1874 kam die Wende: Börse und Aktiengesellschaften wurden an den kurzen Zügel genommen. Ein Konjunkturprogramm förderte den staatlichen Eisenbahnbau, nachdem den Privaten das Geld ausgegangen war. Für die Bauwirtschaft gab es Steuererleichterungen.

Trotzdem verfiel die Wirtschaft in eine lange Lähmung. Antikapitalismus, Antiliberalismus und Antisemitismus breiteten sich aus. Wirtschaftsforscher und Historiker Felix Butschek: "Die neue Regierung von Eduard Grafen Taaffe hatte einen ganz anderen Ansatz als das liberale Großbürgertum. Sie war stark beeinflusst von der christlichen Soziallehre mit Verständnis für die Arbeiterschaft, war aber vor allem auch bemüht, die kleinen Handwerksbetriebe zu schützen gegen die Konkurrenz der Industrie, die Konkurrenz des Auslandes, und natürlich die Landwirtschaft zu begünstigen."

Und, so Butschek: "Die neuen Kollektivverträge wurden auch von den Unternehmern begrüßt, weil dann keine wilden Streiks mehr stattgefunden haben. Das alles hat die ökonomische Entwicklung begünstigt, und die soziale sowieso."

Der größte Konzern des Landes, die Alpine Montan, entstand 1881 mit französischem Kapital. Innovationen blieben jedoch oft wegen Kapitalmangels stecken, so das erste Auto von Siegfried Marcus. Eine Ausnahme bildete Carl Auer von Welsbach, der seine Erfindungen in der Lichttechnik unverzüglich der Industrie verkaufte und ein Vermögen machte, Stichwort OSRAM.

Der neue Aufschwung setzte um 1895 ein. Ministerpräsident Ernest von Koerber hat versucht, durch ein Wirtschaftsprogramm den Nationalitätenkonflikt zu entschärfen, was ihm aber nicht gelang.

Angst vor dem Telefon

Der alternde Kaiser hatte immer weniger Anteil an den stürmischen Veränderungen in der Monarchie, stellt Karl Vocelka fest: "Man darf nicht vergessen, als die großen Veränderungen eingetreten sind, so um 1880, 1890, war er ja schon nicht mehr der Jüngste. Er ist - wenn man es radikal ausdrücken will - ein Modernisierungsverweigerer gewesen. Mit dem Telefon hat er sich überhaupt nicht anfreunden können. Sein Kammerdiener Ketterl schreibt, wenn das Telefon geläutet hat, ist er ganz hektisch geworden, und hat gerufen, wo ist der Ketterl, wo ist der Ketterl, damit er ihm das Telefon abhebt." Wenn er eine Fabrik eröffnete oder 1909 die Tauernbahn, wenn er in den Phonographen sprach, so erfüllte er seine Herrscherpflicht, mehr nicht.

Das Automobil benützte er "selten und ungern", bestätigt Karl Vocelka. Er stieg 1908 mit Englands König Eduard VII. in Ischl zum ersten Mal in ein Auto. Ein Jahr später nahm er von der österreichischen Autoindustrie zwar drei Autos in Empfang, die "innigste Freude", die er dabei empfunden haben soll, war laut Vocelka aber bloß eine Höflichkeitsfloskel. Den Kaiser interessierte das Auto höchstens als Transportfahrzeug für die Armee. Trotzdem stand 1914 bei einem Bedarf von 8000 Lastkraftwagen nur knapp die Hälfte zur Verfügung. Erst bei Kriegsausbruch wurde ein LKW-Beschaffungsprogramm erstellt.

Auf den großen, industriell geführten Krieg war die Monarchie 1914 schlecht vorbereitet. Hier nützt ein vergleichender Blick auf die Wirtschaftsdaten: Der Wirtschaftshistoriker Max-Stephan Schulze schätzt für das letzte Friedensjahr 1913 die Wirtschaftsleistung der Monarchie - zu Preisen von 1990 - auf gut 100 Millionen Dollar und die des Deutschen Reiches auf 237 Millionen, zusammen also 337 Millionen. Die Kriegsgegner der ersten Stunde, also Frankreich, Russland und das Vereinigte Königreich kommen mit zusammen 623,5 Millionen Dollar auf das Doppelte.

Die Rüstungsausgaben der Monarchie blieben hinter Deutschland und jenen der Feindmächte deutlich zurück. Ab 1915 wurden Betriebe und Bevölkerung über Kriegsanleihen zur Kasse gebeten. Die Produktion ziviler Güter war zusammengebrochen. In der Rüstungsindustrie waren die Arbeiterinnen und Arbeiter zu erschöpft für eine normale Leistung. Bei Skoda mussten die Menschen bei Nahrungsmangel 110 Stunden in der Woche schuften.

Der greise Monarch erkannte die schlimme Lage. Im Juli 1916 sagte er, so sein Biograph Karl Vocelka, zum Flügeladjutanten Margutti, dass es schlecht stehe: "Die hungernde Bevölkerung im Hinterland kann auch nicht mehr weiter . . . Im nächsten Frühjahr mache ich aber unbedingt Schluss mit dem Krieg. Ich will nicht, dass wir ganz und rettungslos zugrunde gehen!" Doch dazu kam es nicht, der Kaiser starb am 21. November desselben Jahres. Der Krieg ging weiter bis zum bitteren Ende.