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Der lange Kampf für Frauenrechte

Von Gerhard Strejcek

Reflexionen

Das Wiener Volkskundemuseum widmet sich zurzeit den Wiener Frauenhäusern. Ein guter Anlass zum Rückblick auf historische und juristische Initiativen.


Opferschutz, Gewaltprävention: Frauenhäuser erfüllen eine wichtige Aufgabe.
© Verein Wiener Frauenhäuser

Seit Ende April bietet das Volkskundemuseum im Palais Schönborn in (1080) Wien eine Ausstellung mit dem Titel "Am Anfang war ich sehr verliebt . . ." an. Hier geht es nicht um Romanzen, sondern um die dunkle Seite maskuliner Gewalt, die zur Einrichtung von Zufluchtsstätten für misshandelte Frauen führte.

Der Verein Wiener Frauenhäuser wurde im Jahr 1978 gegründet, feiert in diesem Jahr also sein 40. Jubiläum. Zudem erhielt die Geschäftsführerin, Andrea Brem, im Jänner eine hohe Ehrung der Stadt, die auch der zuständigen Vereinsobfrau und Gemeinderätin, Martina Faymann-Ludwig gilt. Es gibt vier Frauenhäuser in Wien, die misshandelten oder bedrohten Frauen und ihren Kindern Schutz und Hilfe bieten. Insgesamt stehen rund 175 Plätze für Frauen und Kinder zur Verfügung.

Für Frauen, die Hilfe benötigen, bietet der Verein auch eine ambulante Beratungsstelle an, in der die Betroffenen anonym und kostenlos Auskunft erhalten, wie sie der Beziehungshölle entkommen oder rechtliche Mittel einsetzen können. Der Verein verfügt über ein Übergangswohnhaus und mehrere Prekariumswohnungen. Das sind, rechtlich betrachtet, freiwillig überlassene, aber nicht langfristig mietbare Wohnstätten. Das römischrechtliche Prekarium war ursprünglich eine Art "Bittleihe".

Lostag in Erster Republik

Die Frauenhäuser sind auch aus sozialwissenschaftlicher Sicht eine bedeutsame, auf Privatinitia- tive nach dem Vereinsgesetz beruhende und als juristische Person des Privatrechts errichtete, aber unter staatlicher Förderung (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen; Stadt Wien) stehende Einrichtung. Sie nehmen unter dem Gesichtspunkt des Frauenschutzes und der Gewaltprävention eine wichtige öffentliche Aufgabe wahr, die es auch im Lichte internationaler Übereinkommen zu fördern gilt.

Aus Sicht der Viktimologie, einer Unterdisziplin der Kriminologie, die auf der Kriminalstatistik beruht, stellen im Sektor häusliche Gewalt Frauen zu mehr als neunzig Prozent die Opfer dar. Frauenhäuser erfüllen so auch die Aufgabe einer Verbrechensprävention, vielfach kann durch den Aufenthalt und die räumliche Trennung vom Täter das Schlimmste verhindert werden, wenn auch die psychischen und physischen Wunden bestehen bleiben, die Gewalt in irreversibler und traumatisierender Weise bewirkt.

Die Ausstellung im Volkskundemuseum soll Anlass sein, den Blick auch auf andere Initiativen für Frauenrechte zu schärfen, die vielfach schon in der Ersten Republik ihren Ausgangspunkt hatten. So etablierte sich nach einigem Hin und Her der 8. März als Frauentag, der auch an die Pariser Kommune und die Märzrevolu-
tion 1848 erinnert. Ein Lostag für politische Frauenrechte in der Ersten Republik war aber auch der 16. Februar 1919, weil an diesem Tag die ersten Wahlen nach dem Allgemeinen Wahlrecht stattfanden, erstmals "ohne Unterscheid des Geschlechts".

Schon das erste Verfassungsgesetz der Republik hatte im Herbst 1918 angekündigt, dass erstmals Wahlen nach dem gleichen und allgemeinem Wahlrecht stattfinden sollten. Im Jahr 1907 war zwar das "allgemeine" Männerwahlrecht eingeführt worden, aber vor allem die politisch engagierten Frauen wurden dadurch benachteiligt, weshalb korrekterweise der Begriff der Allgemeinheit unangebracht ist.

