwelt interagieren, kann uns wiederum dabei helfen, zu verstehen, wie der Mensch damit in der Zukunft umgehen soll", so Michael Barton von der Arizona State University’s School of Human Evolution and Social Change.

Freie Datenbank

Die ökologischen Erfolge und Fehltritte zu studieren, gebe uns bessere Ideen, wie wir positive Veränderungen herstellen können während der Mensch weiter den Planeten umgestaltet. Die Arbeit habe auch Auswirkungen auf Maßnahmen gegen den Klimawandel. "Es ist klar, dass menschliche Einflüsse ein Problem für die Zukunft unseres Planeten darstellen", so Stephens. Die Vergangenheit müsse allerdings in die Diskussionen miteinfließen. Die Grundlagen dafür haben die Forscher nun geschaffen.

Die Übersichtskarte des ArchaeoGLOBE-Projekts beinhalte wesentlich mehr Informationen über viele Regionen der Erde als Arbeiten zuvor. Allerdings stammen die Daten vorwiegend aus der westlichen und nördlichen Hemisphäre. Die anderen Gebiete bedürfen noch intensiver Forschung. Dafür müsse noch wesentlich mehr Information zur Verfügung gestellt werden. Um mehr Transparenz zu erlangen und die Arbeit auch anderer Forscher zu unterstützen, sollen die Datensätze online frei zugänglich gemacht werden.

Ein damit vorhandener globaler Datensatz erlaubt es künftig, die Untersuchungen weiter zu führen. "Mit all unseren öffentlich zugänglichen Daten kann sich weltweit jeder in die Forschung hineintigern und womöglich neue Ideen hervorbringen", hofft Ben Marwick von der University of Washington.