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Bewahrt im Gedächtnis des Landes

Von Heiner Boberski

Wissen

Wien. Welcher Raum bietet den idealen Rahmen für eine Ausstellung über "Meldungen, die Österreich bewegten"? Richtig, der Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, jener Schatzkammer für alles, was wert ist, im Gedächtnis des Landes bewahrt zu werden. "Zwischen Königgrätz und Córdoba" lautet der Titel der am 17. Mai eröffneten Schau, die in Schlagzeilen und Bildern durch die Geschichte Österreichs streift - und den Beweis liefert, dass die öffentliche Wirkung eines Ereignisses nicht immer seiner wirklichen Bedeutung entspricht, sondern oft auf medialer Inszenierung beruht.

So ist zum Beispiel Österreichs Fußballsieg gegen Deutschland am 21. Juni 1978 in der argentinischen Stadt Córdoba zu einem Mythos geworden, obwohl er Österreichs Ausscheiden bei dieser Weltmeisterschaft nicht mehr verhindern und Deutschland nur noch um den Einzug ins kleine Finale (um Platz 3) bringen konnte, sporthistorisch also ziemlich unwichtig war. Aber dieser Sieg bedeutete eine immense Portion Balsam für den David Österreich, der es dem Goliath Deutschland damit wenigstens einmal zeigen konnte. Córdoba ist heute vermutlich mehr Österreichern geläufig als das böhmische Königgrätz, wo sich 1866 Österreich militärisch den punkto Taktik und Material überlegenen Preußen geschlagen geben und in der Folge eine neue Gewichtung der Machtverhältnisse in Europa akzeptieren musste.

Welche Meldungen ein Land bewegen und wie fest sie im kollektiven Gedächtnis verankert bleiben, hängt stark von der Verarbeitung durch die Medien, aber auch durch die Kunst ab. Durch Emotionalisierung seien gerade Königgrätz und Córdoba (bei jeder Gelegenheit wird der damalige Aufschrei von Sportreporter Edi Finger "I wer’ narrisch" zu Gehör gebracht) zu "emotionalen Eckpunkten" geworden, meint Hannes Etzlstorfer, Kurator der Ausstellung und Herausgeber des gut gestalteten Katalogs. Geschichte sei immer wieder instrumentalisiert worden. Und hätte man beiden Personen nicht gefühlsbetonte Lieder gewidmet, wären Prinz Eugen ("Der edle Ritter") und Andreas Hofer ("Zu Mantua in Banden") vielleicht nicht in diesem Ausmaß zu legendären Heldenfiguren geworden.

Die Schau berührt alle Lebensbereiche: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Sport und chronikales Geschehen wie Katastrophen oder Kriminalfälle. Sie zeigt auch auf, wie sich die Medien, die Meldungen weitergaben, wandelten - beginnend beim Papyrus aus dem 5. Jahrhundert über den Wasserstand des Nils. Zum ersten Mal zeigt die Nationalbibliothek öffentlich die "Fuggerzeitungen" - handschriftliche Berichte für die berühmte deutsche Kaufmannsfamilie. Aus dem Jahr 1503 stammt die kunstvoll illustrierte Handschrift "Über Wunderzeichen" des Vorarlbergers Jacob Mennel. Eines der ausgestellten Flugblätter aus der Frühzeit des Buchdrucks berichtet über eines der stärksten Erdbeben in Österreich im Jahr 1591.

Sport als Kompensationsfeld

Zu den Ereignissen ab dem 18. Jahrhundert, die dann in Printmedien Eingang fanden, ist die 1703 als "Wiennerisches Diarium" gegründete "Wiener Zeitung" eine erstrangige Quelle. Viele alte Zeitungsjahrgänge sind bereits weltweit online über das Portal "Anno" (Austrian Newspapers Online) auf der Website der Österreichischen Nationalbibliothek zugänglich, das auch Etzlstorfer für seine Recherchen nutzte.

Die rund 170 Exponate raffen in Wort und Bild wesentliche Ereignisse der österreichischen Geschichte zusammen. Im politischen Bereich geht es vor allem um das Geschehen vom Wiener Kongress bis zu Staatsbesuchen der jüngsten Vergangenheit. Österreichs Umgang mit "seinen" Wissenschaftern (das Anführungszeichen rührt daher, dass 1938 viele vertrieben und später leider oft nicht zurückgeholt wurden) wird ebenso thematisiert wie Konflikte um archäologische Funde wie die Venus von Willendorf, den Jüngling vom Magdalensberg oder die Gletschermumie "Ötzi". Auch Sonnenfinsternisse, österreichische Entdeckungsreisen und Pioniertaten der Luftfahrt werden dargestellt.

Etzlstorfer sieht den "Sport als Kompensationsfeld" für andere Gebiete, auf denen Österreich nicht so stark ist. Mehr als viele sportliche Erfolge erhitzte 1972 der Ausschluss des Skiläufers Karl Schranz von den Olympischen Spielen die Gemüter. Der damalige ORF-Chef Gerd Bacher inszenierte eine Triumphfahrt vom Wiener Flughafen zum Ballhausplatz, wo eine begeisterte Menge den Tiroler feierte.

Auf dem Gebiet der Kultur zeigt die Schau den Umgang mit den Gebeinen Beethovens und Haydns, aber auch das Original-Typoskript von Thomas Bernhards am 4. März 1968 gehaltener Rede bei der Entgegennahme des Staatspreises für Literatur.

Vom Frauenmörder Hugo Schenk im 19. Jahrhundert bis zum Entführungsfall Kampusch spannt sich der Bogen der dokumentierten Kriminalfälle. Anschaulich dargestellt werden auch die ersten Auftritte exotischer Tiere in Österreich.

Die Meldung, dass Österreich, den Eurovision-Song-Wettbewerb, gewonnen hat - 1966 durch Udo Jürgens -, ist einmalig geblieben. Ein Mythos wie Córdoba.

Ausstellung

Zwischen Königgrätz und Córdoba. Meldungen, die Österreich bewegten.

Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien, Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr (Donnerstag 10-21 Uhr)