
Ähnlich kurios liest sich das Gutachten über eindeutig verdorbene Spalterbsenproben aus Rumänien: "Spalterben sollten im Kleinhandel praktisch frei von Verunreinigungen und Beimengungen (Beisatz) sein . . . Das Ausgangsmaterial ist allerdings stark verunreinigt und bewippelt, sodass eine wirkliche Reinigung der Spalterbsen nicht erzielbar ist (. . .) Hingegen entspricht es den berechtigten Interessen des Verbrauchers, dem ja die Unansehnlichkeit der Ware infolge ihres minderen Reinheitsgrades augenfällig ist und der verhalten wird, die Ware auszuklauben, woraus ihm ein Verlust an rationierten Lebensmitteln erwächst, dass bei der Detailpreisfestsetzung der mindere Reinheitsgrad entsprechend berücksichtigt wird."
In den Dokumenten des Marktamtes wurde die vermehrte Beanstandung von Konditorwaren unter Beimengung von Koprarückständen, die verschimmelt, verbrannt, verkohlt und durch Kokoskäfer verunreinigt waren, registriert.
Mangelbewirtschaftung
Am 5. Dezember 1944 (kurz vor der "siebenten Kriegsweihnacht") erteilte die "Kleine Wiener Kriegszeitung" den Hausfrauen noch "Acht Ratschläge", die sich neben effektivem Putzmitteleinsatz und Energiesparmethoden auch mit Lebensmittel befassten: Ist für eine Speise Schnee zu schlagen, so kann man ruhig für je ein Eiklar einen Löffel kalten Wassers beimischen. So erhält man die doppelte Menge Schnee.
Zwiebeln sollen beim Rösten schön goldbraun werden. Deshalb gibt man sie erst in das sehr heiße Fett, von dem man dann auch weniger braucht."
Am 3. April 1945 appellierten der Reichsstatthalter Baldur von Schirach und SS-General Sepp Dietrich an die Bevölkerung Wiens, die Stadt mit allen Mitteln zu verteidigen. An diesem Tag stießen die russischen Truppen bereits in Richtung Traiskirchen vor. Am 4. April erreichte die Rote Armee Mödling und Marschall Fjodor Tolbuchin erließ einen Aufruf "An die Bevölkerung Österreichs". Von all dem scheinbar unbeeindruckt erging am 5. April 1945 aus dem Führer-Bunker in Berlin an alle Gauämter der NSDAP folgender Funkspruch: "Richtlinie für das Leben unter einfachsten Verhältnissen. Die zur Zeit zur Verfügung stehenden Nahrungsmittelrationen liegen im Reichsgebiet unter dem Erhaltungsminimum . . . Hungerödeme werden in den nächsten Monaten in großem Maße auftreten."
Hilflose Empfehlungen
Als Behandlung wird empfohlen: "Absolute Bettruhe, Kalorien und eiweißreiche Nahrung, wenn möglich". Als neuartige Lebensmittel werden angeraten: "Raps, Rapskuchen und Rapsextraktionsschrott, Mohnkuchen und Leinsamen". "Eine Streckung des Brotes durch Ballaststoffe wie Baumflechten, Sägemehl. Baumrinde" wird nicht empfohlen.
Weiter: "Kastanien enthalten wertvolle Stärke, Eicheln werden zweckmäßig geröstet und dann als Getränk (Eichelkaffee) genutzt. Zucker- und Runkelrüben stellen Massengemüse dar. Weitere Massengemüse sind Seradella, Klee, Luzerne, wenn jung geschnitten. Für den Haushalt kommt die Sammlung von Wildpflanzen, Wildbeeren, Wurzeln und Pilze in Frage.
Die Eiweißgrundlage kann durch die Schlachtung von greifbaren warmblütigen Tieren oder durch Sammlung anderer Wildtiere, zum Beispiel Frösche (Fangen mit bunten Lappen, die im Wasser am Ufer entlang gezogen werden) oder Schnecken (Fangen durch Benetzung von Stroh mit gärender oder faulender Masse, eventuell süßen Produkten zum Beispiel Melasse, Obstreste) gesichert werden."
Für die Errichtung von Erdhütten gibt es schließlich folgende Tipps: "Eingang auf der nicht unter dem Wind liegenden Seite legen. Abdecken und Abdichten mit Reisig, Laubwerk, Holz und so weiter) als Lager." Und für das "Leben in Kellern und Erdhütten" wird dringend angeraten: "Feuchte Luft bei Einatmen vorwärmen durch Umhüllung des Kopfes mit lockerem Tuch. Auslüften und Austrocknen der Kleider, so oft irgend möglich."