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Dickhäutige Lieblinge

Von Thomas Hofmann

Wissen

Im Wien der Jahrhundertwende waren Elefanten sehr begehrte Objekte der Schaulust. 1906 war Schönbrunn der erste europäische Zoo, in dem eine Elefantengeburt glücklich zu Ende ging.


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Sensation im Juli 1906: Das neugeborene Elefantenbaby mit seiner Mutter.
© Sammlung Th. Hofmann

Mongu, Tonga, Drumbo, Tuluba oder Numbi heißen die Publikumslieblinge der Schönbrunner Elefanten mit afrikanischer Abstammung heute. Einstens wurden deren indische Verwandte als Pepi, Mizzi, Mädi oder Lori in die Herzen der Wiener geschlossen.<p>Ist heute in Schönbrunn die Geburt Großer Pandas eine Sensation, sorgte am 14. Juli 1906 "Eine Elefantengeburt in Schönbrunn", konkret Mädi, für Schlagzeilen. Die "Arbeiterzeitung" schrieb über deren Geburt um halb sechs Uhr in der Früh: "Das indische Elefantenweibchen hat ein lebendes kräftiges Junges geboren. Ein gleicher Fall hat sich seitdem mehr als hundertfünfzigjährigen Bestand des kaiserlichen Tiergartens nicht ergeben." Die glückliche Mutter Mitzi (oder Mizzi) ging in die Schönbrunner Annalen ein.<p>

Eine Premiere

<p>Mädi mit einem Meter Länge (ohne Schwanz und Rüssel) und rund 95 Zentimeter Höhe war die erste Lebendgeburt, die (ebenso wie die Zeugung) in einem Zoo Europas stattgefunden hatte. Nur Buenos Aires war dem Tiergarten Schönbrunn etwa ein halbes Jahr zuvorgekommen, aber das hatte man in Europa nicht zur Kenntnis genommen. Stolzer Vater war der asiatische Elefantenbulle Pepi. Die "AZ" zeigte sich vorsichtig zurückhaltend: "Es stellte sich sofort auf die Beine und wird, vorausgesetzt, daß die Mutter es säugt - junge Elefanten trinken zwei volle Jahre lang -, aller Voraussicht nach am Leben erhalten bleiben."<p>Dagegen war die Lesart im "Neuen Wiener Tagblatt" poetisch. "Die Freude der Mutter war eine unbeschreibliche. Sie trompetete ihr Glück in die Welt, der hocherfreute Vater sekundierte, und lärmend gratulierten die anderen Elefanten und die zwei Nashörner."<p>Es sollte alles gut gehen. Mädi lernte mit ihrem Maul, das "rot wie indische Korallen" war, bald das Trinken, überlebte den Ersten Weltkrieg und verstarb erst während des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1944 in Schönbrunn. Sie bekam auch noch zwei Geschwister: Zunächst, im Juni 1911, Greti, die nicht einmal fünf Jahre alt wurde und dann im Mai 1914 Lori, die noch im Kleinelefantenalter von weniger als einem Jahr aus dem Leben schied. Beide Jungtiere mussten ihr Leben während des Ersten Weltkriegs lassen, als auch der Tiergarten Schönbrunn schwere Zeiten durchmachte.<p>Interessanterweise wurde das neugeborene Elefantenkind gleich vorab vom "Tagblatt" in "althergebrachter Schönbrunner Menagerietradition" als "die kleine "Peperl" von Schönbrunn" bezeichnet, wenngleich sie dann Mädi heißen sollte.