Es muss ihm irgendwie leidgetan haben. Als Wilhelm Frass im Juni 1938 den Stempel "einwandfrei" auf seinen "Antragschein auf Ausstellung einer vorläufigen Mitgliedskarte" bei der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei bekam, wurde er plötzlich unter Mitgliedsnummer 1,621.727 geführt. Fünf Jahre zuvor, im Mai 1933, als der damals frisch zum Professor gekürte Bildhauer der illegalen NSDAP beitrat, war er noch vorne dabei - als Mitglied Nummer 246.

Die Geschichte von Wilhelm Frass ist in vielerlei Hinsicht symptomatisch für den österreichischen Umgang mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit: Nach 1945 kurz diskreditiert und einem Entnazifizierungsverfahren unterzogen, war der Bildhauer bereits in den 1960er Jahren wieder ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Und: Eine Huldigung an den Nationalsozialismus, die er unter dem Denkmal des "Toten Soldaten" in der Krypta am Heldenplatz versteckt hat, ruhte dort 77 Jahre lang - ohne, dass es jemanden besonders zu bekümmern schien.

Erst im Juli ist das Denkmal, das Frass 1935 schuf, auf Initiative von Verteidigungsminister Norbert Darabos geöffnet worden. Und darin fand man nicht nur Frass’ Brief, in dem es unter anderem heißt: "Möge der Herrgott, nach all dem Furchtbaren, nach aller Demütigung, den unsagbar traurigen Bruderzwist beenden und unser herrliches Volk einig, im Zeichen des Sonnenrades (gemeint ist das Hakenkreuz, Anm.), dem Höchsten zuführen!"

Wilhelm Frass war, wie eine Recherche in den gut sortierten Archiven von Künstlerhaus, Secession und der Berufsvereinigung der Bildenden Künstler zeigt, so lange ein überzeugter Nationalsozialist, bis es seiner eigenen Position nicht mehr förderlich war.

Geprägt von der Front


Der akademische Bildhauer wurde am 29. Mai 1886 geboren, sein älterer Bruder Rudolf war Architekt und gestaltete unter anderem das "Jagdhaus Julius Meinl" in der Ramsau. Bereits als Schüler der k.k. Staatsgewerbeschule wurde er mehrfach ausgezeichnet, 1924 erhielt er den Preis der Stadt Wien, 1936 den Staatspreis. In einem zeitgenössischen Bildband verneigt sich der Autor verbal vor ihm: "Mit Vorliebe wählt Frass für seine Schöpfungen die nackte menschliche Gestalt, der er durch entsprechende Haltung und Gebärden stets einen tieferen, symbolischen Sinn gibt." Die Symbolik war dabei allerdings meist eine eindeutige und geprägt von einem Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg: Frass produzierte vor allem heroisch überhöhende Kriegerdenkmäler - darunter jenes des "Toten Soldaten" - und Grabmale. Technisch gelten seine Werke, die Namen wie "Der Jüngling", "Der Schreitende", "Der Fallende" oder "Ostmark" tragen, auch heute noch als einwandfrei.

1919 trat der gebürtige St. Pöltner der Secession bei - als er 1938 seine NSDAP-Mitgliedskarte beantragte, strich Frass stolz hervor, wie er in "kultureller und propagandistischer Art" seine "Pflicht als Nationalsozialist in meinem Tätigkeitskreis erfüllt" habe: Als langjähriges Vorstandsmitglied der Secession "gelang es durch meine Mitarbeit, dass diese Vereinigung bereits in den letzten Jahren ganz in nationalem Sinne geführt wurde", schreibt er in seinem Antrag. Und weiter: Bereits 1937 habe man im Rahmen einer deutschen Kunstausstellung "im Hause der Secession . . . die erste Hackenkreuzfahne (sic!)" hissen können "und das - notgedrungen - mit Genehmigung der offiziellen Stellen!" Kein Wunder also, dass der offiziellen Aufnahme des damals bereits seit fünf Jahren illegalen Parteimitglieds nichts entgegenstand.

Der Triumph


Frass spürte Rückenwind - und erzählte im Winter 1938 dem Kunsthistoriker Karl Hareiter von der damals "hochverräterischen Inschrift", die er in der Krypta deponiert habe. Und davon, wie glücklich er war, als endlich Adolf Hitler selbst am 15. März 1938 dort einen Kranz niederlegte. Hareiter veröffentlichte dieses Bekenntnis am 25. Dezember 1938 im "Völkischen Beobachter". Auch sonst schien Frass’ Zeit gekommen - er bekam einen Job als Leiter der Hochschul-Klasse der Kunst- und Modeschule und wurde zum Referenten des Kulturamts der Stadt Wien ernannt. Privat musste Frass mit Schicksalsschlägen umgehen: 1941 starb seine Frau Trude im Alter von nur 47 Jahren, 1943 fiel sein jüngerer Sohn Jörg in Russland. Auch ihn stellte der Bildhauer auf ein Podest - mit der heroischen Büste "Jörg" und auf den vorgedruckten Karten, mit denen er sich für die erwiesene Anteilnahme bedankte: "Mögen wir alle den Sinn dieses Opfers verstehen: Die grenzenlose Verpflichtung gegenüber unserem Vaterland."

Das war vor dem Ende des NS-Regimes. Danach blieben Frass’ Worte zwar ähnlich salbungsvoll, allerdings in eine ganz andere Richtung. Er erklärte, sich "von der nationalsozialistischen Weltanschauung völlig losgesagt" zu haben, "als mit der militärischen Niederlage die Nachricht von den unmenschlichen Methoden nationalsozialistischer Staats- und Kriegsführung durch die Weltöffentlichkeit ging". Und: Er bedaure, "einer Idee gefolgt zu sein, die ganze Völker in namenloses Elend gestürzt hat."