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Müll oder Schatz?

Von Eva Stanzl

Wissen
Elektrogeräte verursachen 620 Millionen Tonnen Emissionen im Jahr, erklärt Joanna Murzion vom Ökologischen Institut Cfrowej auf der Website des Projekts.
© Panstwowe Museum / Dom Historii Europejskiej / Paulina Zomer / Przemyslaw Walcak / www.throwaway-history.eu

Europäische Museen widmen sich in einem Kooperationsprojekt der modernen Wegwerfgesellschaft.


Rund 22 Milliarden technische Geräte sind mit dem Internet verbunden. Pro Minute stellt die Menschheit sechs Millionen Anfragen an Google, lädt 96.000 Fotos hoch auf Instagram, veröffentlicht 600.000 Tweets und erhält 180 Millionen neue Emails.

Und was passiert mit alten Mails, Dateien und Applikationen nach dem Löschen? Ähnlich wie die Kopien von Fotos oder Videos, die der Computer macht, wenn er Dateien verschiebt, zählen sie zum digitalen Müll, dessen Lagerung im Hintergrund von Festplatten Strom verbraucht. "Die Geräte der Informations- und Kommunikationstechnologien und die Infrastruktur unserer vernetzten Welt - - Hardware, Smartphones, Drucker, Satelliten - verursachen 620 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen pro Jahr", ist auf der Homepage des EU-weiten Projekts "Ausgedient - Die Geschichte der modernen Wegwerfgesellschaft" zu erfahren.

Porträts von 70 Objekten,

Im Rahmen des vom Haus der Europäischen Geschichte (HEH) ins Leben gerufenen Kooperationsprojekts, an dem in Wien das Naturhistorische Museum und das Volkskundemuseum beteiligt sind, wurden die eingangs genannten Zahlen zusammengetragen. Neun Museen in Europa haben die mehrsprachige und interaktive Online-Plattform, die ab 18. Februar unter http://www.throwaway-history.eu/ abrufbar ist, erarbeitet.

Jeden Tag produziert die Weltbevölkerung rund 3,5 Millionen Tonnen Müll. Die Website erzählt eine unbekannte und beeindruckende Geschichte des Abfalls vor dem Hintergrund des sozialen Wandels. Zahlreiche Aspekte der Wegwerfgesellschaft werden in ihren Zusammenhängen präsentiert. Für den Einstieg sorgt ein Stück Kulturgeschichte in Form von Porträts von 70 digitalisierten Objekten, die es nicht mehr gibt. Von der Pralinenschachtel im ehemaligen Jugoslawien, die anders als ihr Inhalt als Luxusgegenstand verstanden wurde, über eine alte Bierdose bis zur bunten Milchkanne und dem Schnürstiefel, den ein Bauer Anfang des 20. Jahrhunderts in Italien getragen hat, reihen die Gegenstände, die je nach Betrachtungsweise entweder Müll oder Schatz sein könnten.

Darüber hinaus finden sich hier 30 Videos und Interviews mit rund 60 Personen aus ganz Europa, die das Themenspektrum aus verschiedenen Blickpunkten beleuchten - von der Abfallwirtschaft über Ausschussware bis hin zu Recycling. Etwa geht es unter dem Titel "Selbstgebasteltes" um Gegenstände, die aus Gebrauchtwaren hergestellt und einer neuen Nutzung zugeführt werden. Der Themenblock "Das zweite Leben der Dinge" dreht sich um Nachhaltigkeit: Gegenstände nicht einfach wegzuwerfen, sondern sorgfältig zu reparieren, war bis nach dem Zweiten Weltkrieg völlig normal. Da es an Vielem mangelte, wurden sie gepflegt, um dem Menschen möglichst lange zu dienen, und wenn sie in ihrer ersten Bestimmung nicht mehr dienlich waren, gab man ihnen ein zweites Leben. Statt Neues herzustellen, wurde repariert, gestopft und geflickt.

Drohende Umweltkrise

Heute wird sogar Essen weggeschmissen. Wie man zum Thema "Lebensmittelverschwendung" erfährt, wird ein Drittel aller Lebensmittel nicht verzehrt, sondern landet im Müll. In Europa wirft ein Mensch jährlich 100 Kilo noch genießbarer Lebensmittel weg, in Österreich sind es 43 Kilo. Auch die Zahl der Kleidungsstücke, die nie getragen werden, ist gewaltig. In diesem Sinne forderte der Künstler Peter Verblac vergangenen Sommer auf den Straßen des slowenischen Ortes Celje zum Kleidertausch auf. Auf einem Ständer mit der Aufschrift "Vom Schrank auf die Straße" sei nicht benötigte Kleidung dazulassen und mitzunehmen, was einem gefällt, zeigt er in einem Video.

Was wissen wir über den Müll, der mit der massenhaften Verbreitung von wegwerfbaren Menstruationsprodukten seit den 1950ern entstand? Die Serie gibt unterschiedliche Einblicke rund um das Thema Menstruationsabfall.

Fotoreportagen, Live-Veranstaltungen und Podcasts ergänzen das Bild. Beide Wiener Museen sind mit Objekten und Filmmaterial auf vertreten. Müll ist der vielleicht sichtbarste und greifbarste Aspekt der drohenden Umweltkrise.