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Der verfolgte Journalist

Von Wolfgang Ludwig

Wissen

Christian Friedrich Daniel Schubart, scharfer Kritiker des Absolutismus im Herzogtum Württemberg, erlangte vor allem als Texter des Schubert-Liedes "Die Forelle" Bekanntheit.


Das im Liedtext Schubarts beschriebene ländliche Idyll und das Treiben der "launischen Forelle" wird durch einen listigen Fischer, dem es gelingt, den Fisch zu fangen, jäh gestört. Soweit zum Lied. Die vierte Strophe, in der Schubart einen Vergleich mit Mädchen herstellt und diese vor bösen Verführern warnt, lässt der Komponist Schubert weg.

Dabei geht es dem Texter gar nicht so sehr um Mädchen. Schubart will sein eigenes Schicksal als Warnung andeuten. Er wagt es jedoch nicht, dieses direkt anzusprechen, denn er sitzt, als er den Text schreibt, gerade im Gefängnis und befürchtet Haftverlängerung im Falle weiterer politischer Äußerungen.

Christian Friedrich Daniel Schubart hatte das Pech, am 24. März 1739 in Obersontheim bei Stuttgart geboren zu werden - in einem für die Bewohner nicht sehr angenehmen Land. Denn Landesfürst Karl Eugen regierte in Württemberg absolutistisch und hatte einen aufwändigen, luxuriösen Lebensstil zu finanzieren.

Missliebiger Kritiker

Im Jahr 1769, mit 30 Jahren, nahm Schubart eine Stelle als Organist und Musikdirektor in Ludwigsburg an - und fiel dem ansässigen Adel durch Kritik an der Aristokratie bald ziemlich negativ auf. Nach vier Jahren erhielt er von Karl Eugen einen Landesverweis (wie einige Jahre später auch Friedrich Schiller).

Schubart ging nach Augsburg und betätigte sich dort als Herausgeber einer kritischen Zeitschrift, der "Teutschen Chronik", in der er die Jesuiten heftig angriff. Dadurch machte er sich auch in Augsburg sehr bald unbeliebt. Die Zeitschrift wurde verboten, und der Herausgeber abermals mit einem Aufenthaltsverbot belegt.

In seinem nächsten Wohnort, in Ulm, setzte Schubart seine Kritik im Wege der Zeitschrift weiter fort. Er thematisierte wiederum den teuren Lebensstil am Hof, die Verschwendungssucht, die pompösen Jagden und die gleichzeitige Verelendung der Massen. Für den Freiheitskampf der amerikanischen Kolonisten äußerte er Sympathie. Zu weit ging er aber mit seiner heftigen Kritik an der üblen württembergischen Praxis des Truppenverkaufs an die englische Krone für den Kolonialkrieg. Dabei wurden Jugendliche ärmeren Familien einfach weggenommen oder billigst abgekauft und gegen ein Vielfaches als Soldaten nach England weiterverkauft.

Auch Schubarts abfällige Äußerungen an der von Karl Eugen gegründeten Militärakademie "Carlsschule", die er als "Sklavenplantage" bezeichnete, kamen am Württembergischen Hof nicht gut an. Diese Schule sollte die Zöglinge unter strengem Drill zu ge-treuen Dienern des Fürstentums heranziehen. Für Karl Eugen völlig untragbar war schließlich Schubarts Verspottung seiner Mätresse Franziska von Hohenheim.

Durch eine Intrige wurde der in Ulm lebende Schubart im Jänner 1777 auf württembergisches Staatsgebiet gelockt, sofort verhaftet und ohne Gerichtsverfahren auf der Festung Hohenasperg (bei Ludwigsburg) inhaftiert. Auf die Umstände der Verhaftung bezieht sich wohl - in verfremdeter Form - die erwähnte vierte Strophe des Gedichtes "Die Forelle", in der es vordergründig um die Warnung an die Mädchen geht.

Schubart musste auf der Festung zur Umerziehung zehn Jahre unter anfangs sehr harten Bedingungen ausharren. Carl August ließ es sich nicht nehmen, bei der Einkerkerung seines persönlichen Feindes selbst anwesend zu sein. Auf ein Gnadengesuch von Schubarts Ehefrau Helena antwortete der Fürst: "Waß aber ihren Mann betrifft (. . .), soll Sie einen gebesserten Mann wieder bekommen, gegenwärtig ist Er aber noch immer auf irrwege."

