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Deutsche Forscher verlassen mythenumwobene Stadt Troja

Von Leonie Feuerbach

Wissen

Die Grabungslizenz ist ausgelaufen: "Wir haben kein Geld mehr."


Tübingen/Istanbul. (apa/dpa) Troja fasziniert die Menschen seit Jahrhunderten. Für Archäologen ist die Stadt, gegen die laut dem Dichter Homer der Krieg um die schöne Helena geführt wurde, deshalb ein Paradies. Rund 25 Jahre lang haben Forscher der Universität Tübingen die Grabungen dort geleitet - doch jetzt ziehen sie sich nicht ganz freiwillig zurück. An der Erforschung von Troja will das Team um den aus Wien stammenden Professor Ernst Pernicka aber auch aus der Ferne weiterarbeiten. Insgesamt sechs Bücher wollen sie publizieren und dem Mythos Troja dabei ein Stück weit auf die Spur kommen.

Der Hauptgrund dafür, dass die Tübinger die Grabungskampagne aufgeben: "Wir haben kein Geld mehr", sagt Pernicka. Die Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist plangemäß ausgelaufen. Doch auch Ärger über die türkische Regierung, die ausländischen Wissenschaftern die Arbeit im Land seit Jahren immer weiter erschwere, habe eine Rolle gespielt. Die Verbindung zwischen Tübingen und Troja wird dennoch nicht ganz abreißen. Pernickas Nachfolge wird voraussichtlich Rüstem Aslan antreten, ein türkischer Professor, der in Tübingen promoviert hat.

Dass Troja große historische Bedeutung hat, haben die Untersuchungen laut Pernicka bestätigt. Im frühbronzezeitlichen Troja, also in der zweiten Hälfte des dritten Jahrtausends vor Christus, habe man Importe aus entfernten Ländern gefunden, was auf intensiven Handel hinweist. Damals hatte die Stadt ihre Blütezeit. Aus dieser Epoche stammen auch die Schatzfunde des deutschen Archäologen Heinrich Schliemann, der Troja in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdeckte. "Die Techniken, welche die Feinschmiede bei der Herstellung des Edelmetallschmucks anwendeten, sind sehr weit entwickelt und belegen, dass der Ort damals ein bedeutendes Zentrum gewesen sein muss", sagt Alix Hänsel, Kuratorin der Schliemannsammlung im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin.

Faszination Trojas hat vor allem drei Gründe

Tausend Jahre später, in der späten Bronzezeit, soll dann der Trojanische Krieg getobt haben - dieser Epoche galten die Tübinger Grabungen ganz besonders. Belege für Handel lassen sich in dieser Zeit zwar nicht finden. Dennoch war die trojanische Oberstadt von einer acht Meter breiten und hohen Mauer umgeben, sagt Pernicka. "Das ist nichts, was eine Schafweide umgibt."

Aber ist das Troja der Archäologen damit tatsächlich auch das Troja aus Homers berühmter Dichtung? Pernicka sieht in den Ergebnissen der Ausgrabungen sehr viele Hinweise darauf. So stimme die Beschreibung der Lage und der dortigen Tier- und Pflanzenwelt mit den Gegebenheiten und Funden in Troja überein. Auch, dass das bronzezeitliche Troja zerstört wurde, gilt als bewiesen. Ob das durch den Trojanischen Krieg geschah, wie von Homer in der "Ilias" beschrieben, kann allerdings nicht rekonstruiert werden.

Der scheidende Grabungsleiter sieht vor allem drei Gründe für die Faszination, die von Troja ausgeht. Es sei erstens der Ort, der in der ältesten europäischen Dichtung die Hauptrolle spielt, und zweitens eine der ersten wissenschaftlichen Grabungen im Mittelmeerraum. Drittens sei Troja wegen seiner langen Besiedlungsgeschichte ein Referenzort, mit dessen Material alle bronzezeitlichen Funde in der Ägäis verglichen und dadurch oftmals datiert werden können.

Auch wenn er in der nächsten Grabungssaison nicht mehr am Ort sein wird, sieht Pernicka für sich noch genug Arbeit. Die Grabungsergebnisse seien noch auszuwerten und aufzubereiten.