
Damit liegt diese Beamtenfamilie im unteren Drittel der Einkommenspyramide, gemeinsam mit Hauptleuten in der Armee, kleinen Grundbesitzern, oder Gewerbetreibenden. Arbeiterinnen und Arbeiter mussten mit 100 Gulden im Jahr auskommen. Ganz oben sind rund 2000 Personen, mit einem Jahreseinkommen zwischen 20.000 und 40.000 Gulden (235.000 bis knapp 500.000 Euro) aus dem Kreis der höchsten Beamtenschaft, der Generalität, des hohen Klerus und der Kapitalisten.
Die Kosten des Krieges
Einer der profiliertesten Politiker im Neoabsolutismus war Karl Ludwig Freiherr von Bruck, Handels- und Finanzminister. Der Aufsteiger aus dem Bürgertum war einer der Mitbegründer des Österreichischen Lloyd in Triest. Er wollte über Zollverträge Österreich im Deutschen Bund verankern, förderte den Eisenbahnbau, die Gründung von Banken, reformierte das Postwesen. Wenn der Kaiser mit außenpolitischen oder gar kriegerischen Abenteuern die Staatsfinanzen überstrapazierte, musste der Minister Österreich vor schwerwiegenden Folgen bewahren.
Nach der Besetzung weiter Gebiete im heutigen Rumänien im Krimkrieg durch 300.000 Mann mussten die Steuern um 20 Prozent erhöht werden. Vor dem Krieg gegen Frankreich und Sardinien 1859 wären die Alarmglocken rechtzeitig zu hören gewesen: An der Frankfurter Börse stürzten nach ersten Kriegsgerüchten österreichische Staatspapiere auf die Hälfte ihres Wertes. Kaiser Franz Joseph beeindruckte das nicht, er verlor dann höchstpersönlich die Schlacht von Solferino und damit die reiche Lombardei. "Die Monarchie betrieb eine Großmachtpolitik, die mit den finanziellen Verhältnissen nicht in Einklang zu bringen war", urteilt Herbert Matis.
Als Bruck dem Kaiser in persönlicher Audienz von einem Korruptionsfall in der Armee berichtete, beteuerte die 30-jährige Majestät, sie habe volles Vertrauen zu ihm. Zu Hause fand Bruck jedoch sein Entlassungsschreiben vor und verübte Ende April 1860 Selbstmord. Eine Untersuchungskommission brachte später Brucks Unschuld zutage. Als Folge des verlorenen Krieges musste Staatseigentum auf den Markt geworfen werden, Staatsgüter ebenso wie die Eisenbahnen, der Wienerwald entging nur knapp der "Verwertung" durch Spekulanten, und Kaiser Franz Joseph musste Schritt für Schritt vom Neoabsolutismus Abschied nehmen.
Ein Großprojekt konnte er 1857 noch auf den Weg bringen: Die Ringstraße. Das "Allerhöchste Handschreiben" des Kaisers vom 20. Dezember 1857 dazu hatte Innenminister Alexander von Bach entworfen. Trotz zahlreicher öffentlicher Bauten wurde das Projekt eine lukrative Sache, 850 Gebäude wurden zu drei Vierteln von Privaten errichtet. Dabei wurde auch diskutiert, ob Juden Grund erwerben dürften. Bach war dafür, und es entstanden die Stadtpalais unter anderem der Epstein, der Todesco oder der Ephroussi.
Franz Joseph selbst stand den Juden offiziell neutral gegenüber, gestattete sich aber doch persönliche Seitenhiebe, wie Karl Vocelka gegenüber der "Wiener Zeitung" einräumt. So schrieb der Kaiser einmal: "Es wäre schöner, wenn nicht so viele Juden da wären." Einen Antisemitismus wie bei Lueger oder den Deutschnationalen sieht man bei ihm aber nicht, meint Vocelka. "Ich glaube, was er schon gesehen hat, war, dass jüdisches Kapital vorhanden und einsatzfähig war."
Ein hoch politisches Projekt war die Weltausstellung von 1873, Höhepunkt und zugleich Ende der erfolgreichen Gründerzeit in Österreich-Ungarn, wie die Monarchie seit 1867 hieß. Es galt, die außenpolitische Isolation nach den Kriegen 1859 und 1866 aufzubrechen, betont Karl Vocelka: "Man versuchte, sich wieder ins internationale Geschehen einzubringen. Der zweite Aspekt ist, dass es schon einen wirtschaftlichen Aufschwung gegeben hat, in der Gründerzeit. Das sollte der Weltöffentlichkeit gezeigt werden. Und da war Franz Joseph schon sehr dahinter."
Modernisierungsschub
Sein Bruder Erzherzog Karl Ludwig wurde Protektor und Erzherzog Rainer, ein besonders populärer entfernterer Verwandter, wurde Präsident der Weltausstellung. Das Defizit von fast 15 Millionen Gulden, ungefähr fast 180 Millionen Euro, dürfte den Kaiser wenig geschmerzt haben, konnte er doch 66 gekrönte Häupter empfangen.
Wien brachte die Weltausstellung einen Modernisierungsschub: Die heutige Schnellbahnstrecke rund um den Praterstern entstand, die erste Donauregulierung wurde vorgenommen, und der Kaiser eröffnete im Oktober 1873 die erste Hochquellenwasserleitung beim Hochstrahlbrunnen.
Der persönliche Anteil des Kaisers an den Entscheidungen und an den Planungen ist schwer festzustellen. Denn, so Karl Vocelka: "Er war nicht der, der festhält, wer ihm diesen oder jenen guten Rat gegeben hätte. Das ist nicht sein Stil, er ist ja die kaiserliche Majestät. Er hat kein Tagebuch geschrieben, und Leute, die kein Tagebuch schreiben, sind für die Historiker schlimm. Auch wenn man weiß, dass Tagebücher oft mit Blick auf künftige Veröffentlichung geschrieben werden."
Der Börsenkrach
Am "schwarzen Freitag", dem 9.Mai 1873, war es mit der deutsch-liberal geprägten Erfolgsstory vorbei. Der Börsenkrach erschütterte die Monarchie, nur kurz nachdem der Kaiser die Weltausstellung am 1.Mai feierlich eröffnet hatte. Der Investitionsschub rund um die Weltausstellung hat das Spekulationsfieber und den darauf folgenden Börsenkrach noch angeheizt. Selbst hartgesottene Manchester-Liberale riefen nach staatlicher Hilfe. Und der Kaiser kündigte in seiner Thronrede vom 2. Februar 1874 an: Es sollen sämtliche kostspieligen Feiern zu seinem 25-jährigen Regierungsjubiläum unterbleiben und aus den dafür vorgesehenen Mitteln ein "Kaiser-Franz-Josephs-Fonds" zur Unterstützung des Kleingewerbes geschaffen werden. Um Nahrungsmittel für die Ärmsten zu verbilligen, wurden Einfuhrzölle auf Hülsenfrüchte und Getreide ausgesetzt, was aber die ungarischen Agrarier prompt torpedierten.