<p>Zurück zu den glücklichen Elefanteneltern: Am 18. Mai 1896 waren "Pepi" und "Mirzl" in Schönbrunn angekommen. Generalkonsul Norbert Schmucker in Bombay hatte beim Britisch-Indischen Militärdepartment den Ankauf vermittelt, um ihn für die kaiserliche Menagerie zu erwerben. Die Reise von Pepi-Josef und Mirzl-Maria - sind die biblischen Namen Zufall oder Absicht? - in Begleitung zweier indischer Wärter begann an ihrem Geburtsort Khediah und führte 216 Meilen zu Fuß bis Bangalore. Von hier ging’s mit der Bahn 928 Meilen nach Bombay, dem heutigen Mumbai. Dort erfolgte die Einschiffung auf den Lloyddampfer "Imperatrice", der 14 Tage später den Hafen in Triest erreichte. Die Bahn brachte sie zum Hetzendorfer Bahnhof, dort bestiegen sie einen Möbelwagen, der sie in ihre neue Wohnung, sprich Gehege, brachte.<p>Das Männchen Pepi - "das geht bei einem Schönbrunner Elephanten schon nicht anders" ("Neuigkeits-Welt Blatt", 7. Juni 1896) - war jünger (5 Jahre) und mit einem Meter achtzig kleiner als die über zwei Meter große 7-jährige "Mirzl", die bald zur Mizzi wurde. Das neue Elefantenhaus war "zweieinhalbmal so groß als das alte" verfügte über eine "Bade- und zwei Reserve-Abtheilungen" sowie "vier große, vornehin mit starken Eisenstäben vergitterte Logen". Davon waren zwei für die Elefanten bestimmt, die dritte für das Nashorn und die vierte für ein Flusspferd, das schon lange auf der Wunschliste des Zoos stand, aber erst 1909 kam.<p>Offensichtlich war im 19. Jahrhundert der Name Pepi oder Pepperl ein Muss für Elefanten in Wien. Ob man damit an Kaiser Joseph II. erinnern wollte, ist unklar, wäre aber denkbar. Jedenfalls gab es aber mehr als einen "Schönbrunner Pepi".<p>Einer der legendärsten war jener, der am 20. Jänner 1875 verstarb, daher verwundert die emphatische Todesnachricht im "Illustrirten Wiener Extrablatt" vom 23. Jänner keineswegs: "Der Schönbrunner Pepi hat seine große Seele - denn jedenfalls läßt seine körperliche Größe auch auf eine derselben ebenbürtige Seele schließen - ausgehaucht. [. . .] Im blühendsten Alter wurde er durch den Tod hinweggerafft, 26 Sommer nur zählte er, und mußte dennoch, betrauert von seiner liebenden Gemahlin, in die Grube sinken. Freilich wird diese Grube kolossal genug sein müssen, denn Elephanten sind groß und der ‚Schönbrunner Pepi’ war der allen Wienern wohlbekannte schöne Elephant der Schönbrunner Menagerie. Er ruhe sanft."<p>Knochentrocken liest sich dagegen die Todesnachricht im "Neuigkeits-Welt Blatt" vom 22. Jänner, wo es hieß, dass der Elefant "die Summe von 20.000 Gulden" gekostet habe; demgegenüber hatte die "Presse" berichtet, dass er um 3000 Gulden im Jahr 1853 zusammen mit dem noch lebenden Weibchen gekauft worden war.<p>

