Aber Gedye hatte auch enge Kontakte zur konservativen Seite, insbesondere zu Leuten, die einen antinazistischen "record" hatten. Er kannte Bundeskanzler Figl persönlich und übersetzte 1948 für dessen Pressedienst das "Österreichbuch" ins Englische, eine Selbstdarstellung politischer Unschuld par excellence. Die Verbindung lief über Fritz Meznik, der als Wehrmachtsdeserteur 1945 in Paris die Österreich-Sendungen des US-Militärradios gestaltet hatte und bald Leiter des Bundespressedienstes wurde.

Bereits in der Ersten Republik hatte Gedye von einer Koalition aus Sozial- und Christdemokraten geträumt, um den "Anschluss" abzuwenden. Was vor 1938 ein Wunschtraum geblieben war, sah er nach 1945 als Königsweg zu einer stabilen Demokratie. Nun war es die politische Praxis der kommunistischen Parteien in Zentraleuropa, die er als antidemokratisch ablehnte und nach Kräften bekämpfte. In internationalen Medien zog er alle Register, um Österreich als Bastion der europäischen Demokratie gegen Kritik welcher Art auch immer zu verteidigen. Er war ein Imagebildner, auf den sich die politische Elite Österreichs ungefragt verlassen konnte.

Umgekehrt standen ihm die Türen am Ballhausplatz offen. Rund um die Unterzeichnung des Staatsvertrags lotete er erstmals aus, ob Österreich RFE dulden würde. Vom österreichischen Botschafter in Moskau, Norbert Bischoff, hatte Gedye vernommen, dass die Zeit abgelaufen sei. Kreisky, Staatssekretär im Außenamt, versicherte hingegen, dass es keinerlei Einschränkungen geben werde. Das folgende Arrangement mit Meznik und dem Chef der Staatspolizei, Maximillian Pammer, sah vor, dass RFE weiter ungehindert Flüchtlinge interviewen konnte.

Schwere Vorwürfe

Doch im Oktober 1955 beschuldigte ÖVP-Staatssekretär Graf den Sender, Osteuropäer zur Flucht nach Österreich zu animieren. Auch die KPÖ trommelte gegen RFE. Neuerlich musste Gedye, der in der RFE-Zentrale in München arbeitete, nach Wien ausrücken. In Gesprächen mit Innenminister Helmer (SPÖ) und Bundeskanzler Raab (ÖVP) protestierte er gegen Grafs Aussagen. Zugleich warnte er vor jeder Einschränkung des Asylrechts. Beide Politiker beruhigten Gedye: Weder Asylrecht noch RFE würden angetastet.

Doch als die Staatspolizei im Winter 1955/56 daran ging, RFE-Mitarbeiter stärker zu kontrollieren, fürchteten die Amerikaner ein nahes Verbot. Das wäre für das Image des Senders in Osteuropa fatal gewesen. Nun übernahm Gedye die Leitung der Wiener Dependance. Tatsächlich gelang es ihm, in Gesprächen mit Figl, Meznik, Kreisky und Helmer die "freundliche und hilfreiche" Haltung wieder herzustellen. Davon profitierte RFE in der Schwungphase der ungarischen Revolution. Am 31. Oktober informierte Gedye die Behörden, dass seine Reporter die Grenze nach Ungarn überschritten. In den wenigen Tagen bis zur Niederschlagung des Aufstandes fertigten sie einzigartige Dokumente über die Revolte und ihre Räte in Westungarn an, eine Leistung, die in der üblichen Kritik an RFE selten erwähnt wird.

Die Haltung der österreichischen Behörden änderte sich erst mit der gewaltsamen Wiederherstellung der sowjetischen Ordnung, die zur Massenflucht nach Österreich führte. Mitte November konfrontierte Pammer RFE-Vizedirektor Mitchie mit schweren Vorwürfen. RFE habe die Ungarn zur Revolte aufgestachelt, zur Flucht nach Österreich animiert und eine Flüchtlingsflut ausgelöst. Mitchie erhielt ein Ultimatum: Freiwilliger Abzug oder Landesverweis.

Kurzes RFE-Verbot

Pammer belegte die Kritik nicht konkret. Aber es ist evident, dass er sich auf Behauptungen in Deutschland stützte, RFE hätte den Aufständischen militärische Hilfe des Westens versprochen. Auch die massive Kritik aus der Sowjetunion zeigte Wirkung. Pammer beschuldigte RFE nun "politisch-nachrichtendienstlicher Tätigkeit". Damit wurden RFE-Reporter zu "unerwünschten Ausländern". Für Gedye war diese Nachricht gewiss ein Schock. Tatsächlich standen die Zeichen auf Verbot.

Pammer wiederholte in einem Briefing für Bundeskanzler Raab den zentralen Vorwurf: Anstiftung zur Flucht nach Österreich. Kurz darauf informierte Raab den Ministerrat, dass er beabsichtige, RFE in Österreich abzudrehen. Doch auch Mitchie und Gedye blieben nicht untätig. Gedye vertraute nun aber nicht mehr auf seine Wiener Drähte, sondern empfahl eine Intervention aus Washington. Es dauerte nicht lange, ließ US-Botschafter Thompson Außenminister Figl wissen, dass jede Maßnahme gegen RFE das Ansehen Österreichs in den USA schwer beschädigen würde. Das Verbot war - wie Gedye erwartet hatte - rasch vom Tisch.

Wahrscheinlich gab es wenige Radiosendungen, über die so viel behauptet wurde, wie über jene des RFE nach Ungarn im Herbst 1956. Obwohl in den Archiven unter mehr als 500 in Frage kommenden Sendungen bisher nur ein Kommentar gefunden wurde, in dem tatsächlich von der Möglichkeit einer westlichen Intervention die Rede war, hält sich der Mythos zäh, dass der Sender die Opposition zum Kampf gegen die Sowjets verleitet habe. Mit dem Vorwurf der Fluchthilfe musste sich RFE allerdings nur in Österreich beschäftigen. Bezeichnenderweise verschwand Österreich dann auch für einige Zeit aus dem Programm des Senders.