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Freigelegte Schichten

Von Heiner Boberski

Wissen

Neue Direktorin Monika Pessler plant für 2016 Neugestaltung des Museums.


Wien. "Was he ever at home?" (War er je zuhause?) Diese spontane Frage einer Schülerin schnappte Kuratorin Simone Faxa auf, als sie im Stiegenhaus des Sigmund Freud Museums ein langes Zeitband zur Ausstellung "Freuds Reisen" anbrachte. Natürlich war der Vater der Psychoanalyse auch viel in Wien, aber er war auch "ein begeisterter, wenn nicht besessener Reisender", sagte Daniela Finzi, zweite Kuratorin der Schau in einer Pressekonferenz am Donnerstag in Wien. Sigmund Freud hätte am liebsten jede Nacht an einem anderen Ort verbracht, hat seine Schwägerin und Reisebegleiterin Minna Bernays behauptet. Das Reisen ermöglichte es ihm, seine beiden anderen großen Leidenschaften - die Psychoanalyse und die Archäologie - zusammenführen. Bei beidem ging es ihm um das Freilegen von Schichten aus der Vergangenheit. Für die Gestalter der Ausstellung steht fest, dass Freuds Reisen, die unterschiedlichen Charakter hatten, auch sein Werk maßgeblich inspiriert haben.

"In Freiheit sterben"

1856 in Freiberg (heute Pribor) in Mähren geboren, musste er als Dreijähriger über Leipzig (wo die Familie keine Aufnahme fand) nach Wien übersiedeln. Mit 20 besuchte er seinen Halbbruder Philipp in Manchester, für seine medizinische Ausbildung verbrachte er mehrere Wochen in Triest, Paris und Berlin. Ab 1895 zog es den Sammler von Antiken besonders in Länder wie Italien, wohin er fast 20 Fahrten unternahm, oder Griechenland. Daneben genoss er aber auch Erholungsurlaube mit Bergtouren in den Alpen. Eine Wand aus Postkarten hält in der Schau markante Sätze fest, die er auf diesen Reisen formulierte.

Auf Einladung der Clark University in Worcester, Massachusetts, hielt sich Freud 1909 mehrere Wochen zu einer Vortragsreise in den USA auf, die das große Interesse an der Psychoanalyse in Amerika zeigte und vertiefte.

Ein großer Reisekoffer mit dem Aufkleber "Wien Westbahnhof" dominiert den letzten Schauraum - die ehemalige Ordination von Anna Freud, in der man jüngst wortwörtlich eine Schicht, nämlich die ursprüngliche Deckenmalerei, freigelegt hat. Der Koffer erinnert an Freuds unfreiwillige letzte Reise ins Exil nach London. An den Wänden dokumentieren Telegramme von 1938 das Tauziehen um Freuds Ausreise aus dem NS-Reich. Sein damaliger Wunsch lautete, "in Freiheit zu sterben".

Mit dieser Ausstellung stellte sich die neue Direktorin des Museums, Monika Pessler, der Öffentlichkeit vor. Die Kunsthistorikerin, zuvor Direktorin der Kiesler-Privatstiftung, will als ihre wichtigste Aufgabe "historisches Kulturgut für den zeitgenössischen Diskurs aktivieren". Es geht ihr darum, in Verbindung von Psychoanalyse und Kunst "gesellschaftsrelevante Themen zu verhandeln". Ab 13. März wird im Schauraum Berggasse 19 die skulpturale Installation "Untitled (Legs) 2013" von Markus Schinwald ausgestellt. Weitere Höhepunkte im Freud-Gedenkjahr 2014 - am 23. September jährt sich sein Todestag zum 75. Mal - sind am 6. Mai die Sigmund Freud Vorlesung von Judith Butler zum Thema Todesstrafe im Audimax der Uni Wien und die große Konferenz "Zeitgemäßes über Krieg und Narzissmus" im Oktober.

Für 2016, zu Freuds 160. Geburtstag, wünschen sich Pessler und der Vorstandsvorsitzende der Sigmund Freud Stiftung, Rudolf Dirisamer, eine - auch barrierefreie - Neugestaltung des Museums, das sich zu zwei Drittel selbst finanziert. Es erhält wenig öffentliche Gelder, obwohl es eine erstrangige Touristenattraktion ist - die Mehrheit der jährlich rund 75.000 Besucher kommt aus dem Ausland. Ein Konzept für eine Neuaufstellung ist in Arbeit, ein nicht mehr aktuelles, das bereits der vor mehr als sieben Jahren abgetretenen Ministerin Elisabeth Gehrer vorlag, sah damals Kosten von fünf Millionen Euro vor.