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Frieren und Frösteln im Frühling

Von Heiner Boberski

Wissen

Im Mai gibt es fast immer einen Kaltlufteinbruch, aber meist nicht zur Zeit der "Eisheiligen".


Wien. "Pankrazi, Servazi, Bonifazi sind drei frostige Bazi. Und zum Schluss fehlt nie die kalte Sophie." Diese uralte Bauernregel besagt, dass die Zeit der "Eisheiligen" - das sind die Tage von 12. bis 15. Mai (in manchen Regionen zählt auch noch der Mamertus-Tag am 11. Mai dazu) - von einer kräftigen Abkühlung gekennzeichnet sind. Heuer trifft diese Regel ziemlich exakt zu, was aber eher die Ausnahme darstellt, wie jüngste Untersuchungen an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien ergeben haben.

ZAMG-Forscher Alexander Orlik kam bei der Auswertung von Daten der Klimadatenbank seiner Einrichtung aus den letzten Jahrzehnten zu zwei bemerkenswerten Ergebnissen: "Erstens: Die Eisheiligen bringen in den meisten bewohnten Regionen Österreichs nahezu nie Frost. Zweitens: Es gibt einen Zeitraum im Mai, in dem wir mit verblüffend hoher Wahrscheinlichkeit Kaltlufteinbrüche erleben, allerdings nicht zur Zeit der Eisheiligen."

Bodenfrost-Tage im Mai sind eher selten

Dass im Mai in Österreichs in tiefen Lagen die Temperaturen unter null Grad sinken, also Frost auftritt, kommt sowohl direkt am Boden als auch in zwei Meter Höhe nur sehr selten vor, weiß der Klimatologe Orlik: "Linz zum Beispiel hatte in den letzten 20 Jahren im Mai keinen einzigen Frosttag, Graz zwei, Salzburg und Bregenz vier, Eisenstadt sechs, Wien acht. Das ergibt eine durchschnittliche Zahl der Tage mit Bodenfrost im Mai pro Jahr zwischen 0,0 in Linz und 0,4 in Wien. Eine Spur höher sind die Werte in Klagenfurt mit 0,7 Frosttagen im Mai, in St. Pölten mit 1,0 und in Innsbruck mit 1,4."

Mehr Bodenfrost-Tage, nämlich durchschnittlich drei pro Jahr, entfallen auf Regionen wie das Mühl- und Waldviertel, im Durchschnitt sogar vier Frosttage kommen in der Obersteiermark und in Osttirol vor. Dabei ist jedoch der Anteil dieser Tage, der auf die Zeit der Eisheiligen entfällt, laut Alexander Orlik "verschwindend klein".

Trotzdem hat die alte Bauernregel durchaus ihren wahren Kern. Denn bei einer Analyse der mittleren Tagestemperatur im Mai im Verlauf der letzten 50 Jahre konnte Orlik einen markanten Temperatureinbruch beobachten, der mit einer nicht mehr durch statistische Zufälle erklärbaren Regelmäßigkeit auftritt: "Der findet aber nicht zu den Eisheiligen statt, sondern in etwa zwischen 20. und 25. Mai. Das würde gut damit zusammenpassen, dass im Rahmen der Gregorianischen Kalenderreform zehn Tage in den Kalender eingefügt wurden und sich daher die Eisheiligen im Kalender um etwa zehn Tage von ihrem meteorologischen Eintreffen entfernt haben."

Bis zur Kalenderreform, die Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 durch seine Bulle "Inter gravissimas" in Kraft setzte, galt im katholischen Europa der Julianische Kalender. Die regelmäßigen Kaltlufteinbrüche im Mai wurden offenbar schon vorher registriert und fanden in der eingangs zitierten klassischen Bauernregel Niederschlag. Orlik hat für dieses Sinken der Temperatur im Frühjahr eine meteorologische Erklärung: "Im Mai heizt sich der europäische Kontinent deutlich schneller auf als das umgebende Meer. An der Grenze von Warm und Kalt entstehen Tiefdruckgebiete, die polare Kaltluft bis Mitteleuropa bringen können. Es ist gut möglich, dass aufgrund von fixen Faktoren wie Sonnenstand und der Land-Meer-Verteilung dieser Mechanismus gehäuft zu diesen Kaltlufteinbrüchen in der zweiten Maihälfte führt."

Temperaturrückgang in diesem Jahr etwas zu früh

Der Kaltlufteinbruch, der heuer die Eisheiligen ihrem Namen gerecht werden lässt, kommt - im jahrelangen Durchschnitt - etwas zu früh. Nach heutiger Prognose werden die Temperaturen in Österreich diese Woche noch bis zum Freitag zurückgehen. Doch es gibt leider absolut keine Garantie, dass dieser Kälteeinbruch bereits der letzte im heurigen Frühjahr ist.