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Gegenläufige Klimatrends

Von WZ-Korrespondentin Elke Bunge

Wissen
Die rekonstruierte Klimakurve (helle Linie) zeigt wärmere Epochen (Römerzeit und Hochmittelalter), aber auch die Kältephasen zur Zeit der Völkerwanderung oder der späteren kleinen Eiszeit sowie einen längerfristigen Abkühlungstrend.

Neue Erkenntnisse nach Forschungen an Baumjahresringen in Finnland.


St. Gallen. Das Klima verändert sich ständig. Doch die Nachrichten über das Klima der letzten Jahre gehen alle in eine Richtung: In den vergangenen 30 Jahren waren weltweit 28 Jahre zu warm. In Deutschland lag das Jahr 2011 um 1,4 Grad über dem langjährigen Mittel von 8,2 Grad Celsius, das war das viertwärmste Jahr seit Beginn deutschlandweiter Messungen. Auch in Österreich lag die Abweichung nach oben bei 1,4 Grad, im Bergland sogar noch höher. Das Thema globale Erwärmung, als deren Verursacher die Treibhausgase gelten, wird seit jeher heiß diskutiert.

Doch bisher konnten Forscher nur auf einen begrenzten Messzeitraum zurückgreifen. Die Wetteraufzeichnungen in Deutschland gehen bis in das Jahr 1881 zurück. Im Alpenraum zeichnet das Forschungsprojekt Histalp die Wetterdaten auf. Hier findet man auch die längste durchgehende stationäre Wetteraufzeichnung in Europa für Kremsmünster in Oberösterreich. Sie geht bis ins Jahr 1760 zurück.

Bei solchen Aufzeichnungen kann man noch nicht von Langzeitmessungen sprechen. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und von zwei Schweizer Zentren für Klimaforschung hat nun eine über 2000 Jahre reichende Klimarekonstruktion für Nordeuropa anhand von Baumjahrringen vorgestellt. Die Gruppe um Jan Esper, Professor am Geographischen Institut der JGU, kombinierte die Jahrringdichtemessungen fossiler Kiefernbäume aus dem finnischen Lappland zu einer Zeitreihe, die bis 138 vor Christus zurückreicht.

In dieser Studie, aktuell in der Zeitschrift "Nature Climate Change" erschienen, konnten Forscher erstmalig Temperaturdaten über einen so langen Zeitraum bestimmen und auswerten. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass es einen langfristigen Abkühlungstrend über die letzten Jahrtausende gibt. "Wir haben festgestellt, dass die historischen Temperaturen zur Römerzeit und im Mittelalter bis dato als zu kühl eingeschätzt wurden", so Esper.

Die Römer hatten es wärmer

Für ihre Studie verwendeten die Forscher aus Deutschland, Finnland, Schottland und der Schweiz Messungen der Holzdichte von Bäumen aus dem finnischen Teil Lapplands. In dieser großflächigen und kalten, vorwiegend aus Gewässern und Wald bestehenden Landschaft fallen immer wieder Bäume in einen der zahlreichen Seen und bleiben dort über Jahrtausende sehr gut erhalten.

Die Messungen der Holzdichte korrelieren sehr gut mit den Sommertemperaturen in diesem Raum nahe der nordischen Waldgrenze. Diese Rekonstruktion spiegelt sowohl die Wärmebedingungen zur Römerzeit und im Hochmittelalter wider als auch die Kältephasen zur Zeit der Völkerwanderung oder der späteren kleinen Eiszeit.

Abkühlung wird unterschätzt

Dabei konnten die Forscher den langfristigen kontinuierlichen Abkühlungstrend genau berechnen. Er wurde durch langsame Veränderungen des Sonnenstandes und durch Änderungen des Abstandes der Sonne zur Erde verursacht.

Auf Basis der neuen Befunde bedeutet dies eine Abkühlung von 0,3 Grad pro Jahrtausend. "Eigentlich erscheint diese Zahl nicht sonderlich imposant", so Esper. "Allerdings ist sie im Vergleich zur globalen Erwärmung, die bis heute weniger als ein Grad beträgt, nicht zu vernachlässigen. Wir konnten nun zeigen, dass die großräumigen Klimarekonstruktionen, die auch vom internationalen Klimarat IPCC verwendet werden, den langfristigen Abkühlungstrend über die letzten Jahrtausende unterschätzen." 

Mit anderen Worten: Der Trend zur Abkühlung fängt einen Teil des jetzigen Klimawandels auf und relativiert diesen im historischen Vergleich stärker als bisher angenommen.