Herbst 1956. Nur elf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges spitzt sich die internationale Lage zu, ein neuer Krieg droht. In Europa erheben sich die Ungarn gegen die sowjetische Besatzung (siehe Artikel). Zugleich steigen die Spannungen im Nahen Osten, der für den weltweiten Schiffsverkehr so wichtige Suezkanal steht im Mittelpunkt eines sich anbahnenden Konflikts.
Aber blicken wir zurück: nach zehnjähriger Bauzeit wurde 1869 mit großem Pomp der Suezkanal eröffnet. Der Seeweg zwischen Europa und Asien verkürzte sich mit einem Schlag um 7000 Kilometer - und eine europäische Großmacht war besonders an dieser neuen Schifffahrtsroute interessiert: nämlich Großbritannien.
Für die Briten war der Kanal wegen der Kolonien in Indien von großer Bedeutung - und so setzten sie viel daran, die Kontrolle über diesen Transportweg zu erlangen. 1882 war es soweit: Großbritannien konnte Ägypten besetzen und beherrschte damit auch den Suezkanal. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Ägypten zwar ein unabhängiges Königreich, Großbritannien durfte allerdings weiterhin Truppen entlang des Suezkanals stationieren.
Abzug bis 1956
Der ägyptische Widerstand gegen die britische Präsenz im Land wuchs aber stetig und so musste Großbritannien nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges einen Vertrag schließen, der den Abzug seiner Truppen bis zum Jahr 1956 vorsah. Doch das Militär putschte in Kairo, stürzte König Faruk und in der Folge übernahm General Gamal Abdel Nasser die Macht am Nil. Er schloss sich der Bewegung der Blockfreien an, wollte die Polarität des Kalten Krieges nutzen und den Osten gegen den Westen ausspielen.
Nassers Prestigeprojekt war die Vergrößerung des Staudammes von Assuan; dadurch sollte die Wirtschaft gefördert und Ägypten von Nahrungsimporten unabhängig gemacht werden. Aber weder die Vereinigten Staaten noch Großbritannien gewährten die dafür notwendigen Kredite, und so entschloss sich Nasser zu einem radikalen Schritt - und verstaatlichte den Suezkanal. Die Gebühren für die Durchfahrt sollten nun nicht mehr den überwiegend britischen und französischen Aktionären, sondern dem ägyptischen Staat zugutekommen und den Ausbau des Staudammes in Assuan sicherstellen.
Mit einem Schlag hatte sich Nasser die Feindschaft Großbritanniens und Frankreichs zugezogen. Die beiden europäischen Großmächte sahen durch die Verstaatlichung ihre wirtschaftlichen, aber auch politischen Interessen gefährdet. London fürchtete um die Freiheit der Schifffahrt und um seinen Einfluss im ölreichen Nahen Osten. Paris betrachtete Nasser aus einem ganz anderen Grund als einen großen politischen Gegner: der Ägypter unterstützte nämlich den Aufstand der Algerier gegen Frankreich und bot den Rebellen in Kairo eine Rückzugsmöglichkeit.
Es gab aber noch einen weiteren Staat, der über die Politik Nassers sehr besorgt war: Israel. Ägypten rüstete zu dieser Zeit massiv auf und erlaubte Palästinensern, sein Staatsgebiet für Angriffe auf Israel zu nutzen. Ein Bündnis zwischen Großbritan- nien, Frankreich und Israel gegen Ägypten schien also naheliegend. Nasser sollte durch eine militärische Intervention in seine Schranken gewiesen werden. Die Sicherheit Israels wäre dadurch wieder hergestellt - und die beiden europäischen Staaten könnten mit solch einem Eingriff ihren Status als Großmächte festigen.
Bald darauf begannen Verhandlungen zwischen den drei Staaten, und dabei wurde folgendes Szenario entworfen: Israel sollte am Sinai angreifen und in Ägypten eindringen. Großbritannien und Frankreich würden danach beide Kriegsparteien auffordern, die Kämpfe zu beenden und zur Sicherung des Waffenstillstandes Truppen entlang des Suezkanals stationieren, um die israelische und ägyptische Armee voneinander zu trennen. Der Kanal wäre damit wieder unter europäischer Kontrolle.
Zeitgleich mit diesen Planungen wurde auch die Öffentlichkeit auf einen militärischen Einsatz eingestimmt. Nasser wurde von britischen und französischen Politikern mit Hitler und Mussolini verglichen, dem nur mit einem entschlossenen Vorgehen entgegengetreten werden könne. Auch die internationale Konstellation im Herbst 1956 erschien den Briten und Franzosen besonders günstig, um im Nahen Osten zu intervenieren. In den USA sollten Anfang November Präsidentschaftswahlen stattfinden und in London und Paris ging man davon aus, dass Washington während des Wahlkampfes mit sich selbst beschäftigt sein würde. Zur gleichen Zeit musste die Sowjetunion die eigene Herrschaft in Ungarn sichern und so erwartete man auch von dieser Seite keine vehementen Reaktionen. Schließlich unterzeichneten Großbritannien, Frankreich und Israel im Pariser Vorort Sèvres ein Protokoll, in dem der detaillierte Ablauf der Kämpfe festgehalten wurde.
Beginn des Angriffs
Am 29. Oktober 1956 war es soweit, der Angriff auf Ägypten begann. Israelische Truppen drangen auf die Halbinsel Sinai vor. Wie geplant riefen Großbritan-nien und Frankreich die beiden Konfliktparteien auf, die Kämpfe einzustellen und eine zehn Meilen breite Zone zu beiden Seiten des Kanals freizumachen, in der britische und französische Truppen stationiert werden sollten.