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Europäer gestern und heute

Von Alexandra Grass

Wissen
Im modernen Europäer finden sich Gene unterschiedlichster früherer Gruppierungen.
© Corbis/Ch. Boisvieux

Vierte Linie kaukasischer Jäger und Sammler identifiziert - Gene finden sich auch aktuell noch.


Cambridge/Dublin/Wien. Vor 13.000 Jahren wanderte noch eine bislang unbekannte vierte Population von Jägern und Sammlern nach Europa ein. Dies zeigt eine Erbgutanalyse eines internationalen Wissenschafterteams. Diese Bevölkerungsgruppe war zuvor aufgrund der Eiszeit für Jahrtausende in den kaukasischen Bergen vom Rest Europas getrennt. Heute finden sich die Gene dieser Vorfahren in fast allen Europäern wieder.

Diese DNA unserer Vorfahren aus dem späten oberen Paläolithikum - der späteren Altsteinzeit - wurde nun erstmals sequenziert. Die Entdeckung der neuen Linie europäischer Jäger und Sammler schließt eine weitere Lücke in der umfangreichen europäischen Geschichte.

Die Erbgut-Linie stammt von jener Gruppe ab, die sich von den westlichen Jägern und Sammlern vor etwa 45.000 abgespalten hat. Erst das Abschmelzen der Eisflächen ermöglichte den Kontakt mit anderen Populationen - vermutlich aus dem Fernen Osten. Das führte wiederum zur genetischen Vermischung und zur Entstehung der sogenannten Jamnaya-Kultur.

Diese waren Steppen-Hirten, die vor etwa 5000 Jahren nach Westeuropa hereinschwappten und den Beginn der Bronzezeit einläuteten. Sie brachten die Kenntnis über den Umgang mit Metall und die Viehzucht.

Genetisches Make-Up ein Mix

"Die Frage, woher die Jamnaya gekommen sind, hatte bis heute etwas Mysteriöses an sich", betont Andrea Manica vom Cambridge Department of Zoology im Fachblatt "Nature Communications". "Wir können jetzt eine Antwort darauf geben, dass ihr genetisches Make-up ein Mix von osteuropäischen Jägern und Sammlern mit einer Population aus dieser Kaukasus-Region ist. Bis jetzt waren wir uns dessen nicht bewusst", erklärt der Forscher.

Bisher hatten alte eurasische Genome nur drei Gruppen gezeigt, die sich in heutigen Europäern in variierenden Anteilen wiederfinden.

In Folge der sogenannten "Out of Africa"-Expansion, bei der sich der Homo Sapiens aus Afrika auf andere Kontinente ausbreitete, zogen einige Jäger und Sammler nach Nordwesten und bevölkerten den größten Teil Europas - Gebiete von Spanien bis Ungarn. Andere Populationen wiederum besiedelten Bereiche um das östliche Mittelmeer und die Levante, wo sich vor etwa 10.000 Jahren die Landwirtschaft entwickelte.

Diese frühen Bauern expandierten weiter und kolonisierten Europa. Schließlich gab es, am Beginn der Bronzezeit vor etwa 5000 Jahren, eine Migrationswelle vom zentralen Eurasien nach Westeuropa - nämlich die der Jamnaya.

Doch die Hälfte ihrer Ahnenreihe verdanken die Jamnaya bislang unbekannten Quellen, wie die DNA zeigt, die aus zwei getrennten Bestattungen in West-Georgien entnommen wurde. Die Knochenfunde waren 13.000 beziehungsweise 10.000 Jahre alt.

Die Forscher fanden überdies heraus, dass diese Vorfahren auch weiter östlich einen wesentlichen Einfluss hatten. Denn eine ähnliche Gruppe musste irgendwann nach Südasien ausgewandert sein, erklärt Eppie Jones vom Trinity College in Dublin. "Indien ist eine komplette Durchmischung von asiatischen und europäischen genetischen Komponenten."

Durchmischung in Indien

Die weite Verbreitung der kaukasischen Jäger und Sammler, die auf ihre lange Isolation folgt, macht Sinn, erklärt Ron Pinhasi vom University College Dublin. "Die Kaukasus-Region befindet sich geradezu an einer Straßenkreuzung der Eurasischen Landmasse. In dieser Umgebung wohl die sensibelste Migrationsroute sowohl für den Westen als auch für den Osten."

Die meisten modernen Populationen sind Mischungen verschiedener Bevölkerungsgruppen unserer Vorfahren. Es gestaltet sich allerdings als schier unlösbare Aufgabe, diese tausende moderner menschlicher Gene zu entwirren und zuzuordnen, heißt es in "Nature Communications". Um unsere genetische Geschichte schreiben zu können, sind daher Daten unserer frühesten Vorgänger immer wieder von großer Bedeutung.