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Wetterextreme im Aufwind

Von Alexandra Grass

Wissen

Sowohl der nordatlantische Jetstream als auch der Klimawandel haben Einfluss auf Hitzewellen und Fluten in Europa.


Tucson/Wien. In den letzten Jahrzehnten wird Europa immer häufiger von Hitzewellen, Dürren, Waldbränden und Überschwemmungen heimgesucht - auch Österreich bleibt davon nicht verschont. Zumeist werden diese Ereignisse auf den fortschreitenden Klimawandel zurückgeführt. Doch scheint nicht nur dieser Einfluss auf die gefürchteten Wetterextreme zu haben, wie Forscher der University of Arizona in Tucson herausgefunden haben.

Seit den 1960er Jahren treffen nämlich verstärkte Schwankungen in der Bahn des nordatlantischen Jetstreams mit solchen Wetterextremen zusammen, erklärt die Biologin Valerie Trouet in ihrer Studie. Sie hat Baumringe - sie geben auch Einblick in die Klimageschichte von Regionen - von Gewächsen auf den Britischen Inseln und im nordöstlichen Mittelmeergebiet untersucht. Demnach reichen die vorwiegend im Spätsommer auftretenden Ereignisse sogar bis ins Jahr 1725 zurück. "Wir fanden heraus, dass der nordatlantische Jetstream einen starken Einfluss auf die Wetterextreme in Europa hat. Und das sogar seit 300 Jahren", so die Forscherin. Vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sei es zu besonders starken Wechselspielen zwischen nördlichem und südlichem Auftreten des Stroms gekommen.

Wechselspiel des Jetstreams

Konzentrieren sich die Winde nämlich im Norden des Atlantiks, kommt es auf den Britischen Inseln und in Westeuropa zu Hitzewellen, während Südosteuropa mit Starkregen und Fluten zu kämpfen hat, betont Trouet. Ist die Schwerpunktregion der Winde allerdings der Süden, dann kehrt sich der Effekt entsprechend um: Westeuropa leidet unter einem besonders hohen Wasseraufkommen und in Südosteuropa beherrschen Hitze, Dürre und Waldbrände die Regionen.

"Hitze, Flut und Trockenheit treffen die Menschen hart", erklärt die Forscherin. Das starke Wechselspiel des Jetstreams trifft noch dazu auf ein anderes Phänomen, das die Menschheit bereits belastet - nämlich den Klimawandel. Wetterextreme in Kombination mit steigenden Temperaturen und globaler Erwärmung "sind ein Doppelschlag".

Auch im Mittleren Westen Amerikas haben Bewegungen eines Jetstreams Auswirkungen auf das Sommerwetter, heißt es in der Studie. "Das was wir zurzeit in Nordamerika erleben, ist ebenso Teil dieses Windsystems." Die klirrende Kälte und das besonders starke Schneeaufkommen, wie es derzeit den Nordosten Amerikas betrifft, sowie die extreme Wärme beziehungsweise Trockenheit, die in zerstörerischen Waldbränden mündet, hänge nämlich mit der Winterposition des Jetstreams im Nordpazifik zusammen.

Auf die Idee, dieses Phänomen zu erforschen, kam Trouet als sie im Sommer 2012 die Wetterkarte studierte. Exakt dieselbe Karte hatte sie aus ihren Baumring-Daten ablesen können. Die Baumringe zeigten, dass die heißen Temperaturen im mediterranen Raum zeitgleich mit kalten Phasen auf den Britischen Inseln zusammenfielen - und umgekehrt.

Einfluss auf Olympia

Mit der Entdeckung viel älterer Bäume im Balkan und auf den Britischen Inseln hofft Trouet, den nordatlantischen Jetstream 1000 Jahre in die Vergangenheit rückverfolgen zu können. Aber auch den nordpazifischen Jetstream will sie in ihren Forschungen nicht außer Acht lassen.

Durch den Klimawandel, wie angeführt, verstärkt sich die Situation stark. Das hat vielerlei Einflüsse auf das menschliche Leben. Abgesehen von persönlichen Katastrophen hat die Situation auch Auswirkungen auf den Sport. Denn der Klimawandel setzt auch den Olympischen Winterspielen zu, wie eine internationale Studie zeigt, an der Tourismusforscher Robert Steiger von der Universität Innsbruck mitgearbeitet hat.

Viele bisherige Austragungsorte der Spiele könnten es in Zukunft schwierig haben, das Großereignis wieder auszurichten, wenn die globale Erwärmung weiter zunimmt. Wenn die globalen Treibhausgasemissionen nicht drastisch gesenkt werden, würde es bis zum Ende dieses Jahrhunderts nur in acht der bisherigen 21 Austragungsorte von Winterspielen kalt genug für eine neuerliche Austragung sein. Beim Einhalten des Pariser Klimaabkommens wären es laut Studie zwölf. Frühere Gastgeber wie Squaw Valley in den USA, Vancouver oder Sotschi würden aus der Liste fallen. Selbst für die zweimalige Olympiastadt Innsbruck könnte es auf lange Sicht eng werden.

Die Menschen selbst reagieren auf die Bedrohung durch den Klimawandel sehr unterschiedlich, zeigt eine weitere Studie, die Salzburger Psychologen durchgeführt haben. Sie haben in ihrer Untersuchung Österreich und Argentinien verglichen.

Klimawandel-Resistenz

Während in den USA aktuell die Klimawandelskepsis wieder höher im Kurs steht, herrscht in Europa doch weitestgehend Konsens über die vom Menschen verursachte Veränderung des Klimas. Informationen darüber, etwa in den Nachrichten, gibt es zuhauf. Trotzdem tut sich meist erstaunlich wenig, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen dagegen zu setzen, urteilen die Autoren. Sie gingen der Frage nach dem "Warum" nach. Dabei zeigten die Österreicher weniger Bereitschaft, einen nachhaltigeren Lebensstil zu pflegen und gaben sich zudem ethnozentrischer, so das Ergebnis. Bei den befragten Argentiniern stellten sich diese Effekte nicht ein.

Die Autoren waren vom Ergebnis überrascht. Doch ist dieses nicht ganz unlogisch, bedenkt man, dass die Auswirkungen des Klimawandels in Südamerika viel präsenter und spürbarer sind. Auch die anhaltende wirtschaftliche und politische Krise könnte hier hineinspielen. Diese Argumente dürften wohl mehr wiegen als die den Österreichern immer wieder unterstellte Resistenz gegenüber Veränderungen - auch in klimatechnischer Hinsicht.