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Verwandlungs- künstler

Von Alexandra Grass

Wissen
Maiskolben - Nahrung für Mensch und Tier.
© Fotolia/Thomas von Stetten

Seine genetische Flexibilität könnte dem Kukuruz zu noch größerer Bedeutung verhelfen.


New York/Wien. Als im Jahr 2009 das Erbgut der Maispflanze vollständig entziffert worden war, war die Wissenschaft von einer ungewöhnlichen Dynamik des Kukuruz überrascht worden. Warum er so vielseitig und vor allem anpassungsfähig ist, ist nach wie vor Inhalt zahlreicher Forschungen. Nach der Sequenzierung zweier weiterer Maislinien, die in unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen beheimatet sind, hat ein Wissenschafterteam um Doreen Ware vom Cold Spring Harbor Laboratory in New York nun eine noch viel reichhaltigere Genomstruktur festgestellt.

Seit ungefähr 10.000 Jahren wird die älteste und wohl auch wichtigste Kulturpflanze des Menschen von diesem angebaut. Der Ursprung des Getreides ist das mexikanische Wildgras Teosinte. Daraus entstammte schließlich im Laufe der Zeit der Kolben tragende Verwandte. Mit der Entzifferung des Genoms der Maislinie B73 hatten die Forscher im Jahr 2009 festgestellt, dass sein Erbgut aus immerhin 2,3 Milliarden Basenpaaren und mehr als 32.000 Genen besteht. Im Vergleich dazu zählt der Mensch rund 3,2 Milliarden Basenpaare und 22.000 Gene.

Unglaublich unterschiedlich

Im Laufe von 70 Millionen Jahren habe sich sein Erbgut mehrfach verdoppelt, hieß es damals im Fachmagazin "Science". Vor allem in den letzten drei Millionen Jahren hätten sich wiederholende Genabschnitte immer wieder vervielfältigt. Die Struktur des Maisgenoms ist sehr komplex. Zudem verändern zahlreiche Erbgutelemente - die sogenannten springenden Gene, die Transposons - immer wieder ihre Position innerhalb des Genoms.

Nun haben die Forscher zwei weitere Linien dieser Pflanze - nämlich W22 und Ki11 - näher unter die Lupe genommen. "Unser neues Mais-Genom zeigt uns einmal mehr, wie unglaublich flexibel diese Pflanze ist", schreiben sie im Fachblatt "Nature".

Seine Charakteristik resultiere dabei aus der Art, wie dieses Genom organisiert ist und welche Gene aktiviert oder ruhend sind. Ein Vergleich mit dem Referenzgenom B73 macht es deutlich: Die unterschiedlichen Mais-Individuen seien einander weit weniger ähnlich, als es Menschen untereinander sind, heißt es in der aktuellen Publikation. Das Genom zweier Individuen würde im Vergleich mit dem menschlichen Referenzgenom immerhin eine Ähnlichkeit von ungefähr 98 Prozent aufweisen. Genetisch gesehen seien Menschen untereinander demnach nahezu ident. "Wir haben herausgefunden, dass sich die Maislinien W22 und Ki11 mit dem Referenzgenom im Durchschnitt nur zu 35 Prozent decken. Ihre genetische Organisation ist unglaublich unterschiedlich", betont Ware.

Schlüssel für die Zukunft

Diese Flexibilität erkläre nicht nur seinen Erfolg seit seiner Verwendung durch die Landwirtschaft, sondern auch seine Fähigkeit, an vielen klimatisch unterschiedlichen Orten der Erde gedeihen zu können. Mit Blick auf das anhaltende Bevölkerungswachstum und die stattfindenden klimatischen Veränderungen eröffnen sich für die Zucht damit gute Chancen, den Mais nicht nur in benötigter Menge, sondern auch in durch den Klimawandel geschüttelten Landstrichen erhalten zu können.

Die genetische Plastizität der Pflanze sei ein Segen, so die Forscher. Denn "die Diversität des Mais ist die Rohstoffbasis für die Zucht", erklärt Erstautor Yinping Jiao. "Das ist der Schlüssel, um in der Zukunft nicht nur besseren, sondern auch mehr Mais produzieren zu können."