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James Cook und die Vermessung Neuseelands

Von Tom Appleton

Wissen

Vor 250 Jahren zeichnete der Weltumsegler die erste moderne Landkarte von Neuseeland - und brachte Schweine und Erdäpfel auf die Doppelinsel.


James Cook auf einem Gemälde von Nathaniel Dance-Holland von 1775.
© National Maritime Museum, United Kingdom

Nachdem der britische Seefahrer James Cook, der bedeutendste Entdeckungsreisende des 18. Jahrhunderts, am 6. Oktober 1769 an der Küste Neuseelands gelandet war, verbrachte er ein volles Jahr damit, das Land zu umsegeln und zu vermessen. Ergebnis: Es wurde die erste moderne geografische Darstellung Neuseelands.

Jedem heutigen Betrachter fällt unmittelbar ins Auge, dass diese Inseln gewissermaßen das "antipodische", also das "auf dem Kopf stehende" Pendant zu Italien darstellen. Gewiss, die Zehenspitzen deuten hier nach links und dort nach rechts, der italienische Stiefel tritt in fußballerischer Manier gegen den sizilianischen "Ball", der neuseeländische Stiefel wirkt, im Gegensatz zum italienischen, auf Höhe des Fußknöchels etwas lädiert. Genauer gesagt, zweigeteilt, denn Neuseeland besteht aus einer Nord- und einer Südinsel. Dazu kommt noch ein weiteres, separates Schlussteil, ganz "unten" im Süden, Stewart Island.

Entdeckt hat James Cook Neuseeland zwar nicht, bei seinem ersten Besuch 1769-70 aber präzise kartografiert.
© Archiv

Aber sonst stimmt der Vergleich - und mehr als nur optisch. Beide Länder sind in etwa gleich groß, Neuseeland ist zudem flächenmäßig größer als Großbritannien und sogar mehr als dreimal so groß wie Österreich. Klimatisch ist der nördliche Teil vergleichbar mit Spanien, der südliche mit Norwegen. Allerdings findet der Hochsommer zu Weihnachten statt, der Winter im Juli. Denn: Wir befinden uns auf der Südhalbkugel der Erde. Hier steht der Globus auf dem Kopf.

Die ersten Besiedler des Landes, die Stammesgesellschaften der Maori, hatten, als Cook hier eintraf, bereits ziemlich genau 500 Jahre lang auf Aotearoa, dem "Land der langen weißen Wolke", gelebt. Aber sie kannten keine Kartografie. Sie beschrieben die Nordinsel metaphorisch als Te Ika-a-Maui (den "Fisch Mauis"), die Südinsel nannten sie Te Waka-a-Maui ("Mauis Kanu") und die kleine Stewart Island am Südzipfel des Landes war für sie Te Punga-a-Maui ("Mauis Anker"). Maui war ein stets zu Streichen und Tricks aufgelegter Halbgott.

Nicht der Erste

Auch Cook muss bemerkt haben, wie sehr dieses Land dem schon seit der Antike ausführlich kartografierten Italien glich, aber was die Namensgebung betraf, war ihm Jahre vorher schon der holländische Seefahrer Abel Tasman zuvorgekommen. Er war südlich von Stewart Island kommend an der Westküste der Südinsel entlanggesegelt und die Gegend hatte ihn ein wenig an seine heimatlichen Gestade erinnert. "Neu-Seeland" nannte er das Ganze.

Ein Hamburger Fotograf, mit dem ich entlang der Westküste auf der Nordinsel reiste, vermeinte, sich auf der mecklenburgischen Seenplatte zu befinden. Wären wir ein paar Jahrhunderte früher hier vorbeigekommen, hieße das Land heute vielleicht Neu-Mecklenburg statt Neuseeland.

Bei James Cook war die Sache jedoch noch einmal anders. Er galt als der fähigste Kapitän in ganz England, aber er gehörte nicht zur Navy. Man tat sich also schwer damit, ihm einen angemessenen militärischen Rang zuzuweisen. Es ging aber damals, 1769, um eine wissenschaftliche Mission der Britischen Astronomischen Gesellschaft, man wollte die genaue Distanz der Erde von der Sonne berechnen, und dazu sollte ein entsprechend wissenschaftlich vorgebildeter Mann erst einmal in den Pazifik schippern.

Cook erbat sich für diesen Zweck ein Schiff von einem Typus, der üblicherweise zum Transport von Kohle verwendet wurde. Mit diesem "Traktor der Meere" war er vertraut. Und: Die "Endeavour" erwies sich als extrem pazifiktauglich. Zu alledem war Cook der beste Kartograf, den es damals in Britannien gab. Er war der Erste, der richtige Landkarten jener Region anfertigte, ebenso wie Seekarten der Küstenlinien im Pazifik.

Was die "Entdeckung" Neuseelands betraf, so war Cook, wie gesagt, nicht der Erste. Im Dezember 1642 hatte der holländische Kapitän Abel Tasman die Südspitze der Südinsel umrundet, zu Weihnachten 1642 hatte er mit seinen beiden Schiffen an der Bruchstelle zwischen den beiden Inseln pausiert und war dann den restlichen Dezember an der Westküste Neuseelands weitergesegelt. Auch seine Karten und Beschreibungen der Maori erwiesen sich, wie Cook 127 Jahre später feststellte, als in jeder Hinsicht unverändert zutreffend.

Tasman entdeckte das später nach ihm benannte Tasmanien, Teile des australischen Kontinents und zahlreiche Inseln, reklamierte indessen alle diese Lokalitäten nicht als holländischen Besitz. Cook lagen die Karten Tasmans vor, als er in dieser Region des Pazifiks nach Neuseeland Ausschau hielt.

