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"Erneuerbare Energien sind hochprofitabel"

Von Eva Stanzl

Wissen

Flugpionier Bertrand Piccard fahndet weltweit nach Technologien, die der Umwelt nützen - diese Woche referierte er Wien.


Wien. Den allermeisten Menschen erscheint es völlig unrealistisch, auch nur den Versuch zu unternehmen, durch ihr eigenes Schaffen die Welt zu verändern. Nicht zuletzt darum lautet der Rat großer Mentoren, Gründer und Wissenschafter, denen Letzteres gelungen ist: Glauben Sie an Ihren Traum. Der Satz mag würdig erscheinen für den Preis der "Binse des Jahres", was aber nichts an seiner fundamentalen Wahrheit verändert.

Denn wer Menschen beobachtet, die etwas Besonderes leisten, sieht häufig den Glauben an eine Vision und an die Fähigkeit, etwas verändern zu können. Dazu benötigt man nicht nur Ratschläge, sondern auch Vorbilder, die einem die Praxis vorleben. Bertrand Piccard hatte die Gnade, aus einer Familie zu stammen, in der das Unmögliche möglich war.

Sonnenflug eines Psychiaters

Der heute 60-Jährige, der sich mit der ersten Umkreisung der Erde in einem Ballon in die Rekordbücher eintrug und später mit dem ersten Solar-Flug um die Welt noch eines draufsetzte, hat die für diese Leistungen nötige Vision, Ausdauer und Hartnäckigkeit in den Genen. Sein Großvater Auguste flog 1932 mit einem Ballon in die Stratosphäre. Sein Vater Jacques brach mit einem Tiefsee-U-Boot im Marianengraben den Tauchweltrekord, baute das erste Touristen-U-Boot, erforschte den Golfstrom und setzte sich intensiv für das Leben im Meer ein. Für Bertrand ist das Betreten von Neuland somit so etwas wie Normalität.

"Ich beobachtete meinen Vater und meinen Großvater und die meisten US-Astronauten, die ich als Kind kennenlernte. Ich stand im Weltraumbahnhof von Cape Canaveral mit (dem Raketeningenieur, Anm.) Wernher von Braun, als Apollo 11 zum Mond startete. All das prägte meine Sicht auf das Leben. Schon als Kind meinte ich, dass die Erforschung des Unbekannten normal ist", erzählt der in Lausanne am Genfer See geborene Abenteurer. Dabei blicken seine Augen direkt in die Gesamtheit der Welt. Piccard besuchte den Klimagipfel der Initiative R20 am Dienstag in Wien. Am Abend der "Austrian World Summit" genannten Konferenz, bei dem sich 1200 Klima- und Umweltschützer, Unternehmer, Politiker und Forscher aus aller Welt trafen, sprach er mit der "Wiener Zeitung".

Pionierhaft war auch Piccards Ausbildung. Mit 16 Jahren zählte er zu den europäischen Pionieren im Deltafliegen. Er erforschte das Fliegen in all seinen Formen: Distanz, Höhe, Akrobatik. "Danach begann ich, die menschliche Seele zu erforschen", sagt er: "Ich wollte die Menschen besser verstehen." Er wurde Psychiater und Psychotherapeut und orientierte sich auch hier an einem Pionier - Milton Erickson (1901-1980). Der US-Psychiater prägte die Hypnose und Hypnotherapie. Erickson erkrankte mit 18 Jahren an Kinderlähmung. Bewegungsunfähig, soll er kraft seiner Imagination daran gearbeitet haben, dass seine Muskeln wieder funktionstüchtiger wurden.

Solche Techniken setzte denn auch der Schweizer Piccard ein, um sich auf seine Abenteuer vorzubereiten. Er visualisierte Gefahrensituationen, spielte seine Reaktionen im Geiste durch. Während er mit dem sonnenbetriebenen Leichtflugzeug "Solar Impulse 2" binnen 500 Tagen die Erde umrundete, half ihm Selbsthypnose, um sich den Tag in den Lüften einzuteilen. Von März 2015 bis Juli 2016 wechselte er sich mit seinem Partner Andre Borschberg im Cockpit ab. "Es war ein fantastisches Gefühl. Man baut Jahre daran. Und dann zieht man den Gashebel, hebt lautlos ab und fliegt tage- und nächtelang. Hunger und Müdigkeit spielen keine Rolle. Es gibt zu Essen, isolierende Kleidung und wenn der Autopilot an ist, bringt man sich selbst zum Schlafen. Es gibt keinen Treibstoff, keine Verschmutzung und keinen Lärm."

Bleibt die Frage, warum die Welt immer noch auf Verbrennungsmotoren setzt. Ein Grund könnte sein, dass die Technologie für den Flugverkehr noch zu anfällig ist. Etwa musste "Solar Impulse 2" unterwegs wegen eines Defektes der Batterien eine neunmonatige Pause einlegen. Piccard zeigt sich zuversichtlich. "Als wir das Projekt starteten, wollte der damalige Chef des Flugzeugbauers Airbus nicht in uns investieren. Seit unserem Erfolg wird bei Airbus am elektrischen Antrieb geforscht", sagt er. Zwar werde es wohl noch dauern, bis ein A380 mit Sonnenstrom fliegt. "Doch in 8,5 Jahren werden Kurzstrecken für 50 Passagiere mit Sonne und Strom geflogen werden. Schon heute gibt es Zweisitzer, die so betrieben sind", betont Piccard.

Verbesserte Lebensqualität

Derzeit ist der Flugpionier in Sachen Klimaschutz unterwegs. Mit seiner "Weltweiten Allianz für effiziente Lösungen" sucht er nach Technologien, die mit erneuerbaren Technologien betrieben werden oder helfen, Ressourcen zu sparen. Dabei stemmt sich der Schweizer Abenteurer keineswegs gegen die Marktwirtschaft. Ganz im Gegenteil ist er davon überzeugt, "dass die Menschen das Klima nur schützen, wenn diese Technologien profitabel sind."

"Ich bin kein Ökologe, sondern ich denke logisch", sagt Piccard: "Und es ist völlig logisch, dass grüne Technologien die Lebensqualität verbessern, neue Märkte und neue Jobs schaffen." Dem US-Präsidenten und Klimawandel-Leugner Donald Trump dreht er den Spieß um: "Wenn man ein Land entwickeln will, muss man etwas Profitables tun. Selbst wenn einem der Klimawandel egal ist, sind erneuerbare Energien gewinnbringender als Kohle und Öl oder alte Elektroleitungen, die mit Nägeln auf Masten montiert sind. Einem unaufhaltbaren Trend soll man sich nicht entgegenstemmen."

Bis zum C24-Klimagipfel in Polen im Dezember sucht Piccard 1000 marktreife Anwendungen, die einen effizienten Klimaschutz ermöglichen. Rund 500 hat er nach eigenen Aussagen bereits. Zu ihnen zählen mikro-elektrische Filter, die Wasser zu Trinkwasser machen, Instrumente zur Senkung von Schadstoffen in Autoabgasen und ein System, das Kaltwasser beim Duschen mit warmem Abwasser heizt. Piccards Vita lässt erwarten, dass noch viele Erfindungen mehr dazukommen.