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Ist da jemand?

Von Eva Stanzl

Wissen

Kunst sucht nach neuen Geldquellen - Spender sind willkommen. Doch die Großzügigkeit gibt es nicht umsonst.


"Vergolden Sie die Kuppel": Dazu ermutigt ein Postwurf der Wiener Secession Österreichs Haushalte. Für eine Spende von je 100 Euro können die Bürgerinnen und Bürger einem Blatt vom "goldenen Krauthappel", wie manche Einwohner der Bundeshauptstadt das kunstvolle Schmiedewerk nennen, neuen Glanz schenken.

Die 1897 nach den Plänen von Josef Olbrich errichtete Secession zählt zu den bedeutendsten Jugendstilbauten der Welt. Ihre von Weitem sichtbare goldene Kuppel aus Lorbeerranken formt sich aus 2500 Blättern und über 300 Beeren. Im Krieg war sie ausgebrannt und wurde 1986 durch den US-Mäzen Ronald Lauder restauriert. Nun haben die Goldtöne ihre vielfältigen Lichtreflexe an Wind, Wetter und Abgase verloren. Das Blattwerk rostet. Daher wird es Zweig um Zweig abgenommen, nummeriert, sandgestrahlt und neu vergoldet. Kommendes Jahr soll es wieder neu erstrahlen.

400 Blätter haben bereits ihre Spender gefunden. Die Maßnahme erinnert an Kardinal Innitzers "Dachziegelaktion" für den am 11. bis 13. April 1945 ausgebrannten Stephansdom. Die Menschen Wiens konnten Dachziegel um je fünf Schilling kaufen. (Derzeit läuft eine ähnliche Aktion für die Orgelpfeifen.)

Doch sollten, müssten die Bürgerinnen und Bürger eines Hochsteuerlandes wie Österreich Allgemeingut aus eigener Tasche mitfinanzieren? Oder trägt der Staat die Gesamtverantwortung, unsere Abgaben so umzulegen, dass auch Kulturleistungen ausreichend profitieren? Die Geister scheiden sich ebenso wie die Ausgangslagen der Institutionen.

Bundesbudget nicht erhöht

Die Secession etwa verpflichtet sich in ihren Vereinsstatuten dazu, ein Drittel ihres Budgets selbst aufzubringen. "Für die laufende Sanierung des Gebäudes innen und außen, inklusive Heizung, Klimaanlage, Brandschutzmaßnahmen, Fassade, Kuppel, Glasdach und barrierefreiem Zugang zum Beethovenfries, steuern Bund und Stadt je eine Million Euro bei", erläutert Susanne Fernandes Silva, Sprecherin der Secession: "Eine weitere Million müssen wir selbst aufbringen." Die Einnahmen kommen von Mitgliedsbeiträgen und Eintrittsgeldern - allein Gustav Klimts weltberühmter Beethovenfries locke jährlich 100.000 Besucher aus aller Welt ins Haus - Sponsoren, Freunden und privaten Spendern.

Das Kunsthistorische Museum in Wien (KHM) plant die erste große monographische Ausstellung der Gemälde von Pieter Bruegel des Älteren. Dafür sucht man Spenden. "Brueghel hautnah" heißt eine Broschüre, die jüngst mit einem Erlagschein in die Postkästen flatterte. Kunstfreunde können sich an Restaurierungsarbeiten und wissenschaftlichen Analysen der Gemälde des niederländischen Malers beteiligen. Je nach Höhe der Schenkung gibt es Gegenleistungen, von der Nennung auf einer Ehrentafel bis zu Exklusiv-Führungen mit Gästen durch die am 2. Oktober startende Ausstellung, die ein Publikumsmagnet zu werden verspricht.

Um seinem Auftrag des Forschens, Bewahrens und Ausstellens von Kunst gerecht zu werden, benötigt das KHM nach eigenen Angaben jährlich 46 Millionen Euro. Vom Bund erhält es eine Basisabgeltung von 23 Millionen, jedoch entfallen davon rund 20 Millionen auf Personalkosten. "Wir sind die größte außeruniversitäre Forschungsanstalt in Österreich. Wir haben ein naturwissenschaftliches Labor für Expertisen und 70 Prozent unserer Besucher sind Touristen. Trotzdem wurde das Bundesbudget seit 1999 nicht an die Inflation angepasst", sagt eine Sprecherin des Museums. Seit der Ausgliederung als Bundesmuseum und wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts sei alles darüber hinaus über Eintrittserlöse, Shop-Verkäufe, Vermietungen, Events und Spenden aufzubringen.

