Der Journalist und Historiker Sebastian Haffner hat diese dramatische Übergangszeit zwischen Kriegsende und der endgültigen Durchsetzung der parlamentarischen Demokratie, die er als Jugendlicher hautnah miterlebt hatte, einmal als "zwielichtige Periode" bezeichnet. Es war, so formulierte er es, "eine Periode zwischen Krieg und Frieden, zwischen Kaiserreich und Revolution, zwischen Militärdiktatur und Parlamentsdemokratie". Auch Käthe Kollwitz notierte am Silvestertag des Jahres 1918: "Noch ist kein Frieden." Voller Ungewissheit blickte sie ins neue Jahr. "Der Frieden wird wohl sehr schlecht werden. Aber es ist kein Krieg mehr. Man kann sagen, dafür haben wir Bürgerkrieg."
Die Friedensverträge
Im Frühsommer 1919 begann sich die politische Lage in Deutschland allmählich zu stabilisieren. Wie labil die Situation in den Monaten zuvor gewesen war, mag man da-ran ermessen, dass die Grundzüge der jungen deutschen Republik nicht in der umkämpften Hauptstadt Berlin, sondern in der als sicher geltenden Kleinstadt Weimar erarbeitet wurden. Am 6. Februar traten die gewählten Abgeordneten der Verfassungsgebenden Nationalversammlung erstmals zusammen, am 31. Juli 1919 wurde die neue Verfassung in Weimar beschlossen. Sichtbarstes Zeichen für das Ende der Bürgerkriege war der Umzug der Nationalversammlung von Weimar nach Berlin. Dieser erfolgte am 30. September 1919.
Im Gegensatz zu Deutschland blieb die politische Situation in Österreich Ende 1918, Anfang 1919 relativ ruhig. Erst im Frühjahr und Frühsommer 1919 spitzte sich die Situation noch einmal dramatisch zu. Mitte April und Mitte Juni kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Polizei und kommunistischen Demonstranten. Im Sommer 1919 begann sich auch in Österreich die politische Situation zu beruhigen.
Doch wirkliche politische Ruhe sollte noch länger nicht einkehren. Denn hinter den innenpolitischen Turbulenzen braute sich im Frühjahr und Sommer 1919 für die Verliererstaaten des Krieges ein neuer politischer Sturm zusammen: in Form der drakonischen Friedensbedingungen der Alliierten.
Am 18. Jänner 1919, gut drei Monate nach Kriegsende, hatten in Paris die Friedensverhandlungen begonnen. Lange Zeit wurde hinter den Kulissen gefeilscht, die Verlierermächte des Krieges, insbesondere Deutschland und Österreich (aber auch Ungarn, Bulgarien und die Türkei), hatten wenig Verhandlungsgewicht.
Schock und Empörung
Als Anfang Mai 1919 die überaus harten Friedensbedingungen mit einem Schlag öffentlich wurden, waren Schock und Empörung auf der Verliererseite groß. Die besiegten Staaten seien, so heißt es im später berühmten Paragraphen 231 des Friedensvertrags, "für alle Verluste und Schäden verantwortlich [. . .], die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen [. . .] erlitten haben".
Die Versuche, das Diktat noch abzumildern, scheiterten. Am 22. Juni 1919 musste die in Weimar tagende Nationalversammlung unter dem massiven Druck der Alliierten entscheiden, ob sie den Vertrag annehmen oder eine Fortführung des Krieges und damit eine noch katastrophalere Niederlage riskieren solle. Sie hatte keine Wahl. Am 28. Juni 1919 setzten im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles die deutschen Vertreter ihre Unterschrift - unter Protest - unter den Vertrag.
Am 10. September desselben Jahres musste auch Österreich unter enormem Druck in die Friedensbedingungen einwilligen. Und am 4. Juni 1920 setzte schließlich auch Ungarn die Unterschrift unter den Pariser Friedensvertrag. Formell war nun Frieden in Europa eingekehrt. Aber die als ungerecht empfundenen Friedensverträge lasteten schwer auf den Besiegten. Das Trauma von Paris warf seine Schatten voraus. Als sich Ende der 1920er Jahre die wirtschaftliche Lage wieder eintrübte, erstarkten revanchistische, rechte und nationalistische Gruppen und Parteien, die neuerlich dem Krieg das Wort redeten. Gut zwei Jahrzehnte nach 1918 war der mühsam errungene Frieden schon wieder Geschichte.