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Dino-Stammbaum neu

Von Alexandra Grass

Wissen

Eine Jahrhunderte geltende Theorie wurde von britischen Forschern nun auf den Kopf gestellt.


Cambridge/Wien. Die seit einem Jahrhundert geltende Theorie über die Evolution der Dinosaurier haben britische Forscher nun mit einem Schlag auf den Kopf gestellt. Ihren Erkenntnissen zufolge muss sowohl der Stammbaum der Urzeitgiganten umgeschrieben als auch ihre Herkunft neu definiert werden.

Seit 130 Jahren arbeiten Paläontologen mit einem speziellen Klassifikationssystem, in dem die Dinosaurier in zwei Hauptgruppen unterteilt sind - in die Vogelbeckensaurier (Ornithischia) und die Echsenbeckensaurier (Saurischia). Doch jetzt schlussfolgern die Forscher um Matthew Baron von der University of Cambridge nach umfangreichen Analysen dutzender fossiler Skelette, dass diese lange festgeschriebenen Familiengruppierungen falsch sein könnten und die traditionellen Namen letztendlich geändert werden müssen.

Im Jahr 1842 waren Dinosaurier noch gesamt als eine Gruppe fossiler Reptilien wahrgenommen worden. Über weitere Dekaden hinweg, in denen mehr und mehr Überreste identifiziert worden waren, wurden die unterschiedlichen Spezies mit eigenen Namen versehen. Erst in der späten zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde realisiert, dass sich die Tiere anatomisch unterscheiden. Der britische Paläontologe Harry Govier Seeley unterteilte sie schließlich in die Vogel-ähnlichen Ornithischia und die Echsen-ähnlichen Saurischia. Grundlage dieser Unterscheidung sind eben die Beckenknochen der Tiere.

Vogel- und Echsenbecken

Kurzfristig wurden sie sogar in drei Familien unterteilt: In die schon bekannten Ornithischia sowie die Sauropoden, zu denen etwa der Brontosaurus zählt, und die Theropoden, denen der T.Rex angehört. Seeley fasste allerdings die letzteren beiden Gruppen zu den Echsenbeckensauriern zusammen. Lange hatte man gedacht, dass diese beiden Familien keine Verwandtschaftsverhältnisse verbindet und diese unabhängig voneinander entstanden waren. Spätere Studien zeigten wiederum, dass alle Tiere von einem einzigen Urahn stammen.

Jetzt kommt die aktuelle Analyse ins Spiel, die im Fachblatt "Nature" veröffentlicht ist: Ihr zufolge müssen die Vogelbeckensaurier überraschenderweise mit den zum größten Teil fleischfressenden Echsen-beckigen Theropoden zu einer Gruppe zusammengefasst werden. Es sei auch schon lange bekannt gewesen, dass sich Vögel auch aus den Theropoden herausgebildet hatten. Die nunmehrige Neuorganisation des Stammbaums zeigt zudem, dass sowohl die Ornithischia als auch die Theropoden das Potenzial hatten, diese Vogelstrukturen zu entwickeln. Und so taten sie es auch schon zu unterschiedlichen Zeiten in der Geschichte, so die Forscher.

"Die fleischfressenden Theropoden waren mit den pflanzenfressenden Vogelbeckensauriern viel enger verwandt als gedacht" - und manche Tiere, wie der Diplodocus (ein Sauropode), würden wiederum gar aus der traditionellen Übergruppierung der Dinosaurier herausfallen und demnach einen anderen Namen tragen müssen, betont Baron. Um dies aber zu verhindern, müsste die Definition des Dinosauriers so verändert werden, dass der Diplodocus mit all seinen Verwandten weiterhin als Dino klassifiziert werden könne.

Die nun neu entstandene Gruppierung wiederum nennen die Forscher übrigens Ornithoscelida, wodurch ein Begriff wieder auflebt, der schon 1870 vom britischen Evolutionsbiologen Thomas Henry Huxley geprägt worden war.

Gondwana und Laurasia

Neben dem Stammbaum gibt es auch eine unerwartete Neuerung in Bezug auf die Herkunft. Lange Zeit waren Forscher überzeugt, dass die Dinos aus der südlichen Hemisphäre vom Urzeitkontinent Gondwana kommen. Die bisher ältesten Fossilien wurden auch in Südamerika entdeckt. Eine neuerliche Prüfung hat nun ergeben, dass die Giganten auch von der nördlichen Landmasse Laurasia stammen könnten. Daher müsse auch daran gedacht werden, dass die beiden Kontinente zur Zeit der Dinos näher beieinander lagen als angenommen, so die Forscher.