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Besser nicht dran rühren . . .

Von Edwin Baumgartner

Wissen

Die zögerliche Aufarbeitung eines beschämenden Kapitels der Vergangenheit.


Die Voestalpine ist in der Minderheit - in der sympathischen Minderheit jener Betriebe nämlich, die sich mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus ganz allgemein und speziell der Frage der Zwangsarbeit auf breiter Basis auseinandersetzen. Hält man sich an österreichische Betriebe, sieht es traurig aus. Zwar hat der Österreichische Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit (vulgo "Versöhnungsfonds") eine Gesamtsumme von 439.254.087 Euro aufgewendet, um rund 132.000 Menschen zu entschädigen, die in Österreich Zwangsarbeit leisten mussten. Doch 2005 wurde der Fonds aufgelöst. Es können heute keine Anträge auf Zahlungen mehr gestellt werden.

Einigen Firmen und Betriebe lassen ihre Rolle während der NS-Zeit und die Beschäftigung von Zwangsarbeitern mehr oder minder zögerlich aufarbeiten. Der Kristallglaskonzern Swarovski etwa sagte 2012 Aufklärung zu und beauftragte 2013 den Wirtschaftshistoriker Dieter Stiefel mit den entsprechenden Nachforschungen. 2012 organisierte auch die Österreichische Bundesbahn die Ausstellung "Verdrängte Jahre", in der die Rolle der Zwangsarbeiter thematisiert wurde. Sie ist derzeit in Brüssel zu sehen.

Sehr wenig ließ indessen der eisenverarbeitende Mischkonzern Steyr-Daimler-Puch zu dem Thema verlauten, obwohl er laut Universitätsdozent Florian Freund "führend bei der Beschäftigung von Zwangsarbeitern war". Freund im Interview mit dem Demokratiezentrum Wien: "Wie mein Kollege Bertrand Perz erforscht hat, beschäftigte Steyr-Daimler-Puch im Herbst 1944 zirka 50.000 Personen, von denen der größte Teil zivile AusländerInnen waren. Zu diesen 50.000 sind zu diesem Zeitpunkt mindestens noch 20.000 bis 30.000 KZ-Häftlinge dazuzuzählen, die in den Statistiken üblicherweise nicht aufscheinen. Sie machten aber einen ganz erheblichen Anteil der Beschäftigten aus, die direkt oder indirekt für die Steyr-Daimler-Puch gearbeitet haben." Nicht nur Stahl- und Eisenverarbeiter gierten nach den Arbeitssklaven: Auch der Marmeladeher-steller Darbo scheint von Zwangsarbeitern profitiert zu haben.

Nicht völlig unerforscht, kaum aber bekannt ist die Zwangsarbeit in Kleinbetrieben, etwa auf Bergbauernhöfen. "Besser gar nicht erst dran rühren" scheint hier das Motto zu sein, dem die großen Betriebe, mit Ausnahme nunmehr der Voest, durchaus auch viel abgewinnen können. Denn so löblich deren vereinzelte Aktionen auch sind: Die breite Aufarbeitung, die geeignet ist, ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu dringen, fehlt nach wie vor.