Ende Dezember 1917 wurden die ersten österreichischen Kriegsgefangenen aus russischen Lagern entlassen. Ein bewegender Moment, möchte man meinen. Aber die Realität sah anders aus. Die ehemaligen Gefangenen wurden auf der österreichischen Seite nicht mit offenen Armen, sondern mit Misstrauen empfangen. Die Rückkehrer seien, so hieß es in der Militärführung, in den russischen Lagern subversivem und kommunistischem Gedankengut ausgesetzt gewesen. Unter ihnen befänden sich auch zahlreiche Umstürzler, die die Unterwanderung der Truppenmoral im Sinne hätten. Die Heimkehrer wurden als Fremde wahrgenommen. auf Fotografien wurden sie häufig als Exoten gezeigt.

"Übernahmestationen"

In Eile waren von den österreichischen Behörden sogenannte "Übernahmestationen" eingerichtet worden. Insgesamt entstanden in den Wochen nach dem Waffenstillstand an der gesamten Ostfront von Riga bis Konstantinopel 24 solcher Stationen. Hier wurden die Kriegsheimkehrer in Empfang genommen. "Zweifellos", schrieb der damalige Chef der Nachrichtenabteilung des österreichisch-ungarischen Armeeoberkommandos und des Evidenzbureaus des Generalstabes, Max Ronge, nach dem Krieg, "verloren diese Heimkehrer auf ihrer Wanderung durch das revolutionäre Rußland viel von ihrer Disziplin, wurden von revolutionären Ideen angesteckt, waren also an sich mit Vorsicht zu behandeln. Wir mussten aber damit rechnen, dass die Bolschewiken in den Heimkehrerstrom obendrein ihre die Weltrevolution propagierenden Sendlinge einschmuggeln würden."

Dieser von Anton Holzer herausgegebene Bild- und Textband ist vor kurzem im Theiss Verlag, Darmstadt, erschienen. (192 Seiten, 39,95 Euro.)
Dieser von Anton Holzer herausgegebene Bild- und Textband ist vor kurzem im Theiss Verlag, Darmstadt, erschienen. (192 Seiten, 39,95 Euro.)


Am 3. März 1918 unterzeichneten die Mittelmächte Deutschland und Österreich den Friedensvertrag von Brest-Litowsk. Sie hatten Russland aus einer Position der Stärke heraus die Bedingungen diktiert. Im Frühjahr 1918 war also der Krieg im Osten und Südosten zu Ende. Doch im Westen wurde noch gekämpft. Aber hier begann sich, anders als im Osten, das Blatt zu wenden. Die große deutsche Frühjahrsoffensive in Frankreich scheiterte 1918, die Versorgungslage der Truppen verschlechterte sich im letzten Kriegsjahr dramatisch, der Kriegseintritt der USA 1917 hatte die Stellung der Alliierten deutlich gestärkt.

Spätestens im Sommer 1918 zeichnete sich für die deutsche Militärführung die Niederlage ab. Dass das Kriegsende schließlich so schnell kommen würde, überraschte dennoch viele. Noch am 1. Oktober 1918 hatte die Künstlerin Käthe Kollwitz in ihr Tagebuch geschrieben: "Man hat den Eindruck, der Krieg kann ewig dauern, ohne Ende." Am selben Tag aber notierte sie aber auch: "Deutschland steht vor dem Ende. Widersprechendste Gefühle."

Und tatsächlich spitzte sich im Herbst 1918 die Lage immer mehr zu. Unter dem Druck der militärischen Niederlagen erklärte sich die deutsche Militärführung zu zaghaften innenpolitischen Reformen bereit. Im Oktober 1918 traten die Sozialdemokraten in die Reichsregierung ein. Aber der Krieg ging weiter. Doch der Unmut der Bevölkerung war nicht mehr einzudämmen. "Totschießen lassen wir uns nicht mehr", schrieb ein Matrose Anfang November 1918 an seinen Vater.

Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich das Kriegsende bereits ab. Am 3. November 1918 musste Österreich in einen Waffenstillstand mit Italien einwilligen und die Niederlage eingestehen. Tage später, am 11. November 1918, wurde im französischen Compiègne der Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und den Westmächten unterzeichnet.