Bärbel Holaus-Heintschel ist zuständig für Fundraising am KHM. Zusammen mit zwei Teilzeitkräften konnte sie heuer 1,2 Millionen Euro an Spenden und Sponsoring lukrieren. "55 Prozent davon kommen von Unternehmen, die uns bei Ausstellungsvorhaben oder als Partner unterstützen", sagt Holaus-Heintschel: "Wir haben mit 500.000 Euro jährlich begonnen. Spenden auszubauen dauert, denn es ist Beziehungsarbeit. Und Beziehungen muss man ständig pflegen."

Österreich steht am Anfang

Bis Fundraiser über substanzielle Summen im Gespräch sind, können Jahre vergehen. Österreich fängt hierbei quasi bei null an. Spenden an Museen können von der Einkommenssteuer abgesetzt werden - aber nur, wenn die Begünstigten auch eine Förderung von Bund oder Land erhalten. "Frei finanzierte Einrichtungen oder Empfänger kleinerer Fördergeber sind von der Spendenbegünstigung im Kulturbereich ausgeschlossen", erklärt Günther Lutschinger, Vorsitzender des Fundraising Verbands Österreich: "Nur ein Prozent aller spendenbegünstigten Organisationen kommen daher aus Kunst und Kultur."

Bis zu zehn Prozent des Brutto-Einkommens (oder bei Unternehmen des Gewinns) können pro Jahr einkommenssteuerbegünstigt gespendet werden. Was für Angestellte, die diese Grenze zumeist nicht erreichen, wenig relevant erscheinen mag, hat umso mehr Brisanz für Mäzene, die größere Beträge auf den Tisch legen wollen. Auch Steuervorteile bei der Gründung von gemeinnützigen Stiftungen sind auf ein Vermögen von 500.000 Euro limitiert. Häuser wie das Wien Museum, das einen großen Spender für sein neues Gebäude sucht, tun sich somit eher schwerer. "Eine Anhebung der Steuerfreiheit auf 20 Prozent des Einkommens nach dem Vorbild Deutschlands oder der Schweiz und eine Evaluierung der Steuerfrei-Grenze für Stiftungsvermögen wären wünschenswert", findet Lutschinger.

Der Hang zur Großzügigkeit will erarbeitet werden. "In Österreich ist diese Tradition wenig ausgeprägt. Seit dem Staatsvertrag 1955 ist der Kulturbetrieb finanziell mehr oder weniger vom Staat abhängig", erklärt Jasper Sharp, in London geborener Adjunct Kurator für zeitgenössische Kunst am KHM und Experte für Kunst-Fundraising.

Angelsächsische Vorteile

Sharp vergleicht die heimische mit der angelsächsischen Tradition, und darin mit Großbritannien: Anders als in den USA leiste die Regierung in Westminster Basisabgeltungen, jedoch seien diese geringer als hierzulande. Die Fundraising-Abteilungen in den Museen beschäftigen erheblich mehr Mitarbeiter. Sie gewinnen neben Sponsoren auch die Zivilgesellschaft für Mitgliedschaften: Wer spendet, kann unter Gleichgesinnten miterleben, wie die Lieblingsinstitution wächst. "Das funktioniert nicht etwa deswegen, weil die Angelsachsen um so viel großzügiger wären als die Österreicher, sondern das System bietet Spendern mehr Vorteile an."

In Großbritannien und den USA kann man nicht nur steuerbegünstigt spenden und stiften, sondern sogar die Erbschaftssteuer mit Kunstgeschenken an Museen bezahlen, erklärt Sharp, der mit seiner Organisation Phileas private Spenden für zeitgenössische Kunst lukriert und so das angelsächsische Modell ein Stück weit nach Österreich bringt.

Was ist also zu tun in Österreich? Kann die nächste Regierung die Kulturbudgets weiterhin gleich lassen oder gar senken, ohne Spendern mehr Vorteile einzuräumen? Soll der Staat entscheiden, was angekauft und ausgestellt wird - oder soll er die Auswahl den Bürgern überlassen? Wie groß wäre dabei die Gefahr, dass manche Mäzene bestimmte Kunstrichtungen zum Trend und Maler zu Berühmtheiten machen, indem sie diese groß ausstellen oder über Jahre intensiv fördern? "Letztlich haben wir immer die ideologische Diskussion: Wer bestimmt den öffentlichen Raum - die Politik über die Steuerverteilung, oder auch private Mäzene?", fasst es der Rektor der Medizinuniversität Wien, Markus Müller, zusammen, der nun über Fundraising 60 Millionen Euro für neue Gebäude, unter anderen für Präzisionsmedizin, lukrieren will.

Im Zweifelsfall erscheint ein demokratisch geführter Staat als neutralster Bewerter von Kunst und Wissenschaft, schon allein weil ihm aufgrund seiner schieren Größe mehr Experten zur Verfügung stehen. Demgegenüber werden Museumsvorstände, an die laufend berichtet werden muss, durchaus politisch besetzt. Wenn sie schleißig arbeiten, kommt etwas heraus wie der Burgtheater-Skandal.