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Wie Wolken das Klima kühlen

Von Eva Stanzl

Klimawandel

Ein, zwei oder drei Grad mehr? Aerosole könnten den wärmenden CO2-Effekt halbieren.


Wird es um ein, zwei, drei oder vier Grad wärmer? Der Weltklimarat sieht im Anstieg von Aerosolen und Wolken eines der größten Fragezeichen betreffend Prognosen zum Klimawandel. Die winzigen Partikel stammen entweder von Abgasen oder entstehen durch Keimbildung in der Erdatmosphäre. Rund um sie sammeln sich Wassertröpfchen, aus denen sich Wolken bilden. Je mehr Aerosole, desto mehr Tröpfchen-Cluster und je mehr von ihnen, desto mehr Wolken. Wolken kühlen die Atmosphäre ab, doch niemand weiß, wie stark der Effekt werden könnte.

"Würden Sie zu einer Wolke aufsteigen, ihr einen Tropfen entnehmen und diesen verdampfen lassen, blieben Aerosol-Teilchen übrig", erklärt Jasper Kirkby. Der britische Physiker widmet seine Laufbahn der Aerosol-Forschung. Am Europäischen Kernforschungszentrum Cern in Genf analysiert er Aerosolbildung live. "Cloud" oder "Cosmic Leaving Outdoor Droplets" heißt das hallengroße Experiment. Im Zentrum steht ein 26 Kubikmeter großer Edelstahltank, in dem Aerosolpartikel und Wolken unter kontrollierten Bedingungen entstehen. Dabei wurde auch etwas entdeckt, was zuvor niemand wusste, nämlich dass sogar Bäume Aerosole erzeugen.

Auch Bäume tragen zur Wolkenbildung bei

"Wir wissen, wie viel CO2 in vor-industriellen Zeiten vorhanden war. Und wir kennen die Eigenschaften von CO2, können daher genau vorhersagen, was bestimmte Mengen in der Atmosphäre anrichten", erklärte Kirkby bei einem Besuch der "Wiener Zeitung" am Cern. "Zugleich verursachen Menschen die Entstehung von immer mehr Aerosolen. Das können wir messen, doch es fehlt der Vergleich."

Zwar erscheint klar, dass vor der Industriefertigung keine Aerosole aus Industrieabgasen entstanden sind. Da es aber mehr Bäume gab, müsste es zahlreiche Wolken gegeben haben. "Die Wolkenbildung von damals können wir nicht rekonstruieren. Wir wissen nicht, wie viele es gab. Zudem sind die Aerosole der Wolken unzureichend verstanden", erläuterte Kirkby: "Fest steht so weit nur, dass Aerosole den wärmenden CO2-Effekt abmildern und sogar halbieren können. Dieser enorme Unterschied ist dafür verantwortlich, dass Klimamodelle einen weiten Bereich an Temperatursteigerungen vorhersagen."

Wir erwärmen den Planeten mit Treibhausgasen, lösen aber gleichzeitig einen kühlenden Effekt aus. Zudem entstehen laufend neue Partikel. Insbesondere die Tropen sind eine Fabrik für Wolkenkondensationskeime: Aus Gasen, die dort in große Höhe aufsteigen, bilden sich unzählige Aerosolpartikel, die so lange wachsen, bis Wasserdampf daran kondensiert. Das berichtet ein internationales Forschungsteam mit österreichischer Beteiligung in "Nature". Damit Wasserdampf in der Atmosphäre zu Tröpfchen wird, sind Kondensationskeime erforderlich. Solche Keime können in natürlichen Prozessen entstehen und von Sandkörnern oder Rußpartikeln stammen. Oder sie können aus Gasmolekülen neu gebildet werden. Insbesondere in den Tropen würden Gase aus Schichten nahe dem Ozean "durch die Konvektion sehr weit in die Atmosphäre aufsteigen", erklärt Bernadett Weinzierl von der Forschungsgruppe Aerosolphysik an der Uni Wien. Dort bilde sich eine Vielzahl von sehr kleinen Aerosolpartikeln, die über Pazifik und Atlantik langsam wieder absinke. Beim Abstieg wachsen die Partikel, indem Gase darauf kondensieren oder mehrere kleine Teilchen zu einem größeren zusammenwachsen. Irgendwann sind sie groß genug, um als Wolkenkondensationskeim zu dienen.

Laut den Forschern deckt ein Band an derartiger Partikelneubildung 40 Prozent der Erdoberfläche ab. Die Teilchen hellen die Wolken auf, was bisher in Klimamodellen kaum berücksichtigt worden sei. Der Grund: Wolken in Regionen mit wenigen Kondensationskeimen haben wenige, dafür große Tropfen. Auf solche Wolken fallendes Sonnenlicht wird nicht sehr stark reflektiert. "Sind dagegen viele Wolkenkondensationskeime aus Partikelneubildung vorhanden, gibt es mehr kleinere Tropfen, die mehr Sonnenlicht zurückstreuen", so Weinzierl. Auch dieser Effekt trage zur Abkühlung bei.

Der etwas frustrierende Befund: "Die Erde ist schwer zu verstehen, weil sie kein einfacher Ball ist, der durch das All fliegt, sondern Ozeane, eine Kryosphäre, eine Atmosphäre und Menschen hat. So durchdacht die Klimamodelle sind, so schwer ist es, das Verhalten der Erde vorherzusagen", fasst Kirkby zusammen. Präzise Vorhersagen zur Erderwärmung erfordern auch ein exaktes Verständnis der Aerosol-Bildung.