Frauen waren nach der Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung sowohl aktiv als auch passiv wahlberechtigt, und es gelang einigen Bewerberinnen auch, auf eine wählbare Stelle der Parteilisten zu kommen (damals kandidierten die Sozialdemokratische Arbeiterpartei SDAP, die die Wahl gewann, aber auch Christlichsoziale, Großdeutsche, eine jüdische und eine liberale demokratische Partei) und in der konstituierenden Nationalversammlung vertreten zu sein. Das war auch im Lichte der Hauptaufgabe der Nationalversammlung wichtig, die im Sommer 1920 die Bundesverfassung (das Bundes-Verfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920) beschloss.

Damit Frauen ihre Rechte besser wahrnehmen konnten, war es von eminenter Bedeutung, den Zugang zum Jusstudium zu erkämpfen, was erst in der Repu-blik ab 1919 gelang. Zunächst sollten Frauen mit dem Studium der Staatswissenschaften zu reinen Theoretikerinnen und bestenfalls juristisch geschulten Beamtinnen werden. Aber emanzipierte Frauen erkannten, dass ihnen so der Zugang zu den Rechtsberufen verschlossen blieb.

So ging der Zulassung zum Studium der Rechtswissenschaften ab dem Wintersemester 1919 ein langer Kampf voran. Gutachten und Vorarbeiten des Unterrichtsministeriums - es gab kein eigenes Wissenschaftsressort in der k.u.k. Monarchie - reichen aber länger zurück. Der Staatsrechtslehrer Edmund Bernatzik hatte ein Gutachten erstellt, worin er attestierte, dass der Ausschluss von Frauen vom Jusstudium gegen die Berufswahlfreiheit verstoße und nicht sachlich begründet werden könnte. Er führte auch die positiven Erfahrungen mit Studentinnen beim Medizinstudium an, da dieses Frauen bereits geöffnet war. Gemeinsam mit Marianne Beth (zu ihr etwas später) erkämpfte auch seine Tochter den Zugang zum Jusstu-
dium. Edmund Bernatzik starb im März 1919 und konnte ihren Stu-dienabschluss nicht mehr erleben.

Juristische Pionierin

Wegen der Behandlung muslimischer Frauen in Bosnien-Herzegowina stand die Donaumonarchie bereits seit 1878 und stärker noch nach der Annexion 1908 vor der Aufgabe, Ärztinnen auszubilden. Frauen konnten zunächst an der Wiener Universität Medizin und philosophische Fächer, nicht aber Jus oder Theologie studieren.

Frauen aus beiden Teilen der Monarchie waren gefragt, sich der medizinischen Ausbildung zu stellen und die Muslima zu behandeln. Dass ausgerechnet eine auf Bismarcks Pläne zurückgehende Gebietserweiterung und der Islam als in Bosnien vorherrschende Religion diesen wichtigen Bildungszugang indirekt öffneten, ist eine Ironie der Geschichte.

Marianne Beth ist eine der juristischen Pionierinnen der Ersten Republik. Sie wurde am 6. März 1890 als Marianne Weisl, Tochter jüdischer Eltern, in der k.u.k. Monarchie geboren. Ma-
rianne Weisl promovierte 1912 an der philosophischen Fakultät im Fach Orientalistik; aber das genügte ihr nicht, sie schaffte es auch, als erste Frau ein Doktorat der Rechtswissenschaften zu erreichen. Dies gelang ihr in lediglich sechs Semestern, da ihr für das (nach sieben oder acht Semestern vorgesehene) Absolutorium Teile des Philosophiestudiums angerechnet wurden. Somit war Marianne Beth ab 1921 doppelte Doktorin und ließ sich auch nach dem Gerichtsjahr und ihrer Konzipientenzeit in die Liste der Rechtsanwälte als erste "Advokatin" eintragen.

