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Der Mount Everest ergrünt

Von Alexandra Grass

Wissen

Klimaveränderungen begünstigen das Wachstum von Pflanzen im Himalaya-Gebirge.


Die weltweiten Klimaveränderungen machen auch vor dem Himalaya nicht Halt. Wie Satellitendaten zeigen, wird vor allem das Areal rund um den Mount Everest zusehends grüner, berichten Forscher der Universität Exeter im Fachblatt "Global Change Biology". Steigende Temperaturen lassen das Eis schmelzen und bereiten Gräsern und Büschen im Gebiet zwischen Baum- und Schneegrenze wachstumsfreundlichere Bedingungen.

Über diese abgelegenen, schwer erreichbaren Ökosysteme, die aus kleinwüchsigen Pflanzen und saisonalem Schnee bestehen, ist nur wenig bekannt. Die Studie zeigt allerdings, dass sie das fünf- bis 15-Fache der Fläche von Dauergletschern und -schnee abdecken.

Die Forscher analysierten Bilder Nasa-Landsat-Satelliten, die von 1993 bis 2018 aufgenommen wurden. Dabei stellten sie eine kleine, aber signifikante Vermehrung der Vegetation in dem Bereich zwischen 4150 und 6000 Höhenmetern fest. Allgemein wurde bisher angenommen, dass die Bedingungen am oberen Rand dieser Höhenregion nahe an jener Grenze liegen, an der Pflanzen überhaupt wachsen können. Jetzt werden sie jedoch mehr und wachsen zudem immer höher.

Analog in den Alpen

Obwohl in der Studie die Ursachen dieser Veränderung nicht untersucht werden, stimmen die Ergebnisse mit Modellen überein, die einen Rückgang der temperaturbegrenzten Gebiete in der gesamten Himalaya-Region aufgrund der globalen Erwärmung zeigen.

Dieses Verhalten präsentiert sich grundsätzlich analog auch in den Alpen. Durch Temperaturerhöhungen ändern sich nicht nur Wachstumsprozesse an sich, sondern auch Verbreitungsgrenzen. Gerade für die Bereiche oberhalb der Baumgrenze hat dies besonders gravierende Auswirkungen. Pflanzenarten aus tieferen Lagen wandern immer weiter nach oben und drängen die alpinen Pflanzen immer höher hinauf, bis diese letzten Endes auszusterben drohen.

Das Wegschmelzen der Gletscher und das geringere Ausmaß saisonaler Schneedecken fördert diese Entwicklung. Im Himalaya-Gebirge hat sich dieser Schwund zwischen den Jahren 2000 und 2016 verdoppelt, skizziert Karen Anderson vom Environment and Sustainability Institute der Universität Exeter. "Es ist wichtig, diesen Eisverlust zu beobachten und zu verstehen, aber subnivale Ökosysteme (Anm.: jene knapp unterhalb der Schneegrenze) erstrecken sich über ein viel größeres Gebiet als Schnee- und Eisbereiche, und wir wissen sehr wenig darüber und wie sie die Wasserversorgung beeinflussen", so die Expertin für Fernerkundung.

"Wasserschloss" in Gefahr

Veränderungen in diesem Bereich könnten sich negativ auf das vielbesagte "Wasserschloss" Asiens auswirken. Die Himalaya-Region erstreckt sich über alle oder zumindest Teilbereiche von acht Ländern - von Afghanistan im Westen bis Myanmar im Osten - und versorgt immerhin die größten Flüsse in Asien. Mehr als 1,4 Milliarden Menschen sind von Wasser aus den hier entstehenden Einzugsgebieten abhängig. Detaillierte Feldarbeit sei deshalb nötig, um erkennen zu können, wie Pflanzen in diesen extremen Höhenlagen mit der Erde und dem Schnee interagieren.