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Blond und blauäugig

Von Heiner Boberski

Wissen
Die Gebeine des in der Schlacht getöteten Königs sind nun gründlich erforscht.
© University of Leicester

Der neueste Stand der Forschung über König Richard III. von England.


Leicester/Wien. Er hatte fast sicher blaue Augen und zumindest als Kind wahrscheinlich blondes Haar. Der englische König Richard III. dürfte auf einem in der Society of Antiquaries in London erhaltenen Bild (siehe heutige Seite 1), das um 1520 nach einem verloren gegangenen Original gemalt wurde, am besten getroffen sein. Das und noch einiges mehr hat ein internationales Forscherteam, angeführt von der Genetikerin Turi King von der Universität Leicester, herausgefunden und gerade im Fachmagazin "Nature Communications" veröffentlicht.

Wie Turi King erklärte, umfasst die Studie die gesamte genetische und genealogische Analyse zur Identifizierung jenes Skeletts, das man 2012 unter einem Parkplatz in Leicester entdeckt und wegen des Fundortes - dort stand einst das Franziskanerkloster, in dem Richard III. der Überlieferung nach begraben wurde - dem letzten Monarchen aus dem Hause York zugeschrieben hat. Erstmals habe man alle Beweisstränge zusammengetragen und sei nun zu einem Schluss über die Identität dieser Überreste gekommen: "Sogar mit unserer höchst vorsichtigen Analyse ist die Evidenz überwältigend, dass es wirklich die Gebeine von König Richard III. sind, womit der Fall einer über 500 Jahre vermissten Person geschlossen wird."

Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,999 Prozent, so die Forscher, stammt das Skelett von Richard. Eine Analyse der mitochondrialen DNA, die nur von der Mutter auf ihre Kinder vererbt wird, hat Übereinstimmung mit Michael Ibsen und Wendy Duldig ergeben, zwei lebenden Nachkommen der Schwester Richards III., Anne von York. Bei Ibsen war die Reihenfolge der 16.569 Bausteine der mitochondrialen DNA absolut identisch mit dem genetischen Material der Gebeine, bei Duldig fand man eine kleine Abweichung, die sich leicht durch eine zufällige Mutation in späteren Generationen erklären lässt.

Direkte Nachfahren Richards gibt es nicht. In der männlichen Linie sind ausgerechnet Nachkommen seines Urgroßonkels John of Gaunt, der das mit Richard verfeindete Haus Lancaster begründete, Richards nächste lebende Verwandte. Sie stammen aus der Linie des fünften Herzogs von Beaufort, Henry Somerset.

Die auf das Erbgut des Y-Chromosoms bezogene Analyse ergab zwar weitgehende Ähnlichkeit unter diesen lebenden Personen, aber nicht mit dem Erbgut von Richard III., was auf "Kuckuckskinder" in der langen Ahnenreihe schließen lässt. Seitensprünge mit illegitimen Nachkommen findet man in den besten Familien, auch im britischen Hochadel.

Kevin Schürer, Historiker an der Universität Leicester und Leiter der genealogischen Forschungen, hat damit kein Problem: "Die Kombination an Evidenz bestätigt, dass es sich um die Überreste von Richard III. handelt. Besonders wichtig ist die Dreiecksbildung, was die Nachkommen der weiblichen Linie betrifft. Der Bruch in der Y-Linie ist nicht allzu überraschend - Fälle unechter Vaterschaft kommen vor -, er wirft aber interessante spekulative Fragen über Erbfolge auf."

Richard III. starb 1485 in der Schlacht von Bosworth, damit endeten die klassischen "Rosenkriege" zwischen den Häusern York (weiße Rose im Wappen) und Lancaster (rote Rose). Das an die Macht gelangte Haus Tudor ließ kein gutes Haar am getöteten Gegner und machte ihn für alle Schurkentaten seiner Zeit verantwortlich. Zum heimtückischen Bösewicht schlechthin - und zu einer Traumrolle für viele Schauspieler - machte ihn dann William Shakespeares Königsdrama. Richard hatte zwar eine krumme Wirbelsäule, dürfte aber keineswegs so bucklig und hinkend aufgetreten sein, wie er dort dargestellt wird. Seinem Ausruf "Mein Königreich für ein Pferd" folgt im Stück das bittere Ende.

Mehrere tödliche Wunden

Von kaum einer historischen Persönlichkeit wurde das Skelett bisher so genau untersucht. Neun schwere Wunden am Kopf und zwei weitere am Körper haben die Forscher aus Richards Gebeinen herausgelesen. Die tödlichen Kopfverletzungen dürften auf Hiebe mit Schwertern oder Hellebarden zurückzuführen sein. Sie beendeten das Leben eines Königs, der vermutlich ein Halunke war - aber ein blauäugiger.