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Venus, der böse Zwilling der Erde

Von Eva Stanzl

Wissen

Unser innerer Nachbarplanet war schon immer lebensfeindlich, Wasser soll dort nie geflossen sein.


Auf der Erde gibt es seit vier Milliarden Jahren Ozeane. Auf dem Mars existierten vor 3,5 bis 3,8 Milliarden Jahren Seen und Flüsse, doch die Venus scheint staubtrocken zu sein. Unser innerer Nachbarplanet mag eine vergleichbare Größe und Masse haben und ebenfalls aus überwiegend felsigem Material bestehen, doch bei näherer Betrachtung wirkt er wie der böse Zwilling der Erde. Seine Atmosphäre besteht hauptsächlich aus giftigem Kohlendioxid, auf der Oberfläche herrschen höllische Hitzen und extremer Druck, nicht zu vergessen die Wolken aus Schwefelsäure. Zusammengenommen ergibt das das Gegenteil der Lebensbedingungen, die auf der Erde gegeben sind.

Die Weltraumagenturen ESA und Nasa wollen in den kommenden zehn Jahren drei Raumfahrtmissionen zum zweitnächsten Planeten der Sonne entsenden. Eine der Schlüsselfragen, die diese Missionen beantworten sollen, ist, ob die Venus jemals gastfreundlicher war als heute. Einige Studien deuten darauf hin, dass es dort einmal Wasser gegeben haben könnte. Die Universität Genf ist allerdings nicht der Ansicht, dass dem so war. Ihr zufolge kannte der Erd-Zwilling keine milderen Perioden, sondern war schon immer lebensfeindlich, berichtet das Team aus Astrophysikern im Fachmagazin "Nature".

"Wie in einem gigantischen Druckkochtopf"

Martin Turbet von der Abteilung für Astronomie der naturwissenschaftlichen Fakultät in Genf und sein Team wollten die Fragestellung mit auf der Erde verfügbaren Mitteln beantworten. "Wir haben das Klima der Erde und jenes Venus am Anfang ihrer Entwicklung vor mehr als vier Milliarden Jahren, als die Oberflächen der beiden Planeten noch flüssig waren, simuliert", erklärt Turbet in einer Aussendung seiner Universität. "Aufgrund der damit verbundenen hohen Temperaturen wäre jegliches Wasser als Dampf vorhanden gewesen, wie in einem gigantischen Druckkochtopf."

Zusammen mit Kollegen des Schweizer Kompetenzzentrums "PlanetS" in Bern haben die Astrophysiker die Geschichte der Venus-Atmosphäre erstmals mit ausgeklügelten dreidimensionalen Modellen simuliert, ähnlich wie sie in Projektionen des Erdklimas verwendet werden. Das Team hat berechnet, wie sich die Atmosphären der beiden Planeten im Laufe der Zeit entwickelten, und ob sich bei dem Prozess Ozeane bilden hätten können.

"In unseren Simulationen konnten wir zeigen, dass die frühen klimatischen Bedingungen es nicht zuließen, dass Wasserdampf in der Venus-Atmosphäre kondensiert", erläutert Turbet. Zu keinem Zeitpunkt seien die Temperaturen niedrig genug gewesen, als dass Wasserdampf in der Venus-Atmosphäre Regentropfen hätte bilden können, die dann in Mengen zur Oberfläche heruntergefallen wären. Stattdessen sei Wasser als Gas in der Atmosphäre verblieben, weswegen keine Meere entstanden seien. "Einer der Hauptgründe sind die Wolken, die sich bevorzugt auf der Nachtseite des Planeten bilden. Diese Wolken verursachen einen starken Treibhauseffekt, der verhindert, dass die Venus so schnell abkühlt wie man normalerweise annehmen würde", so der Genfer Astronom.

Zur Überraschung der Forscher zeigten die Simulationen, dass die Erde dasselbe Schicksal hätte erleiden können. Unser Heimatplanet würde ganz anders aussehen, wenn er nur ein bisschen näher zu seinem Stern kreisen würde, oder die junge Sonne genau so kraftvoll geschienen hätte wie heute. Die Forschenden liefern eine neue Erklärung, warum bei uns alles blüht und gedeiht. Sie gehen davon aus, dass gerade die relativ schwache Strahlung der jungen Sonne es der Erde ermöglichte, sich so weit abzukühlen, dass Wasser in ausreichenden Mengen kondensieren und als Regen herunterfallen konnte, um unsere Ozeane zu bilden.

Warum überrascht die Erklärung? Bisher wurde angenommen, dass eine schwächere Sonne die Erde in eine Eiskugel verwandelt hätte. Ko-Autorin Emeline Bolmont sieht eine "Umkehrung des Paradoxons der schwachen jungen Sonne". Darunter versteht man den nicht vollständig geklärten Widerspruch zwischen der geringen Strahlungsleistung unseres Sterns in der frühen Erdgeschichte und dem nicht entsprechend kälteren Klima zu dieser Zeit. "Es stellt sich heraus, dass die schwache Sonne für die junge, heiße Erde eine Chance gewesen sein könnte", sagt Bolmont.