Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit des Planeten. Jede weitere Verzögerung eines global konzentrierten Handelns wird ein kurzes und sich schnell schließendes Zeitfenster verpassen und die Sicherung einer lebenswerten und nachhaltigen Zukunft gefährden. Das sind die Kernaussagen des zweiten Teils des 6. IPCC-Sachstandsberichts zum Thema "Klimawandel 2022: Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit", der am Montag präsentiert wurde. Im Gegensatz zum ersten Teil des Berichts fokussiert der aktuelle stärker auf Lösungsmöglichkeiten. Denn in der Umsetzung gebe es noch große Lücken.
Im August 2021 war berichtet worden, dass die Erde schon gegen 2030 um 1,5 Grad Celsius wärmer sein wird. Das sind zehn Jahre früher als noch 2018 prognostiziert. Schon die aktuellen 1,1 Grad Celsius haben mehr Schäden und höhere Verluste mit sich gebracht, betonte Birgit Bednar-Friedl von der Universität Graz mit Blick auf Europa. Ein Hauptrisiko ist die Hitze, die die menschliche Gesundheit und die Ökosysteme belastet. Landwirtschaftliche Erträge nehmen ab und die Wasserknappheit verschärft sich. An den Küsten und Flüssen kommt es - unter anderem auch durch Starkregen - zu Überflutungen, listete die Forscherin auf. Die Anpassung sei in Europa noch nicht weit fortgeschritten, merkte Bednar-Friedl kritisch an. "In der Planung ist Europa sehr gut, jedoch weniger in der Umsetzung."
Klimaschutz nicht nur nett
Die globale Erwärmung habe "weitreichende Konsequenzen für die Ökosysteme und Milliarden von Menschen", betonte auch Reinhard Mechler vom International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg. Die Risiken seien dort am höchsten, wo Arten und Menschen in der Nähe thermischer Grenzen leben. Nämlich an Küsten, in enger Verbindung mit der Kryosphäre oder an Küsten. Bereits 50 Prozent der Weltbevölkerung sieht sich jedes Jahr schwerer Wasserknappheit ausgesetzt. Mehr als drei Milliarden Menschen werden als sehr vulnerabel bezeichnet. Das vor allem Bewohner in West-, Zentral- und Ostafrika, in Südasien, Zentral- und Südamerika, auf kleinen Inselstaaten und der Arktis. Die Klimafolgen schreiben die Experten eindeutig dem menschengemachten Klimawandel zu.
Der Bericht drängt auf Lösungen, denn "Klimaschutz ist nicht nur nett und schön, sondern notwendig", betonte Mechler. Ein Überschreiten der Grenzbereiche drohe die Erde in Zukunft zu einem für Menschen unbewohnbaren Planeten zu verwandeln, betonte Ko-Leiter der IPCC-Arbeitsgruppe, Hans-Otto Pörtner. Der nun publizierte zweite Teil sei auch "eine Verstärkung der Botschaften" seines Vorgängers.
Weiterer Verlust von Arten
Er lege dabei einen Schwerpunkt auf die wechselseitigen Wirkungen zwischen den drei Systemen Klima, dem Ökosystem und seiner Artenvielfalt und der menschlichen Gesellschaft, die als Grundlage der aus dem Klimawandel entstehenden Risiken dienen. Das Denken über diese Wechselwirkungen sei in der Politik noch nicht so richtig angekommen. Wenn man es mit dem Sachstandsbericht schaffe, die Sicht auf Biodiversität und Klimaschutz zu vereinen, dann hätte man etwas erreicht, hieß es.
"Dieser Bericht ist eine eindringliche Warnung vor den Folgen der Untätigkeit", formulierte es IPPC-Vorsitzender Hoesung Lee. Ohne eine rasche und drastische Reduzierung der Erderwärmung drohe das Szenario eines zunehmenden Verlusts von Menschenleben, biologischer Vielfalt und Infrastruktur, so der südkoreanische Ökonom Lee.
Der Schlüssel zu einer lebenswerten Zukunft und zur Anpassung an die Klimakrise liege gerade im Schutz und der Stärkung der Natur, so die Experten. Doch noch sei das Gegenteil der Fall, denn "zunehmende Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen überschreiten bereits die Toleranzschwelle von Pflanzen und Tieren und führen zu einem Massensterben von Bäumen und Korallen", teilte der Weltklimarat am Montag mit. Diese Wetterextreme treten gleichzeitig auf und mit immer schwieriger zu bewältigenden Auswirkungen. Schon jetzt sind so Millionen von Menschen vor allem in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika sowie auf kleinen Inseln einer akuten Nahrungsmittel- und Wasserversorgungsunsicherheit ausgesetzt.
Raus aus den Fossilen
Der Weg in eine klimafreundliche Zukunft werde von der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern gebremst, heißt es in einem Statement von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. "Gerade jetzt müssen wir raus aus den Fossilen und in den Ausbau von Erneuerbaren investieren", erklärte die Ministerin, die wegen der aktuellen politischen Lage zu einem Treffen der EU-Energieminister nach Brüssel reisen musste.
Die Umwelt-NGOs schlagen erneut Alarm. "Der Bericht zeigt auf, dass die Konsequenzen der Erderhitzung schneller und heftiger ausfallen, als bisher angenommen wurde. Bereits heute verlassen weltweit die Hälfte aller Arten ihre Heimatgebiete und wandern in kühlere Regionen", hieß es von Greenpeace Österreich. "Selbst für diejenigen, die sich schon lange mit der Materie beschäftigen, sind die Ergebnisse schockierend. Bei Beibehaltung des Kurses sind schwere Folgen zu erwarten", erklärte Johannes Wahlmüller von Global 2000.(gral/apa)