Die Aussagen des jüngsten Klimaberichts sind deutlich: Ohne einer radikalen und sofortigen Reduktion der klimaschädlichen Treibhausgase ist ein Eindämmen der globalen Erderhitzung auf maximal 1,5 Grad nicht zu erreichen. Das würde tiefgreifende Konsequenzen für Menschen, Tiere und die Natur mit sich bringen. Doch die Wissenschafter des sechsten Sachstandberichts des Weltklimarats (IPCC) sahen am Montag auch positive Entwicklungen. Es gebe immer mehr Maßnahmen zum Klimaschutz.

In den von den Wissenschaftern bewerteten Szenarien muss die globale Emission von Treibhausgasen bis spätestens 2025 ihren Höhepunkt erreichen. Ansonsten sei die Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad nicht realisierbar. Zudem sei es erforderlich, dass der Ausstoß der Treibhausgase bis 2030 um 43 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig müsse auch der Methanausstoß um etwa ein Drittel reduziert werden.

"Jetzt oder nie"

"Es heißt jetzt oder nie", sagte Ko-Vorsitzender des Berichts, Jim Skea, mit Blick auf die Pariser Klimaziele. "Ohne sofortiger und tief greifender Reduktion der Emissionen über alle Bereiche hinweg, wird es unmöglich sein." Der Bericht zeige auf, dass die Finanzströme mit dem Faktor drei bis sechs deutlich unter dem benötigten Niveau liegen, die Erwärmung auch nur unter zwei Grad zu begrenzen. Die gute Nachricht sei aber, dass es ausreichend Kapital und Liquidität gebe, um diese Investitionslücke zu schließen. Dazu bedürfe es aber eines klaren Signals der Regierungen und der Weltengemeinschaft.

Hart fiel das Urteil von UN-Generalsekretär Antonio Guterres: "Es ist ein Dokument der Schande, ein Katalog der leeren Versprechen, die die Weichen klar in Richtung einer unbewohnbaren Erde stellen", sagte er in einer Videobotschaft zum neuen Bericht. "Sie ersticken unseren Planeten", sagte Guterres über Regierungen und Firmen, die für hohe Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Die wahren gefährlichen Radikalen seien nicht Klimaaktivisten, sondern jene Länder, die die Produktion von fossilen Brennstoffen ausbauen. Solch eine Strategie sei "moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn".

Die Netto-Null-Emissionen

Die weltweite Temperatur werde sich stabilisieren, wenn das Gleichgewicht zwischen dem Ausstoß von schädlichem Kohlenstoff und der Wiederaufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre hergestellt werde. Für eine maximale Erderwärmung auf 1,5 Grad bedeutet dies, dass weltweit in den frühen 2050er-Jahren Netto-Null-Emissionen herrschen müssen, für 2 Grad müsste dies in den frühen 2070er-Jahren der Fall sein.

Die jährlichen Treibhausgasemissionen waren zwischen 2010 und 2019 jedoch so hoch wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. "Aber die Wachstumsrate hat sich verlangsamt", heißt es in dem Text. Das hat politische wie wirtschaftliche Gründe: Seit 2010 seien die Kosten für Solar- und Windenergie sowie für Batterien um bis zu 85 Prozent gesunken. Neu eingeführte Gesetze und Regulierungen hätten zur Verbesserung der Energieeffizienz geführt, den Einsatz von erneuerbaren Energien beschleunigt und die Abholzung von Wäldern verringert.

Die Entscheidungen am Scheideweg

"Wir stehen an einem Scheideweg. Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, können eine lebenswerte Zukunft sichern", sagte IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee. Die Welt verfüge über ausreichend Instrumente und Wissen, um die Erderhitzung entsprechend des Pariser Klimaabkommens zu begrenzen. Viele Vorschriften, Regulierungen und Instrumente am freien Markt hätten sich in der Vergangenheit als wirksam erwiesen. Wenn diese in noch größerem Umfang angewandt werden würden, könnten Emissionen deutlich gesenkt und Innovationen weiter gefördert werden.

Das Ringen um die Fertigstellung der 64-seitigen Zusammenfassung für Entscheidungsträger des letzten Teils des sechsten Sachstandberichts war lange und hart. Kein Bericht in der Geschichte des IPCC wurde zwischen Wissenschaft und Politik so ausführlich behandelt. Die Veröffentlichung musste sogar einige Stunden nach hinten geschoben werden. Die Wissenschafter legen dafür einen Entwurf vor und alle 195 Mitgliedsländer müssen jeden Satz absegnen. Das letzte Wort liegt aber bei den wissenschaftlichen Experten. Bei den übrigen und tausende Seiten langen Berichten haben politische Entscheidungsträger keinerlei Mitspracherecht.

Empfehlung für einheitliche Benennung von Klima-Szenarien

Im deutschsprachigen Raum gibt es bei den IPCC-Klimaberichten bisher keine einheitliche Sprachregelung für die Klimaszenarien. Dies führte laut einer Aussendung ZAMG zufolge oft zu Irritationen und Verwechslungen. Um dem entgegenzuwirken hat Anfang 2022 eine Arbeitsgruppe der Wetterdienste von Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie verschiedener Bundes-, Landes- und Klimaforschungseinrichtungen erstmals eine Empfehlung für eine einheitliche Benennung vorgelegt.

Klimaszenarien sind Abschätzungen, wie sich das zukünftige Klima unter bestimmten Rahmenbedingungen entwickelt. Sie berücksichtigen natürliche Klimaschwankungen und treffen unterschiedliche Annahmen zur Entwicklung der Gesellschaft (z.B. Weltbevölkerung, Urbanisierung, Bildung) und der Wirtschaft (z.B. Art der Energiegewinnung, technologischer Fortschritt, Wirtschaftswachstum). So lassen sich die Auswirkungen unterschiedlicher sozioökonomischer Entwicklungen abseits von Klimaschutz und von verschieden starken Klimaschutzbemühungen getrennt voneinander oder auch gemeinsam abschätzen.

EInheitliche, klare Sprache gefordert

Bisher gab es bei der Ausformulierung dieser Klimaszenarien im deutschsprachigen Raum jedoch keine einheitliche Benennung. "Eine klare, einheitliche Sprache ist die Basis, um die langfristigen Folgen und Auswirkungen unterschiedlicher Maßnahmen zu verstehen. Das wiederum ist die Voraussetzung, um eine breite Unterstützung für die Wichtigkeit von Klimaschutzmaßnahmen zu erreichen und um vom Wissen ins Handeln zu kommen", so Marc Olefs, Leiter der Klimaforschung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

Konzise Beschreibungen als Grundlage

Einheitliche Szenariensprache würden, so Thomas Schinko, Forschungsgruppenleiter am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), der deutschsprachigen Klimaforschungscommunity und Medienlandschaft eine unmissverständliche Kommunikation der neuesten Forschungsergebnisse geben. "Die konzisen Beschreibungen der Klimaszenarien bilden eine wichtige Grundlage zur Entwicklung von Klimaschutzmaßnahmen und definieren die Herausforderung für die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels", sagte Schinko.

Für das "1,5 Grad-Ziel" bzw. "Zwei Grad-Ziel" sollten künftig etwa einheitlich "1,5 Grad-Weg" und "2 Grad-Weg" verwendet werden. Ein Szenario, bei dem sich Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung, die wie bisher auch auf dem Einsatz fossiler Rohstoffe beruht, die Waage halten, sollte als "Der Mittelweg" beschrieben werden. Weitere Bezeichnungen sind etwa "Der konfliktreiche Weg" und "Der fossile Weg". (apa)