Wien. (ski) In der Wissenschaft will man wissen, "wie es ist", in der Kunst fragt man auch fantasievoll danach, "wie es sein könnte". Von diesem "anderen Blick" der Künstler könnten auch Wissenschafter profitieren, sagte Helga Nowotny, Präsidentin des EU-Forschungsrates, im Kuppelsaal der Technischen Universität Wien auf der Auslandskulturtagung 2013 "Wenn Wissenschaft und Kunst einander begegnen".
Seit der Antike gehören diese beiden "kreativsten Formen des Menschseins" zusammen. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, selbst bekanntlich Altphilologe, wies in einem kulturhistorischen Rückblick darauf hin, dass schon Aristoteles in seiner "Poetik" in der "Faktizität" und in der "Potenzialität" die beiden Fähigkeiten zu Geschichtsschreibung und Tragödie sah. Die Trennung von Kunst und Wissenschaft habe erst im späten 18. Jahrhundert eingesetzt, in der "Geniezeit", als man die Inspiration über das schlichte Know-how stellte. Eine Folge davon sei, so Töchterle, "dass absolute Dilettanten auf dem Kunstmarkt reüssieren können".
"100 Jahre Selbstdarstellung "
Töchterles Eintreten für eine Wiederbelebung der antiken Verbindung von Kunst und Wissenschaft unterstützte der Künstler, Kunst- und Medientheoretiker Peter Weibel: "Kunst ist ein Wissenssystem." Weibel erläuterte im Schnellverfahren, wie sich das Ansehen der Wissenschaften und Künste wandelte, wie das Bemühen um Nachahmung der Realität oder um Repräsentation einer "Selbstdarstellung der Darstellungsmittel" wich. Gebrauchsgegenstände werden nun als Kunstwerke ausgestellt, anderseits würden, was nicht korrekt sei, die besten Illustratoren wissenschaftlicher Werke nicht als Künstler anerkannt. Weibel resümierte: "Eine Renaissance 2.0 ist notwendig. 100 Jahre Selbstdarstellung sind genug. Kunst muss wieder eine Rolle finden."
Der Physiker Anton Zeilinger, mit seinen Experimenten einziger Vertreter Österreichs auf der letzten "Documenta" in Kassel, sieht "auf einer Metaebene hochinteressante Querverbindungen" von Kunst und Wissenschaft, warnte aber vor dem Fehler, man könne "durch simple Assoziationen etwas erklären, das sehr viel komplexer ist". Es gehe "um ein tieferes Verständnis der Wirklichkeit". Die "Renaissance 2.0" wäre zwar schön, "aber wenn man sie sucht, wird man sie nicht finden".
Einen "Documenta"-Besucher, der ihm geklagt hatte, er habe Zeilingers Experimente nach drei Tagen immer noch nicht verstanden, habe er gefragt, ob ihm denn gelungen sei, die Kunstwerke im Nebenraum zu verstehen...