In den heutigen Darstellungen der ersten Begegnung zwischen Europäern und den in Neuseeland wohnenden Maori werden diese beiden Aufeinandertreffen oft verwechselt. Tasman näherte sich relativ leutselig den Maori an der Westküste der Südinsel auf einem kleinen Küstenboot, wurde aber überraschend angegriffen. Vier Holländer kamen dabei ums Leben. Vom Schiff aus feuerte daraufhin die holländische Mannschaft auf die Maori in ihren ebenfalls relativ kleinen Uferkanus und tötete dabei acht Maori.

Obwohl die Holländer also doppelt so viele Maori getötet hatten als diese Holländer, blieb der holländische Name "Bucht der Mörder" bis heute erhalten. Auch bei seinem Abschied von Neuseeland, als Tasman noch einmal mit den Maori in Kontakt treten wollte, wurde er durch Steinwürfe von seinem Vorhaben abgehalten.

Cooks spätere Landung an der Ostküste der Nordinsel blieb relativ konfliktfrei. Der heute von den Maori erhobene Vorwurf, Cook sei ein Mörder gewesen, der gleich einmal neun Maori getötet habe, ist von solider Geschichtskenntnis relativ unbeleckt. Tatsächlich besaß Cooks Landung eine film- oder kinderbuchtaugliche Qualität, wie überhaupt Cooks Seefahrten ausgesprochen filmgerecht wirken.

Eine Gallone Rum

Cook hatte dem ersten seiner Seeleute, der Land sichtete, eine Gallone Rum zugesichert, das waren rund 4,54 Liter. Erst wenige Tage zuvor hatte einer der Matrosen heimlich an den Rum-Vorräten geräubert und sich dabei etwa eine Gallone in einer Nacht hinter die Binde gekippt - bis zum Exitus.

Der Vorfall in der "Bucht der Mörder" auf einem zeitgenössischen Bild von Isaack Gilsemans.
© Nationaal Archief

Als nun der gerade erst zwölfjährige Schiffsjunge Nicholas Young - "Young Nick" genannt - als Erster vom Mastkorb aus "Land! Land!" rief, musste ihm Cook die versprochene Belohnung geben. Er habe sich die viereinhalb Liter Rum redlich verdient, aber in Anbetracht seiner Jugend müsse er diese Menge mit seinen Schiffskumpanen redlich teilen. Dafür wurde die nächste Landzunge in der Nähe der Landungsstelle auf den Namen "Young Nick’s Head" getauft. Das Datum war der 6. Oktober 1769.

Cook war zu diesem Zeitpunkt ein weitgereister Mann, wenige Monate vorher war er noch in Patagonien gewesen. Er sah, dass die Maori von Neuseeland in unbeschreiblicher materieller Armut lebten. Es gab buchstäblich nichts außer Salat und Fisch oder Muscheln zu essen, es gab keinerlei Felltiere, deren Pelze als Kleidung oder deren Fleisch als Nahrung taugten. In den kalten, regnerischen Wintern standen die Maori praktisch nackt im Wind. Sie bauten mühsam in Erdlöchern Süßkartoffeln an und fingen mit trickreichen Fallen die nicht eben flugbegeisterten heimischen Vögel.

Cook erkannte, dass er diesen Menschen helfen konnte: Er hatte Kartoffeln dabei, die im neuseeländischen Klima ausgezeichnet gedeihen würden, und er hatte Schweine an Bord, die sich mittlerweile bereits zu einer europäisch-asiatischen Unterart fortgepflanzt hatten, die es heute in dieser Form nur noch in Neuseeland gibt - und welche die Regierung des Landes indessen ausrotten möchte.

Bauern statt Seefahrer

Als Cook nach einem Jahr der kompletten Umseglung Neuseelands an seine ursprüngliche Landestelle zurückkehrte, fand er eine blühende Schweinezucht und körbeweise Kartoffel vor. Die Maori waren, wie ihre Vorfahren in Westasien, großartige Ackerbauern. Von der Seefahrt verstanden sie nur eben so viel, dass sie auf den Weiten des Pazifiks nicht alle ertrunken waren. Auch kannten sie nur drei Wörter für Seefahrt und Seefahrer.

Cook fielen aber auch noch ein paar andere Dinge auf. Es gibt bekanntlich in England drei verschiedene Wörter für "Hund": das von den Angeln und Sachsen eingeführte Hound, das von den dänischen Wikingern mitgebrachte Dog und das von den norwegischen Wikingern nach Schottland eingeführte Cur, ausgesprochen "Kör". Aber Cook bemerkte, dass der merkwürdig weiß-gelbliche Hund der Maori, den sie "Kuri" nannten, irgendwie ungewöhnlich wirkte. Dass sie anderswo einen schwarzen Hund hatten, den sie "Pero" nannten, war ebenfalls seltsam, denn Perro ist das spanische Wort für Hund. Offensichtlich diente dieses Wort auch als Schimpfwort, "Pero-Pero" in seiner Verdoppelung sogar als besonders starke Schmähung.

Ob die Spanier einmal hier gewesen waren? Diese Frage interessierte Cook weniger, denn er wollte Neuseeland für die englische Krone requirieren, ebenso wie den mythischen großen Kontinent "Australien", für den man bereits einen Namen parat hielt, noch bevor man den Kontinent selber gefunden hatte.

Immerhin galt der Hund in Neuseeland als Speisetier, und auch Cook empfand den Kuri als Delikatesse, vergleichbar mit Lammfleisch. Er soll deutlich Geschmack am Hundefleisch gefunden, aber auch eine gewisse Persönlichkeitsveränderung durchgemacht haben und zusehend knurriger und bissiger geworden sein.

Tom Appleton, geboren 1948, ist Schriftsteller und Journalist. Nach Jahren in Berlin, Teheran und Wien lebt er in Neuseeland.