Die genaue Rechnung

<p>Klarheit über die widersprüchlichen Preise verschafft ein Akt, den der Historiker des Tiergartens, Gerhard Heindl, im Haus-, Hof- und Staatsarchiv ausfindig machen konnte. Dem "Vortrag an Kaiser Franz Josef" vom 10. Juli 1853 ist zu entnehmen, dass die Tiere 620 Pfund Sterling gekostet haben, für den Transport 302 preußische Thaler 28 Groschen anfielen, was dann schlussendlich Gesamtkosten von 7284,10 Gulden ausmachte. Interessant ist ein buchhalterischer Vermerk, wonach der Betrag noch für das Jahr 1852 verbucht werden sollte.<p>Der arme Pepi war im Sommer 1874 unglücklich gestürzt und hatte sich am linken Fuß verletzt, gegen Ende des Jahres wurde der Fuß eitrig, sodass sich der Gesundheitszustand des Tieres zunehmend verschlechterte. Da Pepi nicht mehr selbstständig aufstehen konnte, schlief er in einer Hängematte, die seinen schweren Körper hielt. Ständig waren Tierärzte zu Besuch, um den Krankheitsverlauf zu beobachten, schließlich meinten "Professoren des Thierarznei-Instituts", dass "der Tod des Elephanten über kurz oder lang eintreten müsse." So "Die Presse" vom 21. Jänner 1875. Da Pepis Kadaver einen "widerlichen Geruch" hatte, kam er nicht wie sonst bei Zootieren üblich in das Naturhistorische Mu-seum (NHM), sondern wurde in einer riesigen, eilends gegrabenen Grube im Fasangarten auf dem Areal des Schlossparks Schönbrunn beerdigt.<p>Damals war es üblich, dass verstorbene Zootiere ins Museum gelangen, sprich ins kaiserliche Hof-Naturalien-Cabinet, das sich in der Hofburg befand. Diese Vorläuferorganisation des heutigen NHM hatte ihre Adresse zunächst im Leopoldinischen Trakt und später im Augustinertrakt am Josefsplatz, in den Räumlichkeiten der heutigen Nationalbibliothek. Mit dem Baubeginn des Museums am Ring 1871 hatte die stete Platznot ein Ablaufdatum. Sobald es möglich war, wurden die Objekte übersiedelt, und so schreibt "Das Vaterland" am 20. Mai 1886: "Heute Vormittags wurde der ausgestopfte Elephant des Hof-Naturaliencabinetes aus dem alten Locale auf dem Josephsplatze in das naturhistorische Hofmuseum transportirt. Es ist dies jenes Thier, welches fast ein Vierteljahrhundert der Schönbrunner Menagerie angehörte und bei den Wienern sehr beliebt war. Im Jahre 1883 ging es ein, und die Haut sowie das Skelet wurden für das Hof-Naturaliencabinet präparirt. Der Transport des Kolosses erregte begreiflicherweise großes Aufsehen." Hier passierten dem Schreiberling zwei Fehler, denn der hier angesprochene Indische Elefant kam schon 30 Jahre früher, im April 1853, vom Zoo ins Museum, wo er sich seit 1840 befand; somit geht sich das mit dem Vierteljahrhundert nicht aus.<p>

Ausgestopft im Museum

<p>Nach einer exklusiven Presseführung durch den Intendanten Hofrat Franz v. Hauer höchstpersönlich im noch unfertigen Museum lobte die "Presse" (20. Jänner 1888) ein "prächtig gelungenes Exemplar der schon an die Leistungen der Thierplastik streifenden Ausstopfkunst": den "Schönbrunner Pepi", "der große, dem alten und dem jungen Wien wohlbekannte Elephant aus der kaiserlichen Menagerie".<p>Mit der Eröffnung des Museums am Samstag, dem 10. August 1889, wobei natürlich auch der Kaiser 2½ Stunden anwesend war, erschien dann auch der obligate Museumsführer, den Hauer verfasste und in dem - nach Sälen geordnet - die Objekte beschrieben wurden. Dazu der Intendant im Originalwortlaut: "Hier [Saal XXXIV] sind die grössten Landsäugethiere mitsammt ihren Skeleten zusammengestellt. Vor Allem der indische und der afrikanische Elefant, Elephas indicus und E. africanus, zwei nahe Verwandte, aber doch verschiedene Arten. Die beiden aufgestellten Exemplare kamen aus der Menagerie in Schönbrunn in das Museum; der erste, von den Wienern der ‚Schönbrunner Pepi’ genannt, verendete, 20 Jahre alt, im Jahre 1853, der zweite musste im Alter von 15 Jahren mit Cyankali vergiftet werden (1883), da er, wahrscheinlich in Folge der Schmerzen, welche ihm ein cariös gewordener Stosszahn verursachte, wüthend wurde."<p>Heute sind hier drei Elefanten zu sehen, und Frank E. Zachos, Leiter der Säugetiersammlung, hat sie im Griff. Demnach ist der linke Ausgestopfte (Dermoplastik) der "Schönbrunner Pepi". Daneben steht das Skelett des Afrikanischen Steppenelefanten, der - wie oben erwähnt - 1883 vergiftet werden musste.<p>Der dritte und größte, wieder eine Dermoplastik, ist kein Schönbrunner; er kam erst 1981 aus dem Hwange-Nationalpark (ehemals Wankie Nationalpark) in Simbabwe nach Wien.<p>

Thomas Hofmann, geboren 1964, ist Leiter von Bibliothek, Verlag und Archiv der Geologischen Bundesanstalt in Wien. Zahlreiche Veröffentlichungen zu geologischen und regionalen Themen.