Beth hatte also nicht nur als Erste ein Jusstudium absolviert (1921), sie ließ sich auch gegen alle Widerstände als erste Frau in die Liste der Rechtsanwälte eintragen und verfasste ein Buch mit dem Titel "Das Recht der Frau", das sie 1931 im Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei vorlegte. Leider erschien das Kompendium, das vor allem die arbeits- und familienrechtliche Stellung der Frau beleuchtete, in Frakturschrift, die Anfang der 1930er Jahre wieder in Mode gekommen war. Beth heiratete den deutschen Religionshistoriker Theodor Beth, der auch publizistisch tätig war und eine Studie über die Weltreligionen verfasste. Das Paar wurde von den Nationalsozialisten in den 1930er Jahren gezwungen, die advokatorische und wissenschaftliche Tätigkeit einzustellen und das "Reich" zu verlassen; in den USA (Chicago und New York) setzten sie aber ihr Wirken in der Emigration fort.

In der NS-Zeit waren Maiaufmärsche und der Frauentag verboten, an seine Stelle trat ideologiekonform der Muttertag. Dieser Zwang zur Mutterverehrung betraf die Republik Österreich nach dem 12. März 1938, als der "Anschluss" erfolgte.

Der Nationalsozialismus sah in der deutschen Frau das Ideal als Mutter, die möglichst viele fronttaugliche Männer und weitere potentielle Mütter gebar. Für eine große Kinderschar gab es das "Mutterkreuz". Töchter waren für die Hausarbeit bestimmt, Berufstätigkeit war unerwünscht. Das galt auch für den Öffentlichen Dienst, denn bereits das Gesetz zum "Schutz des Berufsbeamtentums" (ein Euphemismus, von Schutz war keine Rede, zahlreiche Entlassungen stützten sich gerade auf dieses Gesetz) hatte die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses von Beamtinnen bewirkt, wenn auch der Ehegatte diesen Beruf ausübte. Dasselbe galt für jüdische Beamte, wobei nicht die Konfession, sondern die Abstammung relevant war.

Apolitische Dienerinnen

Allerdings gelang es auch in der Zivilgesellschaft Nazideutschlands einigen Frauen, sich zu emanzipieren. Wie ich in der eigenen Familie feststellte, etwa der Schwester meines Großvaters, der Dresdner Kunststudentin Charlotte Hassebrauk, einer erklärten Regimegegnerin. Ihr Mann war Maler und fiel als expressionistischer Künstler, der weder den "deutschen Herrenmenschen" noch das Ideal des Arbeiters im sowjetrealistischen Stil hochhielt, 1933 im Nationalsozialismus und, nach kurzer Professur, 1948 bei den Sowjets und DDR-Kulturbeauftragten in Ungnade; dennoch konnte die Künstlerin nach der Hochzeit 1935 den KFZ-Führerschein erwerben.

Kriegsbedingt nahmen Frauen auch die Rolle der Arbeiter in Rüstungsbetrieben und anderen "kriegsnotwendigen" Bereichen (Fliegerabwehr usw.) ein. Die Motive des Regimes waren aber eindeutig gegen die selbstständige Entfaltung gerichtet, Frauen sollten gleichgeschaltet und zu apolitischen Dienerinnen des Systems erzogen werden. Auch am Frauentag gab es vor allem sozialistischen und feministischen Widerstand gegen das NS-Regime, etwa durch das "Auslüften" von roten Gegenständen am 8. März, die am Fenster drapiert wurden. Neben den rassisch verfolgten Frauen landeten auch engagierte Feministinnen wie Milena Jesenská im KZ; sie verstarb als Aushängeschild der Prager Moderne 1944 im NS-Frauenlager Ravensbrück.

Ausstellung:

Am Anfang war ich sehr verliebt . . ." (40 Jahre Wiener Frauenhäuser) läuft bis 30. September im Wiener Volkskundemuseum, Laudongasse 15-19, 1080 Wien.

Literatur:
Das Wahlrecht der Ersten Republik. Manz 2008;
Erlerntes Recht. Zur Ausbildung von Juristinnen und Juristen an der Wiener Universität 1365 2015. new academic press 2015. Beide von Gerhard Strejcek.

Gerhard Strejcek, geboren 1963, ist Ao. Professor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und Autor.