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Tausche Wald gegen Geld

Von Ronald Schönhuber

Wissen

Waldschutz ist der billigste Klimaschutz, doch auch hier ist eine Einigung schwierig.


Durban. In der Ramu-Region hat gerade wieder das große Fällen begonnen. Gleich mehrere Abholz-Konzessionen auf einmal hat der Holz-Konzern Rimbunan Hijau zugesprochen bekommen und wenn das malaysische Unternehmen in zehn bis fünfzehn Jahren mit seiner Arbeit fertig ist, wird es im Norden von Papua-Neuguinea mehrere hunderttausend Hektar Wald weniger geben. Auch Rimbunan Hijau wird sich dann neu orientieren müssen. Denn laut dem Forstwirt Brian Daniel, der für die Umweltstiftung Foundation for People and Community Development arbeitet, ist das Gebiet, das sich die Malaysier gerade vorgenommen haben, das letzte gut zugängliche Stück Urwald in der Provinz.

Die Ramu-Region ist dabei prototypisch für ganz Papua-Neuguina. In dem Land, das nach Brasilien und Indonesien den größten Regenwald der Welt besitzt, sind seit Anfang der 1970er 15 Prozent des Baumbestandes verschwunden. Und die Entwicklung beschleunigt sich. Gingen zu Beginn des Jahrtausends jährlich 362.000 Hektar - eine Fläche von der Größe Mallorcas - verloren, sind es heute deutlich mehr. "Bei der derzeitigen Rate dürften 53 Prozent aller Wälder bis 2021 verschwunden oder schwer geschädigt sein", sagt Phil Shearman, der an der Universität von Papua Neuguinea lehrt. Die Profiteure sind neben der Holzindustrie, vor allem die Betreiber von Palmölplantagen. Allein seit 2003 hat die Regierung in Papua Neuguinea 5,2 Millionen Hektar für den Plantagenbau freigegeben.

Mit der Abholzung geht aber nicht nur ein massiver Verlust an Biodiversität einher, der Planet verliert auch zunehmend einen wichtigen Mechanismus bei der Reduktion von Treibhausgasen. Beim noch bis 9. Dezember im südafrikanischen Durban tagenden Weltklimagipfel ist der Waldschutz daher neben einem kaum realisierbaren internationalen Klimavertrag und dem Unterstützungsfonds für die armen Länder das dritte große Thema. Ein Fünftel der globalen Treibhausgas-Emissionen hängen derzeit am Wald. Vor allem in den tropischen Urwäldern sind riesige Mengen an CO2 gespeichert, die wieder freigesetzt werden, wenn die Bäume im Zuge von Rodungen abgebrannt werden. Fast die Hälfte des Emissionsausstoßes kommt in Indonesien auf diese Weise zustande. Gleichzeitig wird mit der Abholzung auch die Fähigkeit der Wälder, neues CO2 zu speichern, reduziert.

Als Ausweg aus diesem Dilemma hatte man beim vorangegangenen Klima-Gipfel im mexikanischen Cacun das Waldschutzprogramm REDD forciert. Hinter REDD - die Abkürzung steht für Reducing Emissions from Deforestation and Degradtion - steckt die Idee, naturbelassenen Wäldern einen monetären Wert zu geben. Das Kalkül ist dabei einfach, aber effektiv: Wenn ein Waldbesitzer mehr Geld für die Erhaltung seines Waldes bekommt als für die Zerstörung, würde er sich aller Voraussicht nach wohl für dessen Schutz entscheiden. Abgewickelt könnte das Programm ähnlich wie der bereits bestehende Emissionshandel werden. Eine unter zu hohem Treibhausgasausstoß leidende Fabrik in Europa könnte dann Verschmutzungsrechte bei einem Waldbesitzer in Indonesien kaufen, der im Gegenzug verspricht, auf Rodungen zu verzichten. Auch Staaten könnten auf diese Weise vorgehen.

Spekulanten stehen bereit

Allerdings ist das in Cancun noch in den Kinderschuhen steckende REDD-Programm seither nicht viel darüber hinaus gekommen. REDD ist derzeit eher ein Sammelsurium von Ideen als ein konkret ausgestaltetes Vertragswerk mit Strukturen und einem Finanzierungsmechanismus. So muss in Durban etwa darüber beraten werden, ob der Waldschutz primär über Verschmutzungsrechte laufen soll oder ob nicht auch die reichen Staaten einiges an Geld in die Hand nehmen und die armen Länder direkt für den Waldschutz bezahlen. Und obwohl der Waldschutz von so gut wie allen Seiten als die auch in finanzieller Hinsicht günstigste Methode der Treibhausgasreduktion gesehen wird, ist das REDD-Programm nicht unumstritten. Schwierigkeiten orten Kritiker schon bei der Umsetzung: Wie soll effektiv überwacht werden, dass REDD-geförderte Wälder nicht schließlich doch still und heimlich abgeholzt werden? Immer wieder kommt es laut Umweltschutzorganisationen vor, dass Forstunternehmen viel mehr Bäume fällen, als sie eigentlich dürften.

Ein wohl noch größeres Problem könnte das Waldschutzprogramm allerdings den indigenen Völkern bescheren, für die der Wald auch Lebensraum ist. Obwohl es noch kein verbindliches Regelwerk gibt, erleben einige Indianerstämme in Brasilien derzeit einen regelrechten Ansturm von Investoren, die in der Hoffnung auf hohe Spekulationsgewinne Verträge mit ihnen abschließen wollen. Die Chance, dass die Ureinwohner dabei unter die Räder kommen, scheint groß. So befürchten Entwicklungshilfe-NGOs, dass die Indigenen aufgrund ihres fehlenden Zugangs zu Bildung und Information bei der Ausgestaltung der komplizierten Vertragswerke sehr leicht benachteiligt werden könnten. Eine nicht kleine Anzahl an Aktivisten lehnt REDD daher auch grundsätzlich ab.

Doch die erhofften Spekulationsgewinne dürften ohnehin noch eine Zeit lang auf sich warten lassen. Nachdem in Durban zur Halbzeit der Konferenz mehrere Länder, darunter auch die USA, ein Aufschnüren jenes Fonds forderten, mit dem ärmere Länder bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden, sind die Hoffnungen auf substanzielle Fortschritte bei REDD derzeit eher gedämpft.