
Spannend ist Ötzis Mikroben-Welt aber nicht nur im Hinblick auf seine Zukunft. Vielleicht finden sich in seinem Körper auch Reste von Krankheitserregern. Das Forscherteam ist bereits auf Überreste eines Bakteriums gestoßen, das als Parodontose-Erreger berüchtigt ist. Treponema denticola löst Entzündungen aus, die den Halteapparat der Zähne zerstören können und die wichtigste Ursache für Zahnausfall sind.
Schon im vergangenen Jahr bescheinigte eine Computertomografie Ötzi massive Zahnprobleme. Doch was machen Mundbakterien im Hüftknochen, aus dem die Probe stammt? Offenbar war es dem Erreger gelungen, in die Blutbahn seines Opfers zu gelangen und so bis in diesen gut durchbluteten Knochen vorzudringen, so Rattei. Die Bozner Experten waren allerdings auch in der Mundhöhle auf die Bakterien gestoßen. "Wir haben uns also nicht nur auf unsere Computeranalysen gestützt, sondern die Ergebnisse auch mit weiteren Laboruntersuchungen bestätigt." An der Ursache von Ötzis Zahnproblemen gibt es daher keinen Zweifel mehr.
Treponema denticola gehört zur Gruppe der sogenannten Spirochäten. Von diesen Bakterien hatte man angenommen, dass sie nicht lange erhalten bleiben. Doch das stimmt offenbar nicht. Die Forscher hoffen, dass sich mit ihrer Methode auch noch andere Krankheitserreger finden lassen. Zu den Spirochäten gehört etwa auch Treponema pallidum, der Erreger der Syphilis. Mediziner würden gerne wissen, wie dessen Geschichte im Mittelalter und davor verlaufen ist.
Viele unerforschte Bakterien
Die Wissenschafter hoffen auch, noch mehr über die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Zahnproblemen herausfinden zu können. Die Art der Ernährung hat einen entscheidenden Einfluss darauf, welche Arten von Mikroorganismen sich im Mund und im Verdauungstrakt ansiedeln.
"Die Verdauung ist ein spannendes Thema, dem wir nachgehen", sagt Rattei. Ötzis Darmflora enthält viele interessante und unerforschte Bakterien, denen er und sein Team auf die Spur kommen wollen. Vielleicht lässt sich herausfinden, ob Ötzi auch Verdauungsprobleme hatte. Bei heute lebenden Menschen diskutieren Ärzte zunehmend über die Wechselwirkungen zwischen Darmflora und Gesundheit. Vielleicht hat dieser Ärger schon vor mehr als 5000 Jahren begonnen.