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Anton Wilhelm Amo: "Ich fühle, also bin ich"

Von Stefan Brocza

Reflexionen

Der erste deutsche Philosoph afrikanischer Herkunft war ein entschlossener Verfechter der Aufklärung.


Amo, geboren um 1700 in Nkubeam bei Axim im heutigen Ghana, wurde zur "Bekräftigung" eines Handelsvertrages, faktisch also als Geisel, von der Niederländisch-Westindischen Gesellschaft nach Amsterdam verbracht. In der Folge verschlug es ihn 1707 als "Geschenk" der Westindien-Kompanie an den Hof von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel.

Der Herzog, ein Freund der Künste und selbst literarisch ambitionierter Autor des Barock, sah in dem Jungen aus Westafrika nicht das für die damalige Zeit übliche "exotische Requisit" eines europäischen Herrscherhofes, sondern ließ ihm eine umfassende Erziehung angedeihen. Er wird in der Folge 1707 evangelisch getauft, erhält die Vornamen Anton sowie Wilhelm, nach dem Sohn des Herzogs und weiteren Förderer, Wilhelm August. Der Name Amo verbleibt als Relikt und Hinweis auf seine afrikanische Herkunft.

Rechte der Schwarzen

1707 kam Amo an den Hof von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (hier auf einem Gemälde von Christoph Bernhard Francke).
© Christoph Bernhard Francke, Public domain, via Wikimedia Commons

Amo besucht die Ritterakademie in Wolfenbüttel und die protestantische Universität Helmstedt. 1727 immatrikuliert er sich in Halle und studiert Rechtswissenschaften und Philosophie. Er war damit wohl der älteste Erstsemestrige seiner Zeit. Seine erste wissenschaftliche Disputation hielt er am 28. November 1729 zur Rechtsstellung Schwarzer auf dem europäischen Kontinent, "De iure Maurorum in Europa". Dass die Arbeit verschollen ist, gab in späteren Jahren viel Raum für Gerüchte über eine mögliche Diskriminierung Amos wegen seiner afrikanischen Herkunft. Tatsache ist jedoch, dass die allermeisten Qualifikationsarbeiten an deutschen Universitäten dieser Zeit niemals in Druck gingen und die Originalmanuskripte im Laufe der Zeit eben unauffindbar wurden.

Auch der Themenwahl sollte man keine allzugroße Bedeutung beimessen. Wie in jener Zeit allgemein üblich, war das Arbeitsthema von universitärer Seite mit besonderer Beziehung auf die Person des jeweiligen Kandidaten gewählt worden. Oder wie es in der Studienordnung hieß: damit "das argument der disputation seinem Stande gemäß seyn möchte". Später vertretene Ansichten, die Themenwahl ließe bereits Amos frühes entschiedenes Engagement für die Sache der Schwarzen in Europa erkennen, erwachsen wohl eher aus einem heutigen Wunschdenken und spiegeln weniger damalige Realitäten wider.

Anton Wilhelm Amo erhält in Halle die Magisterwürde der Philosophie und darf parallel zu weiteren Studien bereits eigene Vorlesungen halten. 1734 verteidigt er - als erster aus Afrika gebürtiger Denker in Europa - seine Dissertation über die Leib-Seele-Problematik, "De humanae mentis apatheia". Von nun an fügt Amo seinem Namen die Herkunftsbezeichnung "Guinea-Afer" oder einfach "Afer" hinzu. Der Mensch empfinde die Dinge nicht mittels seiner Seele, sondern durch seinen lebendigen Körper, argumentiert Amo. Damit stellte es sich gegen den zu seiner Zeit maßgeblichen Rationalismus von René Descartes. Dessen Theorem "Ich denke, also bin ich" hält Amo sinngemäß entgegen: "Ich fühle, also bin ich."

Nach dem Tod seines letzten Förderers Ludwig Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel kehrt Amo 1736 nach Halle zurück und erhält die Zulassung als Privatdozent. Mit seinem 1738 verfassten Traktat "Über die Kunst, nüchtern und präzise zu philosophieren", einem Konzentrat seiner Vorlesungen, wird Amo habilitiert und positioniert sich zugleich als entschiedener Verfechter der Aufklärung. Ab 1739 lehrt er Philosophie, Psychologie und Medizin in Jena. Zusätzlich soll er auch Vorlesungen zu Astrologie, Kryptologie oder Techniken des Wahrsagens gehalten haben. Dies wohl auch aus ökonomischen Gründen, war man als Privatdozent doch darauf angewiesen, möglichst viele Hörer zu haben.

Um 1747 geht Anton Wilhelm Amo zurück nach Afrika. Über die konkreten Beweggründe wurde und wird viel spekuliert: War es seine nicht nur wirtschaftlich, sondern ohne die herzogliche Protektion nun auch zunehmend gesellschaftlich prekäre Situation? War Amo ein Opfer rassistischer Diskriminierung der universitären Kollegenschaft geworden? Oder war es gar wegen seiner (nicht erwiderten) Liebe zu einer jungen deutschen Frau?

Die Festung von St. Sebastian in Ghana, wo Amo temporär lebte.
© Sathyan Velumani, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Tatsache bleibt, dass Amo seine Rückreise mit Hilfe der Westindien-Companie organisierte und sich seine Spuren in Afrika rasch verlieren. Belegt sind jedoch folgende Worte über den schweizerischen-niederländischen Schiffsarzt David Henrij Gallandat und dessen Reise nach Afrika im Jahr 1753: "Während er auf dieser Reise nach Axim an der Goldküste war, stattete er dem berühmten Herrn Antonius Guilielmus Amo Guinea Afer, Doktor der Philosophie und der freien Künste Magister, einen Besuch ab. (.. .) Er lebte dort als Eremit und hatte unter den Seinen den Ruf eines Wahrsagers. Er war verschiedener Sprachen mächtig: Hebräisch, Griechisch, Latein, Französisch, Hoch= und Niederdeutsch; er hatte große Kenntnisse in Astrologie und war ein großer Weissager; er war ungefähr 50 Jahre alt. Sein Vater und eine Schwester lebten noch und wohnten drei Tagesreisen landeinwärts. (...) Später ist er von axim fortgezogen und nahm in der Festung der West=Indischen Com(panie) St. Sebastian in Chama Wohnung."

Begraben in Ghana

Auch Amos genaues Todesjahr bleibt unklar. Wahrscheinlich ist das Jahr 1759, manche Quellen, wie auch eine entsprechende Grabinschrift, sprechen aber auch erst von 1784. Sein Grab (gekennzeichnet durch ein Kreuz mit Namenszug) lag ursprünglich auf dem alten niederländischen Friedhof von Fort Chama. Als dieser jedoch 1927 von einem Hochwasser bedroht wurde, erhielt Amo im Umzug der allgemeinen Umbettung eine Ruhestätte direkt vor dem Fort. Das Grab kann auch heute noch besucht werden.

Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale
Beziehungen. Er arbeitete u.a. am Afrika-Desk des EU-Ministerrates und
publiziert seit zwei Jahrzehnten regelmäßig zu Afrika-Themen.