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Die Heimat der Lipizzaner wird digitalisiert

Von Alexandra Grass

Wissen
Seit 100 Jahren werden in Piber die Lipizzaner gezüchtet.
© LBI ArchPro

Ein archäologisches Projekt des LBI ArchPro widmet sich den Bauwerken und der Landschaft rund um das Gestüt Piber.


Über längere Zeit hinweg waren dem Pferdegestüt Piber und der weltberühmten Lipizzanerzucht kaum noch Aufmerksamkeit geschenkt worden. Das soll sich nun ändern. In einem Projekt der Spanischen Hofreitschule und des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro) sollen die historischen Gebäude und die Landschaft des Gestüts unter anderem mithilfe von Laserscans digitalisiert werden. "Wir wollen die Aufmerksamkeit wieder auf Piber lenken, um die Geschichte auch regional wieder neu zu positionieren", betont der Institutsleiter Wolfgang Neubauer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Besitzt man ein Weltkulturerbe, trage man Verantwortung, es auch zu bewahren. Die digitale Form ist dabei die geeignetste Methode, erklärt der Wissenschafter.

Seit 2010 sind die Klassische Reitkunst und die Hohe Schule der Spanischen Hofreitschule immaterielles Kulturerbe der Unesco. 2015 wurde die Spanische Hofreitschule in das internationale Verzeichnis für das immaterielle Weltkulturerbe aufgenommen, 2016 auch die Lipizzanerzucht am Bundesgestüt Piber in die österreichische Unesco-Liste aufgenommen.

Seit fast einem halben Jahrtausend wird an der Hofreitschule mit den eigens dafür gezüchteten Lipizzanern eine militärisch begründete Reitkunst gepflegt. Schon Jahrtausende davor hat die Reitkunst vielen Reitvölkern aus den weiten Steppen Eurasiens immer wieder zu Siegen verholfen und in der Folge zu wesentlichen politischen und sozialen Umwälzungen in Europa geführt, skizziert das LBI ArchPro in einer Aussendung.

Mittels Drohnen wird die Landschaft bis tief in den Boden untersucht.
© LBI ArchPro

Militärische Reitkunst

Die Skythen, die Hunnen, die Awaren, die Magyaren und kurz vor dem Beginn der Tradition in Österreich auch noch die Mongolen haben vorgelebt, wie die profunde Ausbildung von Pferden und der enge Zusammenhalt zwischen Tier und Reiter eine wichtige Komponente für die erfolgreiche Kriegsführung darstellen.

Diese Reitkunst "hat die hohen Herren des Militärs vor den Fußtruppen beschützt", so Neubauer. Mittels Traversale, also Seitwärtsbewegung, war es ihnen möglich, Fußtruppen auszuweichen. Stellten sich die Pferde auf die Hinterbeine, konnten sie sich vor den Lanzen schützen. Diese ehemalige Militärtechnologie wurde bei den Lipizzanern perfektioniert.

Ohne Gestüt wäre dies nicht möglich. Piber ist allerdings nicht nur wegen der Aufzucht der weißen Pferde von Relevanz, sondern auch aufgrund seiner romanischen Kirche, dem Schloss Piber mit seinen Stallungen, der Reithalle und seinen Außenhöfen und Sommeralmen. Es ist damit "nicht nur eine bedeutende historische Landschaft, sondern auch ein über Jahrhunderte ungestörtes archäologisches Fundgebiet", betont der Forscher. Schon seit November 2020 untersucht er mit seinem Team mit modernsten Technologien wie Bodenradar oder Scannern aus der Luft das Areal mit seinen Gebäuden. Diese sollen in einen virtuellen Raum transformiert werden.

Die 500 Hektar Land wurden immer nur als Weideflächen genutzt, wurden also nie gepflügt, und sind daher voll erhalten, freut sich der Archäologe schon auf künftige Funde. Noch nie wurde dies "in der Genauigkeit und Geschwindigkeit umgesetzt".

Sein Institut hat in der Vergangenheit immer wieder für spektakuläre Entdeckungen und Rekonstruktionen gesorgt. Mittels der neuen Technologien ist es möglich, archäologische Funde zerstörungsfrei aufzufinden, sie zu dokumentieren und zu visualisieren. Das Gelände sowie im Boden verborgene Strukturen können mit hoher Genauigkeit erfasst und rekonstruiert werden. Das LBI ArchPro hat sich schon im Rahmen von Projekten in Stonehenge, bei den Pyramiden von Gizeh oder in der Wikingerstadt Birka einen Namen gemacht. Ein künftiges Projekt werden die Ringburgen von Wikingerkönig Harald Blauzahn sein, kündigte Neubauer schon an.

Jährliche Sonderausstellung

Das aktuelle Projekt soll bis März abgeschlossen sein. Die geophysikalischen Messungen werden sich aber wohl über die nächsten Jahre weiterziehen.

Die Ergebnisse sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In Umsetzung befindet sich dafür das Museum in Piber. Neu konzipiert und neu aufgebaut soll es im Laufe des Jahres wieder eröffnet werden. Dort werden neben Geländemodellen auch virtuelle Installationen und die Zuchtbücher der Pferde digitalisiert zu finden sein, beschreibt der Archäologe. "Jedes einzelne Pferd, das hier geboren wurde, ist ganz genau dokumentiert und in digitaler Form abrufbar. Eine Form, die es bis jetzt nicht gibt." So war es zwar bisher möglich, etwa die Verwandtschaft eines Pferdes nachzulesen, doch "wenn ich frage, welche Pferde haben in meinem Geburtsjahr gelebt, haben wir schon ein Problem. Wir haben das Raum-Zeit-Problem gelöst", skizziert Neubauer.

Die Kirche von Piber ist schon online gestellt. Dort seien viele römische Grabsteine miteingemauert, die von einem Gräberfeld in der direkten Umgebung stammen dürften. "Das suchen wir alles."

Durch die Ausstellungen und Maßnahmen neuer Führungskonzepte in Piber soll der Tourismus wieder angekurbelt werden, um die regionale Wirtschaft zu stärken. Für die nächsten fünf Jahre planen die Projektpartner jährlich eine große Sonderausstellung zu den historischen Reitvölkern. "Wir wollen in Piber die goldenen Pferdedarstellungen der prähistorischen Skythen, das goldene Zaumzeug der Hunnen, die Gürtelgarnituren der Awaren und Magyaren und die Prunksättel der Mongolen den historischen Exponaten in der geplanten Dauerausstellung im Museum, der Geschirrkammer im Schloss und in der Alten Schmiede gegenüberstellen", so der Forscher.