In einem "grauen, düsteren Felsenloche" wurde Schubart eingesperrt, ein schmutziges Strohlager und ein qualmender Eisenofen waren die einzigen Einrichtungsgegenstände. Die Feuchtigkeit griff seine Gesundheit an, Isolation und Schreibverbot sollten seine geistige Austrocknung bewirken. Erst nach Jahren erhielt er religiöse Literatur, Schreiberlaubnis und andere Hafterleichterungen. Festungskommandant Rieger, früher selbst Opfer einer fürstlich angeordneten "Umerziehung", erläuterte das angestrebte Ziel der Haft: "Sie haben Schiffbruch gelitten (. . .) und nur noch ein Brett ist für sie übrig - die Religion."

Schreiben in der Haft

Während seines gesamten Aufenthaltes wurde Schubart nie verhört, es gab keine Anklage und keinen Prozess. Der Häftling entwickelte Kreativität, um doch schreiben zu können. Er schaffte es, seinen Essenszuträger für sich zu gewinnen und diktierte ihm das 26 Strophen umfassende Gedicht "Die Fürstengruft", in dem er erneut seinen Hass auf Herzog Karl Eugen zum Ausdruck brachte. Im Dezember 1780 erschien das Gedicht im "Frankfurter Musenalmanach" mit Nennung des Autors. In dem Text geht es da-rum, dass jedem Despoten einmal ein göttliches Endgericht und ewige Verdammnis drohe. Eine sofortige vom Fürsten verordnete Haftverlängerung war die Folge.

Spätere Festungskommandanten gewährten dem Häftling jedoch Erleichterungen und gestatteten sogar Besuche. Friedrich Schiller, von "Die Fürstengruft" schwer beeindruckt, gelang es im November 1781, eine Besuchsgenehmigung auf Hohenasperg zu erlangen, was für Schubart einen der wenigen Lichtblicke während der Haftzeit bedeutete.

Selbst ein Ofenrohr, das Schu-barts Zelle mit der eines anderen Häftlings verband, wurde von ihm zum Diktat genutzt. Auf diese Weise entstand seine posthum, ab 1792 publizierte Lebensgeschichte. Auch "Die Forelle" wurde auf Hohenasperg geschrieben. Ein genaues Datum ist nicht bekannt, möglicherweise verfasste Schu-bart das Gedicht im sechsten Jahr seiner Gefangenschaft. Man kann unschwer erahnen, mit welcher Wehmut die Erinnerungen an die idyllische Natur, an ein "Bächlein helle" für den Häftling verbunden sein mussten.

Trotz zahlreicher Fürbitten blieb Schubart zehn Jahre lang eingekerkert und wurde erst im Mai 1787 freigelassen. Danach wurde er vom Fürsten, der seinen ehemaligen Feind seltsamerweise nun begünstigte, sogar mit der Stelle des Musik- und Theater-
direktors am Hofe in Stuttgart belohnt. Auch durfte er wieder eine Zeitschrift herausgeben, in der er sich intensiv mit der Französischen Revolution auseinandersetzte. Der Herzog sicherte ihm sogar Zensurfreiheit zu. Was zu dem überraschenden Sinneswandel des Herzogs geführt hat, ist nicht bekannt.

Nur vier Jahre waren Christian Friedrich Daniel Schubart in Freiheit vergönnt. Da seine Gesundheit durch die lange Haft stark angegriffen war, starb er zweiundfünfzigjährig am 10. Oktober 1791 in Stuttgart. Er hinterließ seine Frau Helena, die 1819 in Armut starb, und zwei Kinder.

Lebendig begraben

Ein Gerücht, das hoffentlich nicht wahr ist, besagt, Schubart sei im Zustand der Bewusstlosigkeit begraben worden. Im Grab sei er wieder zu sich gekommen und hätte sich die Nägel am Sargdeckel blutig gekratzt, bevor er endgültig starb. Bei einer Sargöffnung wegen angeblicher Geräusche hätte man ihn auf dem Bauch liegend mit blutig gekratzten Nägeln gefunden. Der Dramatiker Heiner Müller beschrieb dieses Gerücht zuletzt 1995.

Franz Schubert, der den Text Schubarts bewunderte, verfasste mindestens fünf Vertonungen des Forelle-Gedichtes, von denen die meisten aber verloren sind.

Christian Friedrich Daniel Schubarts Schicksal gleicht durchaus jenem, das auch heute Journalisten, Bloggern und Publizisten in nicht allzu fernen Ländern zu erwarten haben, wenn sie sich mit den Mächtigen anlegen. Ob sie allerdings nach vollzogener Strafe auch derart begünstig würden, bleibe dahingestellt.

Literatur:Fritz Streitberger: Ein feuriger Rebell. Die Lebensgeschichte des Chr. F. Daniel Schubart. Frieling Verlag, Berlin 2011.